Sonntag, November 3, 2024

Die Akte Holzer – Warum die Staatsanwaltschaft nicht gegen den Chef des Bundeskriminalamts ermitteln will

Warum die Staatsanwaltschaft nicht gegen den Chef des Bundeskriminalamts ermitteln will

Andreas Holzer war Chef der SOKO Ibiza. Im Dezember wurde er zum Leiter des Bundeskriminalamts befördert. Gegen Holzer wurden Vorwürfe laut, er habe in seinen Ermittlungen die ÖVP gedeckt. Doch die Staatsanwaltschaft sieht keinen Anfangsverdacht.

Wien, 24. Februar 2021 | Mit großer Energie verfolgt die SOKO Ibiza seit ihrer Gründung – 10 Tage nach Auftauchen des Ibiza-Videos – die Filmer. Andere europäische Polizeibehörden reagieren erstaunt darauf, dass Österreichs Polizei sie bittet, wegen der Sache Telefone zu überwachen. Eine deutsche Staatsanwaltschaft muss zur Zusammenarbeit überredet werden, denn den Ibiza-Filmern wird Missbrauch von Tonaufnahmen und Urkundenfälschung vorgeworfen – wegen solcher Bagatelldelikte würden die Deutschen von sich aus nicht solch weitgehende Überwachungsmaßnahmen anordnen.

Während die SOKO die Ibiza-Filmcrew um Detektiv Julian H. mit Feuereifer verfolgt, gibt sie sich zurückhaltend, wenn es darum geht, Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP aufzuklären. Der Beamte, den man zur ÖVP-Parteizentrale schickte – er ist ÖVP-Lokalpolitiker – bricht seine Mission, Laptop und Handy von „Schreddermann“ Arno M. sicherzustellen, ab. Begründung: Kanzlerberater Stefan Steiner habe ihn bereits vom Fenster aus gesehen (man kennt sich), “weshalb man davon ausgehen könne, dass belastende Daten sicherlich schon beseitigt worden seien und ein weiteres Einschreiten der Polizei wenig Erfolg versprochen hätte.”

Das Handy, das die SOKO nicht haben will

Die ermittelnde Staatsanwältin schickt die SOKO-Beamten zu M. nach Hause, um dessen Handy zu besorgen. Im Akt hält sie rückblickend fest: „Ich frage, ob Arno M. auch einer Einsicht in sein Handy zugestimmt habe. Herr R. teilt daraufhin mit, dass sie das Handy bereits zur Verfügung hatten, dass sie es dem Beschuldigten aber wieder zurückgegeben hätten.“

Doch die Staatsanwältin will das Handy. „Ich ersuche den Beamten, das noch einmal zu überprüfen.“ Die Beamten tun das aber nicht. Einige Tage später ordnet die Staatsanwaltschaft die Sicherstellung des Handys schriftlich an. Kaum ist die Anordnung im Akt, entzieht die Oberstaatsanwaltschaft den Ermittlern der WKStA den Fall – ZackZack berichtet.

FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker liest die Berichterstattung und zeigt Andreas Holzer als Chef der SOKO wegen Amtsmissbrauchs bei der WKStA an. Die fühlt sich nicht zuständig, weil es weder um Korruption noch eine Wirtschaftsstrafsache geht und gibt den Fall ab. Er wandert zur Staatsanwaltschaft St. Pölten, weil dort bereits eine andere Anzeige gegen Holzer bearbeitet wurde. Die ist aber bereits erledigt, sodass die St. Pöltner den Fall ihren Kollegen von der Staatsanwaltschaft Wien geben. „Andreas Holzer ist Kriminalbeamter in Wien, also war Wien unserer Ansicht nach zuständig“, erklärt ein St. Pöltner Staatsanwalt auf ZackZack-Nachfrage.

Die brandheiße Kartoffel

Doch auch die Wiener wollen den Fall nicht haben. Holzer hat lange Zeit in Wien Suchtgiftermittlungen geführt, kennt alle Wiener Staatsanwälte. Die Wiener Behörde erklärt sich für „strukturell befangen“. Die Oberstaatsanwaltschaft schickt den Fall zurück nach St. Pölten. Auch dort sehen sich Staatsanwälte befangen. Der Leiter der Staatsanwaltschaft St. Pölten erklärt etwa in einer handschriftlichen Notiz im Akt: Ich bin mit Mag. Holzer aus Anlass früherer Amtshandlungen bei der StA Wien persönlich bekannt und per „Du“, sodass ich mich ebenfalls für befangen erkläre.“ Es ist schwierig, einen Staatsanwalt zu finden, mit dem Holzer nicht verkehrt.

Die St. Pöltner Staatsanwaltschaft will keine Ermittlungen gegen Holzer aufnehmen. In der Begründung geht sie ausführlich auf die ZackZack-Berichterstattung ein. Im Ersuchen der Staatsanwältin an die SOKO-Beamten, die Sicherstellung von M.s Handy „noch einmal zu überprüfen“, erkennt sie keinen Auftrag an die Polizisten. Die betroffene Staatsanwältin wird dazu nicht befragt.

Da der Fall Holzer berichtspflichtig ist, wird die Oberstaatsanwaltschaft über alle Ermittlungsschritte informiert, das geplante Ende des Falls müssen sie und der Weisungsrat im Justizministerium genehmigen. Genau das passiert am 16. Dezember. Am 28. Jänner 2020 kommt das vorläufige Ende für die Causa Holzer. Der St. Pöltner Staatsanwalt ordnet an: „Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mangels strafrechtlich relevanten Anfangsverdachts.“

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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