Kommentar
Bundeskanzler Sebastian Kurz behauptete 2020, die WKStA würde Akten leaken. Ermittlungen begannen, Kurz sagte als Zeuge aus. Nun leakt Kurz selbst Akten – etwas, das er Journalisten aber verbieten will.
Thomas Walach
Wien, 03. März 2021 | Im Februar 2020 behauptet Bundeskanzler Kurz bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten etwas Aufsehenerregendes: Die WKStA, so sagt Kurz, leake Akten. In der Justiz gebe es „rote Netzwerke“. Der Kanzler sagt, Journalisten hätten ihm von solchen Leaks erzählt.
Auf diesen Vorwurf hin leitet die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen ein. Denn wenn Staatsanwälte geheime Informationen weitergegeben hätten, wäre das eine Straftat, nämlich Verletzung des Amtsgeheimnisses. Darauf stehen bis zu drei Jahre Haft.
Die Staatsanwaltschaft lädt Kurz nach seinem Hintergrundgespräch zur Zeugenvernehmung. Kurz will – so stellt sich heraus – seine Information von Richard Schmitt, Ex-Krone, Ex- OE24- online-Chef erhalten haben. Konkretere Informationen habe er aber nicht.
Zusammengefasst: Kurz wirft der Justiz 2020 ohne Grundlage vor, Akten zu leaken. Daraufhin ermittelt die Staatsanwaltschaft. Ein Jahr später wurden die Ermittlungen eingestellt. Es gab keine Leaks.
Kurz leakt in Hintergrundgespräch
Am Dienstag leakte Kurz selbst Teile eines Ermittlungsakts an Journalisten – passenderweise in einem Hintergrundgespräch. Konkret geht es um das Protokoll meiner Zeugeneinvernahme. Mir selbst liegt es nicht vor, Kurz offenbar schon. 2020 wurde ohne konkrete Anhaltspunkte ermittelt. Nun haben wir ganz konkrete Anhaltspunkte: Wir wissen, wann geleakt wurde. Wir wissen von wem geleakt wurde, nämlich von Kurz.
Woher hat Kurz diesen Akt? Von den „roten Netzwerken“ in der Justiz? Oder doch von Finanzminister Blümel, der als Beschuldigter Einsicht in den Ermittlungsakt hat? Wo bleiben nun die Ermittlungen zum Leak?
Eine besondere Volte ist, dass Kurz Journalisten verbieten will, aus Ermittlungsakten zu zitieren. Er selbst will sich dieses Recht offenbar vorbehalten und zitiert hinter verschlossenen Türen nach Herzenslust, um einen Journalisten anzugreifen. Das sagt viel über Kurz‘ Verständnis von Herrschaft aus. Quod licet Sebi…
Titelbild: APA Picturedesk