Wien, 23. Februar 2021 | „Organisatoren? Sowas gibt’s hier nicht. Das ist eine spontane Demo.“ Mein Blick wandert zu den meterhohen Gerüsten, an denen sich einige Demonstranten festgekettet haben. „Allzeit bereit“, sagt die junge Frau und zuckt mit den Achseln. An den zusammengekniffenen Augen erkennt man, dass sie unter ihrer Maske lächelt.
Knapp hundert Demonstranten und ebenso viele Polizisten blockieren vor dem Schubhaft-Gefängnis an der Rossauer Lände die Straße. 45 Menschen sollen in der Nacht nach Afghanistan abgeschoben werden. „Das kann doch nicht sein!“, sagt eine Demonstrantin. „Dort explodieren jeden Tag Bomben und wir schieben Menschen dorthin ab.“
„Wir sind schnell hergekommen“
Eine Demonstration gegen die im Vorfeld stark kritisierte Abschiebung war für 15:00 angemeldet. Doch dann hätte man zu Mittag gesehen, dass ein Konvoi das Gefängnis verließ, erklärt eine Demonstrantin. „Wir sind alle schnell hergekommen. Wir wissen nicht, ob noch jemand da ist, oder schon alle weggebracht wurden.“
Die Polizisten bilden zwei lange Reihen; blaue Uniformen, weiße Coronamasken. An den Ecken und in den Seitengassen stehen junge Männer in Zivil, deren Gehabe nicht so recht zu den Demonstranten passen will. Einer geht auf die Reihe der Uniformierten zu, zeigt aus der Jackentasche halb seine Dienstmarke vor und verschwindet hinter der Absperrung.
Eine Frau mit einem Sack voll Wäsche steht vor der Reihe. Sie hat heute Besuchstermin bei ihrem Mann im Gefängnis. „Es tut mir leid, Sie können nicht durch.“, erklärt ein Beamter in Zivil. „Aber ich habe angerufen. Heute ist Termin.“, beharrt die Frau in gebrochenem Deutsch. „Tut mir leid, heute geht es nicht. Vielleicht können Sie ja mit Ihrem Mann telefonieren?“ Der Polizist bietet an, den Wäschesack nach drinnen bringen zu lassen.
„Geht doch weg!“, sagt die Frau leise, während sie wartet. „Wir können nichts dafür“, gibt ein Polizist aus der Reihe zurück. „Ich meine nicht Sie, ich meine die“. Die Frau deutet auf die Demonstranten. Sie flucht und bekreuzigt sich. „Ihr seid nicht alleine“, rufen die Demonstranten ausgerechnet in diesem Moment zu den Gefängnisfenstern hinauf.