Lockdown III
Wer nach dem dritten Lockdown die Gastronomie, den Handel oder Kulturveranstaltungen besuchen will, wird im Jänner gezwungen, sich testen zu lassen. Sieht man sich den neuen Gesetztesentwurf der Regierung jedoch genauer an, wird klar, dass für Nicht-Tester theoretisch sogar eine Total-Quarantäne verhängt werden könnte.
Wien, 22. Dezember 2020 | So wie es im neuesten Entwurf formuliert ist, könnte das Vorweisen eines negativen Tests auf SARS-CoV-2 theoretisch nicht nur auf das Betreten von Gast- oder Kulturstätten angewendet werden, sondern auf den gesamten öffentlichen Raum. Das bestätigt auch der Jurist Florian Horn im Gespräch mit ZackZack:
“Der Entwurf bietet eine so breite Ermächtigung, dass für jeden Anwendungsfall des Covid-Gesetzes das negative Testergebnis ein Kriterium sein kann.”
Nicht-Testern könnte also durch den aktuellen Entwurf theoretisch ein kompletter Hausarrest, beziehungsweise eine Total-Quarantäne drohen, bestätigt auch Horn.
Das neue Gesetz würde der Regierung einen breiten Anwendungsspielraum für das Vorweisen des negativen Tests bieten.
Nächste Gesetzespanne?
Steuert die Regierung also auf die nächste Gesetzespanne zu? Wenn es nach dem Rechtsexperten geht, sieht es danach aus. Denn das neue Gesetz, sollte es so kommen, wäre in diesem Fall “höchstwahrscheinlich verfassungswidrig”. Denn bevor man sich beim Verfassungsgerichtshof die Frage stellen würde, ob diese Einschränkung der Grundrechte überhaupt verhältnismäßig ist, würde geprüft werden, ob Antigen-Massentests überhaupt ein geeignetes Mittel in der Pandemiebekämpfung sind. Wären sie laut Horn aber wahrscheinlich nicht:
“Die Antigen-Tests, die benutzt werden, sind in der Bestätigung von Ansteckungen relativ ungenau. Gleichzeitig hat man über die Massentestung hinaus, relativ viele falsche positive Ergebnisse. Dann hätte man auch sehr viele unabsichtlich Betroffene.”
Sollten die Zwangstests doch als geeignets Mittel eingestuft werden, würde man spätestens in der nächsten Prüfungsebene, der Verhätnismäßigkeit, Begründungsprobleme bekommen. Denn das negative Testergebnis könnte schon nach 24 Stunden nicht mehr stimmen, folglich wäre eine Bestrafung von einer Woche an längeren Ausgangsbeschränkungen für Nicht-Tester höchstwahrscheinlich verfassungswidrig.
“Grundrechtsbeschränkung zur Strafe ist in dieser Form wahrscheinlich nicht möglich”,
so Horn.
Infektiologe zweifelt an Massentests
Auch Mediziner halten nicht viel von den Corona-Massentests. So äußerte sich auch kürzlich der Innsbrucker Infektiologe Günter Weiss kritisch zu den neuen Maßnahmen:
“Es gibt wenig Evidenz. Kein anderes europäisches Land empfiehlt es. Auch das wirklich renommierte Robert-Koch-Institut etwa gibt keine Empfehlung ab”,
so Weiss in einem APA-Interview.
In Sachen Antigen-Massentests verwies Weiss, der dem Beraterstab der Corona-Taskforce im Gesundheitsministerium angehört, auch auf die Slowakei:
“Dort ist fast die gesamte Bevölkerung hingegangen. Aber man hat nicht den Eindruck, dass es irgendwas Positives für das Infektionsgeschehen gebracht hat. Es war ein Sturm im Wasserglas, der keinen nachhaltigen Erfolg gebracht hat”.
“Nächstes Negativ-Highlight”
Kritik für die geplanten Zwangstests kommt auch auch von der Opposition. „Das angekündigte Freitesten ist das nächste Negativhighlight von Türkis-Grün. Ich erkenne dabei keine Verhältnismäßigkeit und glaube nicht, dass das vor dem Verfassungsgerichtshof halten wird. Damit werden wir die nächste Bruchlandung erleben“, so die SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim. Massentests seien zudem nur eine Momentaufnahme, die nur etwas bringen, wenn sie regelmäßig und in kurzen Abständen durchgeführt werden. Sie hinterfragte angesichts passierter Pannen auch die Vorbereitung auf die Aktion in organisatorischer, technischer und datenschutzrechtlicher Sicht.
„Die Regierung wurde gewählt, um gesetzeskonform und verständlich zu handeln. Was wir brauchen ist Expertise statt Pressekonferenzen.”,
so Yildirim weiter.
Die Menschen würden der Regierung in dieser Hinsicht nicht mehr vertrauen. Dieses verlorene Vertrauen würde mit Zwangsmaßnahmen bestimmt nicht zurückkommen. Es brauche jetzt Kompetenz, Nachvollziehbarkeit und Zuversicht.
(mst)
Titelbild: APA Picturedesk