Dienstag, April 16, 2024

Politologen sehen Grüne auf verlorenem Posten

Der türkis-grüne Konflikt um die Abschiebungen von Minderjährigen hat den Grünen nichts gebracht, sondern nur der ÖVP. Die Öko-Partei steige als gedemütigte Verliererin aus und sollte dieses Spiel daher nicht allzu oft spielen, denn sie kämpfe bei diesem Thema auf verlorenem Posten. Das ist zusammenfassend die Meinung von Politologen.

Wien, 05. Februar 2021 | Die Grünen hätten sich von Beginn dieser Regierung an in der Asylfrage “auf das Prinzip Hoffnung verlassen, die Hoffnung, dass das Thema nicht hochkocht. Das war für fünf Jahre übertrieben optimistisch”, analysiert Politologe Peter Filzmaier. Die Grünen brauchten jetzt etwa Greifbares. Die ÖVP müsse eine Geste setzten, um den Koalitionspartner nicht zu sehr zu verprellen. Weitere Konflikte zu diesem Thema bringen den Grünen nichts, ist Filzmaier überzeugt. Ganz im Gegenteil: Sie würden der ÖVP nutzen, den diese habe bei der letzten Wahl Hunderttausende Stimmen von der FPÖ bekommen und könne diese mit ihrer unnachgiebigen Haltung halten. “Die Rechnung für die ÖVP ist sehr simpel.”

Grüne “bürgerlicher als man glaubt”

Und auch die Wähler der Grünen seien “weit bürgerlicher ausgerichtet als man glaube würde”. Aktive grüne Politiker müssten vielleicht so klar linke Positionen vertreten, aber bei den Wählern sei das nicht so klar, meint Filzmaier. Das spiegle sich auch in den Mehrheitsverhältnissen im Nationalrat wieder, dort haben die Grünen keine linke Mehrheit. Die letzte linke Mehrheit im Parlament habe es 1979 unter Kanzler Bruno Kreisky gegeben, so Filzmaier.

Der im türkis-grünen Regierungsübereinkommen vereinbarte koalitionsfreie Raum bei solchen Konflikten sei damit ein Schleudersitz-Knopf für die Grünen und nur für die ÖVP ein Ausweg. Die Volkspartei werde in Migrationsfragen immer die Mehrheit im Parlament haben. “Die einzige Strategie für die Grünen wäre es, das Thema gar nicht aufkommen zu lassen. Denn für sie gibt es nichts zu gewinnen.” Sie sollten versuchen mit anderen Themen wie Umwelt- und Klimaschutz zu punkten.

Dazu rät auch der Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit der APA. “Die Grünen müsse auf andere Spielfelder etwas bringen, auf diesem Spielfeld gibt es nichts zu gewinnen.” Die Dramatisierung des jüngsten Konflikts, wie sie passiert ist, sollte man nicht allzu oft machen. “Die ÖVP wird man nicht so in die Knie zwingen. Das ist eine No-Go-Area für die ÖVP”, so Hofer.

Chemie stimmt nicht mehr

“Die Chemie zwischen ÖVP und Grünen stimmt nicht mehr ganz, aber beide wissen, dass sie aneinandergebunden sind. Kurz will nicht als schwarzer Witwer, der schon drei Koalitionspartner umgebracht hat, in die Geschichte eingehen und die Grünen wollen sich nicht ins Jahr 2017 zurück katapultieren, als sie aus dem Parlament geflogen sind.”

Auch die Politologin Katharina Stainer-Hämmerle erinnert im Gespräch mit der APA daran, dass die Grünen just bei der “Asyl-Wahl” 2017 mit ihrer sehr linken Haltung zu diesem Thema aus dem Parlament geflogen sind. Der aktuelle Konflikt sei mit den Abstimmungen im Nationalrat, bei denen die Grünen nicht gegen die ÖVP gestimmt haben, beigesetzt. “Das Thema bleibt aber ein schmerzvoller Punkt für die Grünen. Sie bekommen ihre mangelnde Durchsetzungskraft gegenüber der ÖVP vor Augen geführt.”

ÖVP und Grüne seien aber zum Weitermachen verdammt, meint auch Stainer-Hämmerle. “Denn in der momentanen Situation hätte niemand Verständnis für Neuwahlen und dass man deswegen alles hinschmeißt.” Stainer-Hämmerle rät den Grünen ebenfalls, sich auf Erfolge in anderen Bereichen wie Klimaschutz zu konzentrieren. Denn mit dem Asyl-Thema hätten sie nichts zu gewinnen. “Wenn es zu Neuwahlen käme, was enormen Unmut auslösen würde, könnten sich die Grünen nicht verbessern. Die ÖVP hat Alternativen, die Grünen nicht.”

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

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Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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5 Kommentare

  1. Ich denke, keine aktuell im NR vertretene Partei hat noch Zugang zur Zielgruppe, die “linke” Politik wirklich braucht, mehr als alles andere. Es sind völlig andere Charaktere am Werk, sie kennen nicht einmal die Triggerpunkte, erkennen die Weichenstellung für Verzweiflung und Ohnmacht nicht. Diese Charaktere absorbieren “linke” Politik und verdrehen sie in Blödsinn um.

    • Am ehesten Zugang zu diesen Gruppen haben noch die alten SPÖ Granden. Bei den Grünen fällt mir überhaupt niemand ein. Die wurden irgendwann zu Partei der Elitären. Und dafür werden sie in weiten Teilen der Bevölkerung regelrecht gehasst.

  2. Wie lange werden sich die Grünen vom PR-Kanzler und seinen Komplizen noch erpressen lassen? Wenn man ein Rückgrad wie ein Gartenschlauch hat wie der Reserve-Justizminister Kogler, braucht sich nicht über Spott wundern. Er hätte auch schon längst das Gespan Pilnacek – Fuchs suspendieren müssen, nachdem was alles bekannt geworden ist. Auch dazu fehlte der Mut.

  3. Ja, die Grünen sollten andere Themen aufgreifen wie z.B. Soziales, Pensionen, Bildung weil sie in der Migrationsfrage nur verlieren können, das stimmt schon was der Politologe sagt. Und genau die Themen wo sie hätten punkten können haben sie der ÖVP überlassen und dazu nur Ja und Amen gesagt. Politisch alles falsch gemacht was man nur falsch machen kann, deshalb finde ich Maurer und Kogler so unfähig das es ein Graus ist. Linke Politik beschränkt sich eben nicht nur auf die Asylfrage.

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