Samstag, April 20, 2024

Armut in der Krise: Anschober widerspricht eigener Studie

Anschober widerspricht eigener Studie

Laut Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) hat sich die Lage der ärmsten Österreicher durch die Folgen der Covid-Krise nicht wesentlich verschlechtert. Das gehe aus mehreren Studien hervor. Die Autorin einer der Studien kommt zu ganz anderen Ergebnissen.

 

Wien, 30. Dezember 2020| Glaubt man Berichten von Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne), ist die Armut in Österreich während der letzten Monate nicht angestiegen:

„Wir haben es bisher ganz gut geschafft, zu vermeiden, dass aus der Gesundheitskrise eine soziale Krise wird.“

In seiner zweifelhaften Einschätzung beruft sich der Minister auf Studien, die das Sozialministerium bereits im Herbst in Auftrag gegeben hat. Die rein statistische Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO) kommt zu einer verblüffenden Erkenntnis: Die ärmsten Erwerbstätigen hätten demzufolge während der Corona-Krise dank Maßnahmen der Regierung sogar dazugewonnen. Zum Schicksal der selbstständig Tätigen schweigt die Studie jedoch. Diese haben oft besonders mit prekären Bedingungen zu kämpfen. Und wer in oder während der Corona-Krise überhaupt keinen Job hat, hat seit April im Durchschnitt 850€ verloren, die ärmsten 20% 357€. Für jemanden, der ohnehin nichts hat, könnte das bereits eine soziale Krise bedeuten.

Armutskonferenz teilt Optimismus nicht

Eine der Studien wurde von Evelyn Dawid von der Armutskonferenz durchgeführt. Wie ZackZack bereits berichtete, geht daraus klar hervor, dass sich die Situation besonders für Arbeitslose, Selbstständige und Künstler in den letzten Monaten drastisch verschlechtert hat. Auch zu den Hilfsmaßnahmen der Regierung finden Armutsbetroffene in der Studie klare Worte. Die Vergabe funktioniere schleppend und die Beträge seien oft nicht nachvollziehbar. Die perfekte statistische Welt der WIFO-Studie gibt es demnach nicht.

2021 könnte Armut noch mehr zunehmen

In einem Punkt sind sich Armutskonferenz und Sozialministerium einig: Das bevorstehende Jahr könnte für die Ärmsten besonders schlimm werden. Ein Grund dafür ist die schwächelnde Wirtschaft. „Die soziale Ungleichheit wird in und nach Wirtschaftskrisen in der Regel größer“, so Martin Schenk von der Armutskonferenz. Schenk sieht die größte Bedrohung in der Einführung der neuen Sozialhilfe, die die Mindestsicherung ersetzt. Das türkis-blaue Paket ist in Nieder- und Oberösterreich bereits Realität und soll nach und nach auch in den anderen Bundesländern eingeführt werden. Armuts-Experte Schenk dazu:

„Die Abschaffung der Mindestsicherung und das verabschiedete neue „Sozialhilfe-Grundsatzgesetz“ ist ein Rückschritt in der Armutsbekämpfung in Österreich. Das Gesetz verschärft bestehende Armutslagen, degradiert Betroffene erneut zu „Bittstellern“ und eröffnet neue Hürden und Unsicherheiten, mit denen Menschen in schwierigen Lebenssituationen konfrontiert werden.“

Was es laut Armutskonferenz brauche, sei eine gute und flächendeckende Mindestsicherung für die Ärmsten der Bevölkerung, anstatt einer Sozialhilfe, die an allen Ecken und Enden kürzt. Dazu hat sich das Sozialministerium bisher nicht geäußert.

(dp)

Titelbild: APA Picturedesk

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