Dienstag, April 23, 2024

Polit-Ermittlungen für die ÖVP? – Wirecard-/BVT-Affäre

Wirecard-/BVT-Affäre

Karl Nehammers Innenministerium verbreitete die Nachricht: Der ehemalige BVT-Abteilungsleiter W. habe bei den AG FAMA-Ermittlern des Bundeskriminalamts eine „Lebensbeichte“ abgelegt. Jetzt stellt sich heraus: Die „Lebensbeichte“ besteht aus einem Geständnis, Daten mit Hilfe eines – inzwischen verhafteten – Ex-BVT-Kollegen beschafft zu haben. Aber Nehammers Ermittler hatten offensichtlich ganz andere Ziele: die WKStA, Transparency International-Chef Georg Krakow und Ex-Innenminister Herbert Kickl. Wie die SOKO Ibiza hat die AG FAMA offensichtlich einen politischen Auftrag.

 

Wien, 30. Jänner 2021 | Am 23. Jänner um 8.52 Uhr ist Martin W. soweit. Die Beamten des Bundeskriminalamts haben den ehemaligen Abteilungsleiter des BVT aus seiner Zelle geholt. Er ist müde. „Geschlafen habe ich nicht gut.“

Am Vortag hatte seine Anwältin bei der ersten Vernehmung den Ermittlern noch klargemacht, dass es keine Aussage ohne vorherige Akteneinsicht geben könne. Aber am Morgen des 23. Jänner holen die Beamten W. ohne seine Anwältin aus dem Polizeilichen Anhaltezentrum an der Wiener Roßauer Lände. Sie spazieren mit ihm zu einer Einvernahme – hinter dem Rücken der Anwältin.

Die Ausschaltung der Anwältin

„Wir sind zu Fuß zum Einvernahmeraum gegangen, damit ich etwas Luft bekomme. Ich habe Kaffee erhalten“,

schildert W. das Angebot der Beamten, ihm nach einer schweren Nacht Erleichterung zu bieten. Die Kriminalbeamten der AG FAMA sind professionell geführt. Ihr Leiter Dieter C. ist ein persönlicher Vertrauter von Andreas Holzer, des türkisen Chefs des Bundeskriminalamts. C. dient unter Holzer in der SOKO Ibiza und sorgt dort gemeinsam mit seinem Chef dafür, dass nur die richtigen Spuren verfolgt werden.

Zu Beginn ist W. nicht klar, dass er in einer offiziellen Beschuldigtenvernehmung sitzt, in der von ihm ein Geständnis erwartet wird. „Ich werde jetzt von den Beamten zu einem Vorgespräch eingeladen.“ Dann passiert das Entscheidende:

„Ich gebe an, dass ich für dieses Vorgespräch meine Anwältin nicht benötige.“

Ohne Anwältin haben es die Vernehmer leicht. „Mir werden nun ein Großteil der belastenden Beweise im Vorgespräch geschildert. Nach Vorhalt dieser Belastungen und nach Abwägung der Beweislage meinerseits sehe ich ein, dass ich in letzter Zeit Fehler gemacht habe.“

Jetzt ist W. bereit: „Ich möchte wirklich nun an der Aufklärung mitwirken. Beginn dieser Zusammenarbeit ist die Weitergabe meiner Handyzugangsdaten. Es ist für mich in Ordnung.“

Dann verzichtet W. endgültig auf seine Anwältin. „Grundsätzlich habe ich mit meiner Anwältin vereinbart, dass wir zuerst Akteneinsicht nehmen. Ich bin jetzt trotzdem bereit, freiwillig eine Aussage zu machen.“

Dann beginnt W. mit seinem Geständnis. Bis 16.00 Uhr berichtet er über seine Arbeit für Wirecard-Manager Jan Marsalek, über den Flucht-Flug von Bad Vöslau nach Minsk und über die Rolle des Ex-FPÖ-Abgeordneten Thomas Schellenbacher.

Gegen WKStA statt gegen Wirecard

Um 20.20 Uhr setzen die beiden Beamten die Einvernahme von W. fort. Sie fragen ihn nach Treffen mit Journalisten und nach Johannes Peterlik, dem ehemaligen Generalsekretär im Außenministerium. Peterliks Frau war eine Kollegin von W. im BVT.

Gegen 21.00 Uhr wechseln die Beamten endgültig das Thema. Es geht jetzt nicht mehr um die anhängigen Strafverfahren von Wirecard bis Schellenbacher. Es geht um “das BVT”. Die beiden Ermittler stellen eine Frage, die zeigt, was ihre Auftraggeber wirklich interessiert:

„Sie waren einer der Hauptbelastungszeugen der WKStA im sogenannten BVT-Verfahren. Haben Sie im Vorfeld der Hausdurchsuchung im BVT aktiv Zeugen vermittelt bzw. bekamen Sie den Auftrag weitere Hauptbelastungszeugen zu finden? Wenn ja, von welcher Seite erging dieses Ersuchen?“

W. antwortet kurz und bündig: „Nein“.

Aber die Ermittler verfolgen ihre politische Spur weiter. Schon längst geht es nicht mehr um den Vorwurf von Straftaten, sondern um die politischen Gegner der ÖVP.

„Sie sind persönlich Georg Krakow (Vorstand von Transparency International, Anm. d. Red.) bekannt, dieser war im Zuge Ihrer Aussage als Zeuge bei der WKStA auch Ihre Vertrauensperson. Eine ‘Info von Jan’ vom xx.xx.201x besagt, dass Krakow bereit wäre, eine Führungsposition im BVT zu übernehmen. Gab es von Ihrer Seite dsbzgl. Gespräche über eine Neuausrichtung des BVT verbunden mit personellen wie strukturellen Vorschlägen Ihrerseits?”

W. bleibt wortkarg: „Er war meine Vertrauensperson“.

Die nächste Frage verrät, dass die Beamten einen klaren politischen Auftrag haben.

„Sagt Ihnen das Projekt Pyramide etwas?“ – „Nein.“ – „Kennen Sie Klaus Dieter Fritsche persönlich? Haben Sie Informationen darüber, wer Fritsche dem BMI (Kabinett Kickl) bez. des Projekt Neuausrichtung im BVT vermittelte?“

Fritsche (CSU) war ab 2014 als parlamentarischer Staatssekretär für die deutschen Nachrichtendienste zuständig. Im März 2018 holte ihn Innenminister Kickl als Berater für seine geplante BVT-Reform nach Wien. In Chats rund um Kickls BVT-Reformprojekt „Pyramide“ taucht immer wieder der Name „Jan“ auf.

Die Vernehmung hat jetzt längst nicht mehr mit Wirecard und Schellenbacher zu tun. Die Beamten haben offensichtlich einen politischen Auftrag. Sie sollen belastende Spuren zur WKStA, zur FPÖ und zu anderen Gegnern verfolgen.

Mit dem Bundeskriminalamt führt jetzt auch die falsche Behörde die Vernehmung. Für Ermittlungen zu möglichen Amtsdelikten gibt es im BMI das BAK, das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung. Das BAK hat nur einen Nachteil: Im Gegensatz zum Bundeskriminalamt hat die ÖVP keinen direkten Zugriff darauf.

Aus Gesundheitszentrum abgeholt

Am 27. Jänner 2021 ist W. längst auf freiem Fuß. Nach seiner Vormittags-Behandlung im niederösterreichischen Gesundheitszentrum Senftenberg stehen plötzlich wieder die zwei Ermittler in der Vorhalle des Medical Center. Um 10.00 Uhr hat die Anwältin von W. die Ermittler telefonisch informiert, „dass jegliche Kontaktaufnahme zu W. nur noch im Wege der Kanzlei durchzuführen wäre.“ Aber die Beamten pfeifen auf die Anwältin und nehmen W. um 16.15 Uhr einfach mit. Um 16.59 Uhr wird er wieder in der Wasagasse einvernommen. Seine Anwältin ist wieder ausgeschaltet worden.

(red)

Titelbild: APA Picturedesk

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48 Kommentare

  1. Liebes Zack, Zack Team könnte man vielleicht überprüfen ob dahinter eine reale Person steckt?

  2. Das Sittenbild der FPÖVP – Regierungen ist umwerfend und beschämend zugleich, je nach Betrachtungsweise.
    Mensch weis nicht woher diese Niedertracht und Menschenverachtung kommt.
    Unglaublich.
    Es gilt die UNSCHULDSVERMUTUNG.

  3. Warum macht W. da mit? Als ehemaliger Abteilungsleiter im BVT (Geheimdienst) muss er sich doch auskennen?
    Oder wird da ein Deal gemacht?

  4. Wenn Sie sich nicht ausdrücken können, sollten Sie in ein anderes Forum wechseln. Zwischen der Nazidiktatur und den ersten Onlinehändlern (Amazon gibt’s seit 1994) liegt ein halbes Jahrhundert. Wenn Sie solche Sprünge machen, sollten Sie das erklären. Sonst werde ich die ZackZack-Administratoren bitten, Ihren Account zu löschen, weil Ihre Posts eine Beleidigung für alle jene darstellen, die Interesse an einem Diskurs haben.

  5. Ich denke, dass ein vielleicht gar nicht so kleiner Teil der ÖVP/türkis Wähler in groben Zügen Ahnung davon hat, wie diese Partei agiert. Solange diese Wähler aber Ihre Interessen vertreten sehen scheint das für viele kein Problem darzustellen. Das Gemeinwohl ist bei denen nicht unbedingt vordergründig. Und mein Eindruck bezieht sich jetzt nicht nur auf die sehr vermögende Wählerschaft.

    • In welchen “schwarzen” Bundesländern stehen die nächsten Landtagswahlen an? Und in wie weit glauben Sie, dass die jetzigen Vorkommnisse (Unmenschlichkeit, Korruption, Unfähigkeit bzw. Corona, etc.) die jeweiligen Länderchefs unter Druck setzen sich von Kurz zu distanzieren? Oder ist dann eh schon wieder alles verpufft?

      • Kanns jetzt nur über OÖ sagen, wir wählen im Herbst. Hier gibt es ein großes Potential an enttäuschten FPÖ Wählern (bei uns gabs ja noch keine Wahl seit Ibiza). Ich glaube aber nicht, das die zur ÖVP wechseln. Ich denke die meisten werden eher ins Lager der Nichtwähler wandern. Viele Leute hassen Kurz auch ÖVP Wähler. Die ÖVP wird aber ihre Stimmen halbwegs halten können. Die Leute haben Angst vor einer Wirtschaftskrise. Die ÖVP wird hier ganz stark als Wirtschaftspartei wahrgenommen OÖ ist ja ein starker Wirtschaftsstandort. Die Bauern wählen traditionell auch schwarz.

        • Nachtrag: Die Grünen werden ev. leicht verlieren. Die SPÖ wird einige Stimmen dazugewinnen. Die Neos werden etwas mehr davon profitieren weil die jungen Leute den Kurz ohnehin nicht mögen und schon gar nicht wenn es junge Unternehmer sind, denen ist auch Stelzer zu autoritär ich denke die werden zunehmend zu den Neos wandern. Normalerweise passen meine Prognosen ganz gut.

          • Was die Unmenschlichkeit betrifft. Die Abschiebungen in Wien werden hier glaube ich gar nicht so wahrgenommen. Die brutalen Abschiebungen wurden bei uns schon unter Kickl “erledigt”. Das Medienecho war leider damals gering bis nicht vorhanden. Das ist generell ein Problem. Hier werden hauptsächlich Krone und OÖ Nachrichten gelesen glaube ich und die berichten natürlich nicht darüber wenn ein schwerkranker Mann abgeschoben werden soll oder eine Frau mit Kindern die in das Land ihres brutalen Ex. Mannes muss wo sie der ganzen Sippe ausgeliefert ist…

        • Da bin ich auch gespannt. Schließlich gibt’s da ziemlich starke FPÖ-Netzwerke, z.B. Welser Bürgermeister und FH-OÖ-Geschäftsführung …

          • Diese Gegend wird mit Sicherheit blau bleiben. Weil da ist die Basis zuhause das sind die Hardcore FPÖler. Und Wels hat einen hohen Anteil an zugewanderten Menschen und auch ein Integrationsproblem.

        • dass die övp als wirtschaftspartei wahrgenommen wird, ist ein treppenwitz der geschichte. schramböck und blümel als die hauptsächlich dafür zuständigen minister sprechen da wohl eher für was gegenteiliges.

          • Die Wahrnehmung der Leute ist oft etwas anderes als die Realität. Wirtschaftsnähe wird verwechselt mit Wirtschaftskompetenz, leider..

  6. Hat irgendjemand echt auf die grüne Justiz gehofft?
    Frau Zadic macht endlich Karriere. Halt bei den Grünen. Hätte es bei Kurz geklappt wäre sie jetzt Türkis.
    Traurige Zeiten.

    • Die gehört eh wegen Amtsmissbrauch angezeigt, was die an Verfahren eingestellt hat, gebremst hat um türkis zu schützen…das ist Amtsmissbrauch.

  7. Denen geht’s viel zu langsam, wir haben nur 3 Plätze beim Korruptionsranking https://www.transparency.org/en/cpi/2020/index/ verloren. In zehn Jahren sind wir dann schon so schlecht wie Polen. In zwanzig Jahren wie die Türkei und in 30 Jahren in etwa auf dem Niveau von Russland. Gut, dass ich schon ein wenig Russisch kann 😉

    • Naja, in Ö heisst das Freundlwirtschaft und nicht Korruption…
      Wie Kurz für Spenden lukrative Jobs vergab “prüfte” die Justiz Ob es sich um Korruption handle und stellte fest…nein das sei politisch nicht schön aber sei keine Korruption…
      Die grüne Justiz hat Türkise Korruption als Kavaliersdelikt abgestempelt…
      Das Land versinkt wie der Standard berichtete im türkisen Sumpf und ist Hochkorrupt, würde das rot veranstalten, von Benko über KTM bis Postenschacher gäbe es längst Ermittlungen…

    • Ich hab mir angewöhnt, bei diesen Regierungsmitgliedern und ihrer Vollziehung das Schlechteste zu erwarten … und überrascht zu sein, wenn es etwas weniger schlecht war. Was bisher kaum der Fall ist.
      Einigen dieser Mitglieder unterstelle ich ganz einfach kriminelle Züge.

        • Gewessler zB nicht, Anschober ist eher der paralysierte völlig überforderte Handlanger… Kocher oder wie der heißt- kenn ich nicht.

          Und der Rest – ja.

          • Kocher ist – salopp ausgedrückt – für die Legalisierung der Sklaverei.

          • Nix Gutes. Neoliberaler der übelsten Sorte. Konzernhörig,, Law&Order Fraktion, Harz IV – Fan. Der ist als Arbeitminister ungefähr so gut qualifiziert wie des Nachbars Wachund als Würstchenaufpasser. Oder ein ÖVPler im Finanzministerium.

          • Leider scheint er im Gegensatz zu seiner Vorgängerin auch noch sehr motiviert zu sein. War ein Fehler die Aschbacher abzusägen. Unmotivierte PolitikerInnen waren in meinen Augen immer die besten weil die richten wenigstens keinen Schaden an.

          • Sch.. mehr fällt mir dazu nicht mehr ein. Früher dachte ich bei solchen Gelegenheiten ans Auswandern mittlerweile wüsste ich aber nicht einmal mehr wohin dieser Turbokapitalismus hat die Welt völlig okkupiert. Oh man dieser Kocher fehlt mir noch zu meinem Glück den brauch ich momentan echt nicht….

          • Ach tatsächlich.
            Wissen Sie, als Kogler vor kurzem gesagt hat, der Neoliberalismus sei tot- ich hab’s tatsächlich geglaubt )

  8. Ich habe einem befreundeten Anwalt die Protokolle der AG FAMA des Inneministers gezeigt. Sein kurzer Kommentar: “Das ist nicht Kriminalpolizei. Das ist Stasi.”

    • Mir kommt das wie ein klarer Fall von Amtsmissbrauch vor. Hoffentlich folgt da bald eine Anzeige und die entsprechenden Ermittlungen. Apropos Holzer: Kogler hat das ja durchgewunken. Hat van der Bellen diese Postenbesetzung schon bestätigt? P.S. Sie werden wohl noch viele Überstunden mit Ihren Kolleg*innen machen müssen 😉

    • Veröffentlichen, wenn es offiziell ist muss das die Bevölkerung erfahren.

    • Mehr als 30 Jahre ÖVP…. mehr als 30 Jahre Zeit diverse Netzwerke einzurichten. Jetzt sind auch die Medien aus bzw. gleich geschaltet.
      Österreich würde schnellstens eine Pause von mehreren Jahren ohne türkise Regierungs Beteiligung brauchen um diesen Sumpf trocken zu legen.

      • Mehrere Jahre ÖVP Pause die Bundesländer miteingeschlossen….

    • Tja, sie haben mir die Worte aus dem Mund genommen wollte ich gerade schreiben….

    • Mein Anwalt sagt immer: Sprich nicht mit der Polizei. Egal was ist, ohne mich sprichst du nicht. Niemals. Unter keinen Umständen.

  9. Ja die ÖVP im türkisen Gewand!!

    Bei jeden Skandal an vorderster Front mit dabei!!

    • Bei denen kannst du den Mafia Paragraphen anwenden, und egal gegen wen du ermittelt du erwischt niemand falschen…
      Korruption (Freundlwirtschaft), Amtsmissbrauch und Steuergeldveruntreuung, die drei Standbein der Partei….

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