Das ist ein Unterüberschrift
Am 11. Februar durchsuchten Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die Wohnung von Finanzminister Gernot Blümel. Seitdem ist ein Kampf um die Deutungshoheit über die Ermittlungen entbrannt. Hier sind die wichtigsten Fakten:
Wien, 17. Februar 2021 |
Frage: Um welche Sache geht es eigentlich?
Antwort: Die Ermittlungen gegen Blümel gehören zur „Causa Casinos“. Das sind unterschiedliche Ermittlungen rund um mutmaßliche Korruption und Postenschacher im Zusammenhang mit dem Glücksspielkonzern Novomatic und den Casinos Austria (CASAG). Die Causa ist auch wichtigstes Thema im Ibiza-Untersuchungsausschuss. Zu den Beschuldigten in den verschiedenen Ermittlungen gehören neben Blümel: HC Strache, CASAG-Chefin und Ex-ÖVP-Vizechefin Bettina Glatz-Kremsner, Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger und Raiffeisen-General Walter Rothensteiner.
Frage: Was wirft die Staatsanwaltschaft Gernot Blümel vor?
Antwort: Blümel soll geholfen haben, Spenden der Novomatic an das Umfeld von Sebastian Kurz im Tausch gegen politische Unterstützung einzufädeln. Unter anderem geht es um den Verdacht, Kurz habe als Außenminister in Italien interveniert, um eine Steuerschuld der Novomatic in Höhe von 40 Millionen Euro beim italienischen Fiskus verschwinden zu lassen. Novomatic-Chef Harald Neumann schrieb Blümel eine Nachricht, in der er um einen Termin bei Kurz bat. Es ging um „eine Spende“ und ein „Problem, das wir in Italien haben“. Acht Tage später traf Kurz seinen italienischen Amtskollegen. Italien reduzierte später die Steuerschuld um die Hälfte. Die WKStA ermittelt gegen Blümel nun wegen Untreue, Bestechlichkeit und Missbrauch der Amtsgewalt.
Frage: Wären Spenden an die ÖVP nicht leicht nachvollziehbar? Sie müssen doch dem Rechnungshof gemeldet werden?
Antwort: Im Prinzip ja. Sebastian Kurz und Gernot Blümel betonten in den letzten Tagen auch immer wieder, dass es keine Spende der Novomatic an die Bundes-ÖVP oder die Landespartei Wien gegeben habe. Von so einer plumpen Spende gingen die Ermittler allerdings auch niemals aus. Eine Möglichkeit, „am Rechnungshof vorbei“ zu spenden (HC Strache auf Ibiza), wären ÖVP-nahe Vereine. In mehreren davon war Blümel Vorstand. Blümel gab eine eidesstattliche Erklärung ab, dass auch über diese Vereine nichts gespendet wurde.
Die Ermittler interessieren sich aber vor allem für einen ganz anderen Bereich. Sie vermuten, dass über Umwege (Schein-)Aufträge an ÖVP-nahe PR-Agenturen und Unternehmen vergeben wurden – sogenannte Kickback-Deals. Solche verdeckten Zahlungen sind sehr schwer nachzuvollziehen, vor allem, wenn zusätzlich Stiftungen involviert sind.
Frage: Woher hat die WKStA ihre Informationen?
Antwort: Bei zwei Hausdurchsuchungen stieß die WKStA im Zuge der Ermittlungen auf wahre Goldadern. Die erste war das Handy von HC Strache. Darauf fanden sich tausende Whatsapp-Nachrichten über türkisblauen Postenschacher.
Die zweite war das Handy von ÖBAG-Chef Thomas Schmid. Schmid hatte offenbar Wind von der bevorstehenden Hausdurchsuchung bekommen, denn er setze sein Handy in letzter Minute auf Werkseinstellungen zurück – löschte also alle Daten. Was Schmid nicht ahnte: Mithilfe eines israelischen Entschlüsselungsprogramms konnten die Ermittler die Daten wiederherstellen. Sie fanden sage und schreibe 300.000 Textnachrichten, die ihnen einen tiefen Einblick in die Chats des innersten Kreises um Sebastian Kurz ermöglichen.
Im Rahmen der Hausdurchsuchung bei Blümel wurde auch dessen Handy sichergestellt. Auch einen Laptop fanden die Ermittler übrigens.
Frage: Wie lief die Hausdurchsuchung ab?
Antwort: Von der unrühmlichen und rechtswidrigen Razzia im BVT mithilfe einer FPÖ-nahen Polizeieinheit einmal abgesehen, ist die WKStA dafür bekannt, Hausdurchsuchungen möglichst im Einvernehmen mit den Betroffenen durchzuführen. Das war bei Strache, der den Beamten selbst sein Handy entsperrte so, und auch im Fall Blümel. Die Ermittler besprachen die Hausdurchsuchung mit Blümel bei einem Termin vorab und gaben ihm Zeit, seine Familie zu informieren. Dann gingen sie gemeinsam zu Fuß von den Räumlichkeiten der WKStA zur nahegelegenen Wohnung Blümels im dritten Wiener Gemeindebezirk. Zeitgleich wurden Blümels niederösterreichischer Zweitwohnsitz und Räumlichkeiten der Novomatic durchsucht.
Die richterliche Genehmigung für die Durchsuchung hatten die Ermittler bereits im Dezember erhalten. Stattfinden sollte sie aber erste Ende Februar. Bis dahin wollte die WKStA weiter verdeckt ermitteln. Durch eine bürokratische Verwicklung wurden jedoch einige Investigativjournalisten darauf aufmerksam, dass Blümel als Beschuldigter geführt wurde. Die Ermittler mussten die Durchsuchung vorziehen.
In Fällen von öffentlichem Interesse ist die WKStA durch einen Erlass verpflichtet, der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) von wichtigen Ermittlungsschritten wie einer Durchsuchung drei Tage vorab zu berichten. Ex-Korruptionsermittlerin Christina Jilek äußerte die Vermutung, dass ÖVP-nahe Beamte in der OStA in der Vergangenheit Durchsuchungen verrieten. Im Fall Blümel konnten sich die Ermittler keine drei Tage mehr Zeit lassen. Sie klärten ihr Vorgehen dennoch mit der OStA ab und erhielten die Genehmigung für die Duchsuchung. Auch das Justizministerium sagte im Nachhinein: Alles in Ordnung.
Frage: Warum wusste Blümel nichts von seinem Beschuldigtenstatus?
Antwort: Das ist völlig normal. Beschuldigte müssen „so bald wie möglich“ informiert werden, wie es im Gesetz heißt. Das bedeutet normalerweise: Wenn alle geheimen Ermittlungsschritte abgeschlossen sind. Würde man Beschuldigte zu früh auf laufende Ermittlungen gegen sie hinweisen, könnten sie versuchen, Spuren zu verwischen. Typischerweise erfahren daher Beschuldigte erst bei ihrer ersten Einvernahme von den Ermittlungen gegen sie. Genauso war es auch bei Blümel.
Frage: Beruhte die Hausdurchsuchung bei Blümel auf einer Namensverwechslung?
Antwort: Nein. Kanzler Kurz und andere ÖVP-Politiker behaupteten das, auch zahlreiche regierungsfreundliche Medien veröffentlichten diese Falschnachricht. In der Anordnung der Hausdurchsuchung bei Blümel findet sich ein Hinweis auf einen Termin mit „Kurz“ im Kalender von Novomatic-Besitzer Johann Graf.
Die ÖVP behauptete, der WKStA sei ein Fehler unterlaufen. Denn auch die Schwiegertochter Grafs, zum damaligen Zeitpunkt im Novomatic-Aufsichtsrat, heißt mit Nachnamen Kurz. Eine Verwechslung liegt aber definitiv nicht vor. In einem über 500 Seiten starken Aktenvermerk zu den Ermittlungen weist die Staatsanwaltschaft selbst darauf hin, warum sich ihrer Ansicht nach der Kalendereintrag auf Sebastian und nicht Martina Kurz bezieht. Wer tatsächlich gemeint war, ist bisher nicht geklärt, doch eine irrtümliche Verwechslung durch die Ermittler ist ausgeschlossen.
Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
(tw)
Titelbild: APA Picturedesk