Freitag, März 29, 2024

Trotz heftiger Proteste: Polen setzt de-facto Abtreibungsverbot um

Trotz heftiger Proteste:

Jetzt ist es fix: Seit Mittwoch ist ein Abtreibungsverbot selbst bei schwer fehlgebildeten Föten rechtskräftiges Gesetz. „Das bedeutet Krieg“: Mit Plakataufschriften wie diesen gingen gestern erneut Zehntausende Polinnen und Polen auf die Straße.

Wien, 28. Jänner 2021 | Abtreibungen sind in Polen nur noch legal, wenn die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist oder die Schwangerschaft das Ergebnis einer Straftat ist. Das umstrittene Gerichtsurteil wurde im Oktober gefällt und sorgte für die größten Proteste in Polens jüngerer Geschichte. Nachdem die Frist für das verschärfte Abtreibungsgesetz zunächst verstrichen war, kam Hoffnung auf einen Erfolg der Frauenrechtsbewegung auf: Die rechtsnationale Regierungspartei PiS hätte angesichts des in Umfragen prognostizierten Stimmenverlusts kalte Füße bekommen. Doch offenbar nur kurzfristig: Am Mittwoch wurde das Gesetz im Amtsblatt veröffentlicht und ist damit rechtskräftig.

Heftige Proteste

In Warschau, aber auch in anderen Großstädten wie Lodz und Stettin (Szczecin) gingen gestern erneut Tausende Polinnen und Polen auf die Straße. Ihr Protest richtet sich gegen das de-facto Abtreibungsverbot, gegen die nationalkonservative Regierung sowie gegen die katholische Kirche, die für den Richterspruch mitverantwortlich gemacht wird.

Trotz des wegen der Corona-Maßnahmen geltenden Versammlungsverbots kam es in Polens Hauptstadt zu heftigen Protesten.

Zu den Demonstrationen aufgerufen hatte die Frauenrechtsaktivistin Marta Lempart. “Macht eurem Ärger heute Luft, wie ihr es könnt”, sagte sie. Sie gilt als Gründerin der Organisation Allpolnischer Frauenstreik (Ogólnopolski Strajk Kobiet), die sich für Menschenrechte stark macht. Die Organisation rief zu weiteren Aktionen in den größeren polnischen Städten auf.

„Pseudurteil eines Pseudogerichts“

Der liberale Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski warf der Regierung auf Facebook vor, mit der Veröffentlichung des “Pseudourteils des Pseudogerichts gegen die Mehrheit der Polinnen und Polen” dem Staat bewusst zu schaden. “Es gehen nicht nur Frauen auf die Straße, es ist die ganze Nation, die genug davon hat”, so Trzaskowski, der als ehemaliger Präsidentschaftskandidat die Wahl im Juli 2020 nur knapp verloren hatte.

Polen droht Klage vor Europäischem Gerichtshof

Das EU-Parlament hatte sich bereits im November deutlich gegen die Verschärfung des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche in Polen positioniert. Das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts werde „aufs Schärfste“ verurteilt, hieß es. Es bedeute einen Rückschlag für Frauenrechte in Polen und setze “die Gesundheit und das Leben von Frauen aufs Spiel”, hieß es in einer Entschließung. Im April leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen ein. Grund ist die Justizreform im Land, in deren Zuge das Verfassungsgericht politisch vereinnahmt wurde und eine Unabhängigkeit der Richter nicht mehr gewährleistet ist. Diese Reform bereitete unter anderem den Boden für das verschärfte Abtreibungsverbot. Am Mittwoch setzte die EU-Kommission Polen nun eine Frist: Die nationalkonservative Regierung hat ein Monat Zeit, die Bedenken auszuräumen, andernfalls könne die EU-Kommission den EuGH anrufen.

SPÖ und Grüne kritisieren Polen scharf

Auch aus Österreich gab es Proteste gegen das Urteil des Verfassungsgerichts. “Die polnische Regierung zieht ohne Rücksicht auf Frauenleben ihre Linie durch und verbietet Abtreibungen de facto völlig”, zeigt sich die Grüne Vizeklubchefin Meri Disoski in einer Aussendung vom Mittwoch empört. Auch die Vorsitzende der SPÖ-Frauen, Gabriele Heinisch-Hosek, meldete sich zu Wort: “Diesen schlimmen Angriff auf Frauenrechte dürfen wir in Europa nicht hinnehmen! Ich erwarte mir daher einen öffentlichen Protest der österreichischen Bundesregierung, insbesondere der Frauenministerin”, so Heinisch-Hoseks Appell an Susanne Raab (ÖVP) in einer Aussendung.

Abtreibungstourismus in Nachbarländer

Bisher hatte Polen bereits eines der strengsten Abtreibungsgesetze Europas: Abtreibungen waren nur im Fall von Inzest oder Vergewaltigung, eine Gefahr für Gesundheit oder Leben der Mutter sowie bei einer schweren Behinderung des Kindes erlaubt. Laut offiziellen Statistiken werden in Polen jedes Jahr weniger als 2.000 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Der Abtreibungstourismus in andere Länder boomt: Frauenrechtsorganisationen schätzen die Zahl illegaler oder im Ausland vorgenommener Schwangerschaftsabbrüche von Polinnen auf etwa 200.000.

Menschenrechtsorganisationen bieten polnischen Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch im Ausland vornehmen müssen, Beratung und Unterstützung an – auch die Organisation “Ciocia Wienia” in Wien.

Monika Vana sieht es pragmatisch:

„Nun gilt es pragmatisch und nachbarschaftlich diejenigen zu unterstützen, die von Polen aus ins Ausland reisen müssen, um sichere Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen zu können“,

so die EU-Abgeordnete in einer Aussendung.

(lb/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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7 Kommentare

  1. Die EU sieht seit Jahren zu, wie sich Polen und Ungarn zu Diktaturen entwickeln. (Und jetzt Österreich…).
    Die EU konnte nicht mal durchsetzen, dass die Ausschüttung der Gelder an die MS an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien gebunden werden konnte. Man müsste meinen, es sei selbstverständlich, aber 🤷‍♀️

  2. Kein Mitleid mit Poleinen und Polen.
    Wenn Sie wollen, können Sie das demokratisch wieder Ändern.

    • Vorher müsste aber die katholische Kirche einmal den Mund halten und aufhören die Menschen zu indoktrinieren vielleicht würd es dann auch wieder einmal etwas werden mit der Demokratie in Polen….

  3. Einem Menschen das Recht wegzunehmen über seinen eigenen Körper zu bestimmen (auf welche Art auch immer) war für mich immer schon eines der schlimmsten Verbrechen am Menschen überhaupt und begangen wird dieses Verbrechen weltweit fast ausschließlich an Frauen…immer wieder erschütternd zu sehen was man auf dieser Welt wert ist…..

  4. Die Grünen kritisieren? Echt? Gibt’s net! Da kommt sicher noch ein Dementi.

    • Die Grünen kritisieren dann, wenn es nicht um österreichische Anliegen geht! Da halten die sich zurück um nur ja am Futtertrog verbeiben zu können.

      • Ja, und sie stimmen der Abschiebung von Schülerinnen billigend zu. Möchte mal wissen, ob die überhaupt wissen, wer sie gewählt hat. Und ob sie jemals wiedergewählt werden wollen.

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