Dienstag, April 23, 2024

Figl soll selig gesprochen werden – Warten auf ein Wunder

Warten auf ein Wunder

Der St. Pöltner Diözesanbischof Alois Schwarz möchte ein Seligsprechungsverfahren für den ehemaligen ÖVP-Bundeskanzler Leopold Figl einleiten. Die Vorbereitungen dafür seien bereits im Gange, man suche jedoch nach einem Wunder. Auf Figls Rolle im austrofaschistischen Ständestaat wird hingegen vergessen.

 

Wien, 28. Dezember 2020 | Anlässlich des 75. Jahrestags der Ernennung Leopold Figls zum ersten Bundeskanzler der Zweiten Republik kommt es bei der ÖVP, dem Mittelschülerkartellverband und dem St. Pöltner Diözesanbischof Alois Schwarz zu einer regelrechten Verehrung dieses Mannes. Schwarz möchte den ehemaligen Bundeskanzler und Außenminister Österreichs seligsprechen.

Angedeutet wurde vom Bischof auch ein Martyrium des ehemaligen Politikers, der 1965 an den Spätfolgen der Misshandlungen im Konzentrationslager gestorben sei. “Der Mann hat so viel Hoffnung gebracht. … Er war nie nachtragend. Und hat im KZ Schläge erhalten, die ihn eigentlich das Leben gekostet haben.”

Warten auf ein Wunder

Das Verfahren müsse “natürlich seinen Weg gehen: in die Bischofskonferenz, Zustimmung und natürlich dann nach Rom”, blickte Schwarz voraus. Eine Prognose der Dauer wagte der Geistliche nicht: “Das hängt davon ab, wie schnell uns Leopold Figl das eine oder andere Wunder schenkt im Seligsprechungsprozess.” Der katholische Mittelschülerkartellverband unterstützt die Forderung Schwarz´ und beruft sich auf zwei Sätze, die wohl jedem Österreicher bekannt sind: „Ich kann euch nur bitten, glaubt an dieses Österreich“ aus der Weihnachtsansprache 1945 und “Österreich ist frei“ zur Ausrufung des Staatsvertrages. Weiters heißt es in der Aussendung: „Im Laufe der Zeit neigt man dazu, Geschichten zu heroisieren. Jene von Leopold Figl braucht man nicht heroisieren. Sie sind einmalig und einzigartig.“

Bundeskanzler Sebastian Kurz stimmte ebenfalls in die Figl-Verehrung mit ein und kündigte an, den Steinsaal des Bundeskanzleramtes, in dem u.a. die “Doorsteps” vor den Ministerratssitzungen stattfinden, in „Leopold-Figl-Saal“ umzubenennen.

Austrofaschistische Zeit

Die geplante Seligsprechung stößt jedoch auch auf Kritik. Besonders Figls Rolle im austrofaschistischen Ständestaat wird in Bezug auf die Seligsprechung wohl ungern erwähnt. Über seine Zeit im Ständestaat liest man in den Aussendungen von Mittelschülerkartellverband, Schwarz und Kurz nichts. Die Diözese St. Pölten versichert ZackZack allerdings, auch die dunklen Seiten von Figl zu beleuchten. Und da gibt es einiges.

Figl war in der Zeit, in der der Austrofaschist Engelbert Dollfuß im März 1933 das Parlament auflöste, niederösterreichischer Bauernbunddirektor und damit Landesführer der „Ostmärkischen Sturmscharen“, eine Truppe der Heimwehr, die sich im Februar 1934 an den Kämpfen in Wien beteiligten und auf Meidlinger Gemeindebauten schossen.

In Bezug auf den Austrofaschisten Engelbert Dollfuß, soll er 1945 laut Aufzeichnung des US-Geheimdienstes OSS den Ständestaat als keinen Fehler gesehen haben, wie das “profil” 2015 berichtete. Der Vernehmungsoffizier Paul Sweet schrieb über Figl nieder: “Figl ärgert sich furchtbar darüber, dass Renner und andere führende Mitglieder von dessen Partei immer wieder über den Dollfuß-Faschismus reden. Einen solchen habe es nie gegeben, beteuert Figl. Dollfuß war ein echter Demokrat‘.

Auch hören sich Figl-Aussagen aus dem Jahr 1947 nicht wirklich selig an: “Die Juden wollen halt rasch reiche Leute werden (…) nirgends so wenig Antisemitismus (…) wie in Österreich, und in keinem Land das Volk von einer solchen Duldsamkeit”.

Bei der letzten Lesung des Staatsvertrages 1955 erklärte Figl den vier anderen Außenministern, er könne den Staatsvertrag nicht unterschreiben, solange in der Präambel von der Mitverantwortung Österreichs für den Krieg die Rede sei. Die Präambel wurde herausgestrichen.

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

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Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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