Donnerstag, März 28, 2024

Bundesheer – Kriterien für Tauglichkeit runtergeschraubt: ÖVP lässt Grüne “ang’lahnt”

ÖVP lässt Grüne “ang’lahnt”

Die zuständigen ÖVP-Ministerinnen Claudia Tanner und Elisabeth Köstinger wollen die Tauglichkeits-Kriterien für wehrpflichtige Männer nach unten schrauben – im Alleingang per Weisung, ohne Gesetzesänderung. Kritik hagelt es vom Grünen Koalitionspartner, der nach anfänglichen Gesprächen nicht mehr konsultiert wurde.

Wien, 22. Dezember 2020 | Das Bundesheer senkt seine Tauglichkeitskriterien, los geht es im kommenden Jahr. Das gaben die ÖVP-Ministerinnen Klaudia Tanner (Verteidigung) und Elisabeth Köstinger (Zivildienst) am Dienstag bekannt: Sie erhoffen sich dadurch 1.200 Männer mehr fürs Bundesheer und 800 Männer mehr für den Zivildienst. Umgesetzt wird die Senkung der Tauglichkeitskriterien per interner Weisung und nicht per Gesetz. Damit werden die Grünen außen vor gelassen – sie hatten einen Gesetzesentwurf im Vorfeld kritisiert und auf datenschutz- und verfassungsrechtlich fragwürdige Stellen hingewiesen.

Wording für besseres Image: “Tauglichkeit neu” soll “Teiltauglichkeit” ersetzen

Offiziell ist inzwischen von “Tauglichkeit neu” die Rede, eine Einstufung der “Teiltauglichkeit” gibt es nicht, auch wenn Tanner in der Pressekonferenz das Wort noch verwendete. Tatsächlich bleiben die neun Tauglichkeitsstufen bestehen, es werden aber die Kriterien erweitert bzw. die Ausbildungsvoraussetzungen geändert. Dies soll etwa dazu führen, dass ein schulterverletzter Sportler künftig als tauglich eingestuft würde, führte Tanner aus. Statt am Sturmgewehr könnte er aufgrund seiner Verletzung aber am Pfefferspray ausgebildet werden.

Kriterien sollen  für alle ab Geburtsjahr 2003 gelten

Es werde für jeden einzelnen entschieden, was er tun könne und was nicht, so Tanner. Nicht tauglich sollen in Hinkunft nur jene sein, für die der Grundwehrdienst physisch und psychisch tatsächlich nicht möglich sei. Starten will man mit dem Geburtsjahr 2003. Diejenigen, die heuer aufgrund der Coronakrise von der Stellungskommission noch nicht getestet wurden, werden noch nach dem alten Regime beurteilt. Mit den neuen Kriterien soll es dann im März 2021 losgehen.

Immer weniger taugliche Wehrpflichtige

Aktuell sind nur 66,5 Prozent der wehrpflichtigen Männer tauglich. Während es 2015 noch 17.000 Grundwehrdiener waren, betrug die Zahl im Vorjahr nur noch nur 16.000. Bei den Zivildienern gab es 2015 noch 16.200, 2019 nur 13.400. Geburtenschwache Jahrgänge stellen eine zusätzliche Herausforderung dar, heißt es beim Bundesheer.

Grüner Wehrsprecher Stögmüller: Erfolg “wird ausbleiben”

Tanner betonte, dass die Änderungen bei der Tauglichkeit im gemeinsamen Regierungsprogramm mit den Grünen vereinbart worden seien. Außerdem gebe es dazu einen aufrechten Ministerratsbeschluss aus dem Frühjahr. David Stögmüller, Wehrsprecher der Grünen, stellt im Gespräch mit ZackZack allerdings klar:

“Für mich war klar, dass es für die Vereinbarungen im Regierungsprogramm gesetzliche Änderungen braucht. Die ÖVP hat uns Gesetze zur Überprüfung geschickt – wir haben sehr viele Fragen hinsichtlich Verfassungsrecht und Datenschutz herausgearbeitet, aber nie eine Antwort erhalten. Daraufhin wurde verlautbart, dass es keine gesetzliche Änderung – sondern eine Nivellierung, die die Ministerinnen per Erlass machen können, geben wird.”

Stögmüller hatte zudem bei den letzten Verhandlungen im Oktober gefordert, dass die “Teiltauglichkeits-Nivellierung” an eine Attraktivierung des Grundwehr- und Zivildienstes gekoppelt werden müsse. Ministerin Köstinger habe aber partout nicht auf die Erhöhung des Zivi-Grundgehalts eingehen wollen. Über den Erlass konnte der Konsens mit dem Koalitionspartner umgangen werden. Die Zahl von 2.000 mehr jungen Männern durch die Nivellierung hält Stögmüller jedenfalls für “viel zu hoch gegriffen” – der Erfolg der Nivellierung wird ausbleiben, so der Grüne im ZackZack-Gespräch.

NEOS “mehr als skeptisch”, ob Teiltauglichkeit “verfassungsrechtlich erlaubt” ist

Am Dienstag übten auch die NEOS Kritik. “Wir sind mehr als skeptisch, ob die Einführung der Teiltauglichkeit überhaupt verfassungsrechtlich erlaubt ist”, so Verteidigungssprecher Douglas Hoyos in einer Aussendung: “Bisher galt der Spruch des Verwaltungsgerichtshofs aus den 1980er-Jahren für den Wehrdienst und damit auch für den Wehrersatzdienst. Demnach sollen nur Stellungspflichtige infrage kommen, die einem Mindestmaß physischer Kraftanstrengung unterzogen werden können. Wie soll das gehen, wenn es jetzt kein Mindestmaß mehr gibt, sondern eben mit ‘leichteren’ Diensten dieses Prinzip umgangen wird?”

(apa/lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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