Impf-Notbremse von Kurz bei ORF und ÖBB
Am Montag, den 25. Jänner 2021, gehen Bundeskanzler Kurz und Gesundheitsminister Anschober mit ihrem alten Plan in die entscheidende Videokonferenz mit den Landeshauptleuten. Wenige Stunden später ist alles anders: die Impfstrategie wird auf den Kopf gestellt, ältere Menschen bekommen Priorität. Die umstrittene Durchimpfung der „kritischen Infrastruktur“ von ORF, ÖBB, Verbund und Großbanken wird wegen harten Widerstands aus den Ländern aufgegeben. Eine Recherche von ZackZack und “Krone”.
Wien, 27. Jänner 2021 | Am Abend des 25. Jänner sitzen hochrangige Expertinnen bei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Vizekanzler Werner Kogler (beide Grüne) im Kanzleramt. Wenig später werden die Landeshauptleute zur Videokonferenz zugeschalten. ZackZack hat das Protokoll eines Teilnehmers.
Mikl-Leitner mit Machtwort für die Älteren
Die Landeshauptleute sind unzufrieden: kaum Impfstoff, kein Plan für den 8. Februar, falsche Prioritäten bei den Impfungen. Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) macht Kurz schnell klar, dass sich ihr Bundesland an „Alterskohorten“, an fixe Altersgruppen, hält. Sie will keine Ausnahmen „für jede Berufsgruppe, die glaubt wichtiger zu sein als alle anderen“ und lehnt jede Debatte, welche Berufsgruppe wichtiger wäre, ab.
Dann stellt Mikl-Leitner die entscheidende Frage:
„Was ist mit den staatsnahen Unternehmen?“
Es geht um den ORF, die ÖBB, den Verbund und die Großbanken, die alle unter dem Titel „kritische Infrastruktur“ auf schnellen Impfstoff hoffen. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat in einem Weihnachtsbrief Tausenden Mitarbeitern und ihren Familien baldige Impfungen versprochen.
Kurz knickt ein: ORF-Impfung “politischer Selbstmord”
Aber die Landeshauptleute gehen auf Distanz. Vorarlbergs Markus Wallner (ÖVP) hält ebenfalls nichts von „kritischer Infrastruktur“ und meint:
„Diese Diskussion gehört sofort abgestellt.“
Kurz versucht eine Antwort auf Mikl-Leitner. Jetzt gehe es um die Anpassung an Impfstoffverfügbarkeit. Aber auch er weiß nicht, wie viel Impfstoff in den nächsten Wochen in Österreich sein wird.
Der Widerstand aus den Ländern wächst, das ist in der Konferenz deutlich zu spüren. Kurz wird klar, dass die Bevorzugung von Wrabetz & Co. ein Fehler ist. Blitzartig schwenkt der Kanzler auf einen neuen Kurs um und erklärt, warum ORF, Verbund und die anderen Unternehmen der “kritischen Infrastruktur” nicht mehr oben auf der Impfstoffliste stünden –
weil: „da holt uns der Teufel“, das sei „politischer Selbstmord“.
Kurz folgt jetzt Mikl-Leitner und empfiehlt plötzlich eine „Entlanghantelung an der Alterskohorte“.
Verteilungskampf um Impfstoff immer härter
Bereits gestern berichtete ZackZack über einen immer härter werdenden Verteilungskampf der Länder um verfügbaren Impfstoff. Gerade der zweite Stich muss sitzen, doch das ist längst nicht immer klar. So wollte Wien 1.000 zusätzliche Dosen, um die Durchimpfung der Pflegeheime eine Woche früher abschließen und sich auf die nächsten Schwerpunkte konzentrieren zu können.
Vom Nachbarn aus Niederösterreich – das Land hat bereits mit Oberösterreich zur Sicherstellung des zweiten Stichs Dosen von Moderna gegen jene von Pfizer getauscht – ist jedenfalls keine Hilfe zu erwarten. “Wir haben alle zu wenig”, so der Hilferuf aus Niederösterreich gegenüber ZackZack. Die Lieferung für nächste Woche sei noch nicht einmal eingetroffen, heißt es vonseiten des Notrufs Niederösterreich.
Kurz unter Druck bei eigener Partei
Die Steiermark gab sich auf Nachfrage wortkarg, während die APA heute meldete, dass auch Salzburg seinen eigenen Weg fortsetzen werde. Landeshauptmann-Stellvertreter Christian Stöckl (ÖVP) gab dabei Fehler zu: “Wir haben gewarnt, nicht am Anfang alles auf Teufel komm raus zu verimpfen, weil wir an die Zweitimpfung denken müssen. Wir haben zwar zu Beginn auch alles verimpft, sind dann aber schnell in die Planung übergegangen, um genügend Reserven zu haben”. Ein Affront für den Kanzler, dem sein überhasteter Impf-Befehl immer mehr um die Ohren fliegt.
Anschober und Kurz haben noch keinen neuen Plan. Aber der Druck aus den Ländern hat zumindest bewirkt, dass Kurz dem Vernehmen nach bald einen Vorschlag ankündigt: Zuerst wird die Kohorte der über 80-Jährigen geimpft. Dann folgen die über 65-Jährigen. Danach kommt ein Impfdurchgang mit Polizei, Bundesheer und Pädagoginnen. Der ORF kann dann nur noch darüber berichten.
(pp/wb)
Morgen auf ZackZack: weitere Details zur dramatischen Krisensitzung mit Kurz, Anschober und den Landeshauptleuten.
Titelbild: APA Picturedesk