Alarmierende Studie:
Auch während der Pandemie und einer Zeit, die von hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist, sind viele Unternehmen verzweifelt auf der Suche nach Fachkräften. Trotzdem scheint man sich in der Politik nur wenig darum zu kümmern, dass die „Fachkräfte von morgen“ gut über die Krise kommen. Denn Lehrlinge leiden wie Schüler genauso unter dem Lockdown und den Maßnahmen, wie eine neue Studie zeigt.
Wien/Klagenfurt, 12. März 2021 | Technische Fachkräfte erhalten ihre Qualifikation und ihr Know-How oft im Rahmen einer umfassenden Lehrlingsausbildung. Vor allem sie sind am Arbeitsmarkt gefragt, halten viele Betriebe mit ihren Fähigkeiten am Laufen. Auch jetzt, in Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit, suchen viele Betriebe vergebens nach geeignetem Personal.
Freizeitverhalten der Lehrlinge „besorgniserregend“
Völlig unverständlich daher, dass während der Pandemie die schwere Situation der über 100.000 österreichischen Lehrlinge kaum Gehör findet. In der öffentlichen Bildungsdebatte werden die zukünftigen Fachkräfte meist mit Schülern über einen Kamm geschert und im Lockdown vergessen. Um auf die verheerende Lage der Lehrlinge aufmerksam zu machen, hat nun die AK Kärnten in Zusammenarbeit mit der FH Kärnten eine Studie durchgeführt. Mit alarmierendem Ergebnis: Von den 7000 Kärntner Lehrlingen hat man 217 mittels Online-Fragebogen nach ihrem Befinden befragt, für 77 Prozent davon hätte sich das Leben durch den Lockdown erheblich verändert.
Die Studie im Detail: 64,1 Prozent sahen vermehrt fern (Streaming), 65 Prozent verbrachten mehr Zeit mit Sozialen Medien und 52,5 Prozent kauften mehr online ein. Mit 36 Prozent wurde auch mehr Zeit mit Computerspielen verbracht. 32,7 Prozent griffen mehr zum Alkohol und der Konsum von Zigaretten stieg laut Befragten auf 28,6 Prozent. Hinzu kommt ein veränderter Tagesrhythmus – 58 Prozent gehen später schlafen und stehen auch später auf. Allgemein sind Kärntens Lehrlinge, laut der Studie, müder und antriebsloser, gereizter und aggressiver.
„Sieht man sich das Freizeitverhalten während des Lockdowns an, dann ist das besorgniserregend. Die Folgen der Pandemie für Lehrlinge könnten im psychosozialen Bereich nicht schlimmer sein“,
so Christoph Appé, Referatsleiter für Lehrlinge und Jugend in der AK.
Fernlehre bringt selbe Probleme wie Home Schooling
Ähnlich wie die Schüler im Home Schooling hatten 95 Prozent der Lehrlinge während des Lockdowns eine Fernlehre. Die Hälfte davon war mit dem „In den eigenen vier Wänden“-Schulbetrieb nicht zufrieden – „Nicht aus technischen Gründen, sondern weil keine Ruhe zum Lernen zu Hause herrschte und der Kontakt zu Lehrern und Mitschülern fehlte“, so Appé.
Ein Drittel der Befragten hatte Probleme bei der Vermittlung des Lehrstoffes, da dieser alleine erarbeitet werden musste und sich für viele als schwierig herausstellte. „Es ist eindeutig schwieriger als in der Schule, insbesondere in Mathematik, wie die Lehrlingsstudie zeigt“, so Appé weiter. Die Lernmotivation hat sich bei jedem zweiten Lehrling verschlechtert und der Arbeitsaufwand ist größer geworden. 77 Prozent der Lehrlinge beurteilten die schulische Organisation der Fernlehre jedoch als positiv, da der Stundenplan beibehalten und die Aufgaben zeitgerecht in das Kollaborationstool geladen wurden.
„Keiner fragt sich in dieser Zeit, wie es den Lehrlingen geht“
Aufgrund der alarmierenden Ergebnisse, fordert die AK Kärnten nun eine Sensibilisierung für die Situation der Auszubildenden. Außerdem sollte der Ausbau der schulpsychologischen Dienste und das Nachhilfeangebot verstärkt werden. Neben der Öffnung von Sportstätten für Jugendliche wird auch eine Lehrlingsmilliarde gefordert. Unternehmen sollen dabei ein Prozent der Bruttolöhne in einen Topf einzahlen, der dann Betriebe fördert, die Lehrlinge ausbilden.
Für den Kärntner AK-Präsidenten Günther Goach sind die Forderungen für das Verhindern eines zukünftig noch größeren Fachkräftemangels unumgänglich:
„Viele Unternehmen suchen händeringend einen Facharbeiter, doch niemand fragt sich, wie es um unsere Lehrlinge in dieser schwierigen Zeit bestellt ist. Es kann nicht sein, dass das Symptom Fachkräftemangel wiederholt angeprangert, aber an der Ursache nicht angesetzt wird. Eine attraktive Ausbildung der Lehrlinge könnte der Schlüssel zur Lösung des Problems sein.“
(mst/apa)Titelbild: APA Picturedesk