Donnerstag, Oktober 3, 2024

Salzburger ÖVP schießt gegen Kurz – Impfchaos

Impfchaos

Salzburgs Landesrat wehrt sich gegen seinen Parteifreund im Bundeskanzleramt, der einmal mehr die Länder kritisiert. Zugesagte Dosen kämen laut Stöckl aber weiterhin schlicht nicht an. Derweil inszeniert sich der Kanzler in Israel und bei einem potenziellen Impfstoff. Schon Anfang Februar machte er hinter den Kulissen eine vorschnelle Ansage über Johnson & Johnson.

Wien, 03. März 2021 | Das Land Salzburg hat an mehreren Fronten zu kämpfen. In Bad Hofgastein scheint das Infektionsgeschehen außer Kontrolle geraten zu sein, denn die 7-Tages-Inzidenz liegt dort bei 1.168 – schon bei 400 treten automatische Verschärfungen ein. Die gibt es ab Freitag auch, doch das ist nicht das einzige Problem: „Mehr Tempo“ fordert Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) von den Ländern beim Impfen – einmal mehr. Das wundert nicht, denn der Kanzler hat die Impfverantwortung nach ersten Lieferschwierigkeiten längst an die Länder abgeschoben.

Kurz-Kritik „geht ins Leere“

Wieder Mal im Fokus der Kanzler-Kritik: das ÖVP-regierte Salzburg. Ein Viertel der Impfdosen liege in Salzburgs Lagern herum, soll Kurz laut „Ö1 Morgenjournal“ mosern. Das lässt Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP) nicht auf sich sitzen. Im Ö1-Gespräch betont er, es würden alle Salzburger Impfdosen verimpft, „von einem inszenierten Wettlauf zwischen den Bundesländern halte ich gar nichts, weil die einzelnen Zahlen sehr schwer bis gar nicht vergleichbar sind.“ Das liege vor allem an verschiedenen Stichtagen. In Richtung Kurz-Regierung richtet Stöckl scharfe Kritik:

„Die Lieferungszusagen seitens des Bundes sind nach wie vor sehr vage. Auf zwei, drei Wochen hinaus ist es nicht möglich, entsprechend gut zu organisieren, weil es plötzlich oft dann heißt, es werden doch weniger Dosen geliefert.“

Man müsse auch aufpassen, ob genug Impfstoff für die Zweitstiche zur Verfügung stehe – und deshalb einen Puffer einplanen. „Wir haben schon die Erfahrung gemacht, dass Lieferungen spät oder gar nicht in der versprochenen Anzahl gekommen sind.“ Die Kritik des Bundeskanzlers gehe ins Leere, so Stöckl. Man wolle nicht wie zuvor hunderte Termine absagen müssen, weil der Impfstoff für den Zweitstich einfach nicht ankommt.

Impf-Inszenierung mit Fragezeichen

In der Bundeshauptstadt dürfte die Salzburger Kritik wohl verpuffen. Der Kanzler sieht sich zu Höherem berufen und fliegt zu Freund Benjamin Netanjahu, Israels rechtskonservativen Ministerpräsidenten, um sich vor Ort vom Impfwunder Israel etwas Rückenwind zu verschaffen. Zudem kündigte Kurz an, aufgrund des lahmen Tempos der EU selbst zu produzieren – beides löst allerdings Kopfschütteln aus. Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) sieht darin ein Ablenkungsmanöver:

„Seine aktuelle Position, dass Österreich sich bei der Impfstoff-Produktion nicht mehr auf die EU verlassen will, soll wohl von eigenen Fehlern ablenken. Seit kurzem ist bekannt, dass Österreich schon vor der EU-Vereinbarung im Mai des Vorjahres eine eigenständige Impfstoff-Beschaffung angeboten wurde – und das laut verlässlichen Quellen nicht nur einmal.“

Vonseiten der Bundesländer seien die organisatorischen Vorkehrungen für ein höheres Impftempo getroffen. Jetzt liege es am Bund, die ausreichenden Mengen zu liefern. Die Israel-Reise sei indes „wohl nur eine PR-Aktion. Den Beweis, dass es ihm um einen eigenständigen Weg geht, hätte der Kanzler schon im Vorjahr antreten können.“

Rätsel um Johnson & Johnson

Kurz schießt sich auch auf die Europäische Arzneimittelbehörde EMA ein, weil diese zu lange für die Zulassung des Impfstoffes von Johnson & Johnson brauche. Das ist insofern interessant, als dass der Kanzler schon bei einer Corona-Krisensitzung mit den Ländern Anfang Februar vollmundig ankündigte, dass die Zulassung des Vakzins von Johnson & Johnson „wahrscheinlich im Februar“ zu erwarten sei. Ein Teilnehmer berichtet, wie er dabei sogar Impfstoff-Expertin Ursula Wiedermann-Schmidt (Meduni Wien) ins Wort gefallen sei. Diese habe betont, mit einer alsbaldigen Zulassung sei nicht zu rechnen. Zu wenig Daten seien vorhanden – doch der Kanzler meinte es offenbar schon damals besser zu wissen. Auf welche Informationen er sich entgegen seiner Expertin berief, habe Kurz nicht erwähnt, heißt es aus Teilnehmerkreisen. Die EMA wird voraussichtlich am 11. März entscheiden, wie es mit Johnson & Johnson weitergeht.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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