Dienstag, Dezember 10, 2024

Koalitionsclinch: ÖVP-Angriff auf Gesundheitsministerium – Verlangt sofortige Suspendierungen

Verlangt “sofortige Suspendierungen”

Ines Stilling, Generalsekretärin des Gesundheitsministeriums, widersprach Sebastian Kurz angesichts der EU-Kritik des Kanzlers. Das geht für die ÖVP natürlich gar nicht. In einer Aussendung fordert sie “sofortige Suspendierung”. Die ÖVP-Attacke auf das Ministerium geschieht in Anschobers Abwesenheit.

Wien, 13. März 2021 | Die Kurz-Attacke auf die Europäische Union beschäftigt nun die österreichische Koalition. Stilling hatte sich im Ö1-“Morgenjournal” deutlich positioniert. Die Verhandlungen über die Verteilung seien “ausgewogen und transparent” gelaufen. Alle Mitgliedsstaaten, also auch Österreich, hätten die Möglichkeit gehabt, freie Vakzinkontingente zu kaufen. Es gebe keine Basarmethoden, sagte sie in Richtung Kurz, der solche am Freitag angeprangert hatte. Die Impfstoffverteilung sei zudem laufend Thema im Ministerrat, so dass auch das Bundeskanzleramt laufend informiert sei. Seit Jänner gebe es in Österreich sogar einen eigenen Steuerungsausschuss zu Beschaffung und Lieferplänen unter Einbeziehung des Bundeskanzleramts, ergänzte Stilling. Doch nun fordert die ÖVP den Rücktritt der stellvertetenden Generalsekretärin. Sogar den Rücktritt eines ÖVPlers: Dem stellvertretenden Vorsitzenden der EU-Steuerungsgruppe Clemens Martin Auer. Das alles geschieht derzeit in Abwesenheit des Gesundheitsministers.

In Anschobers Abwesenheit greift ÖVP Ministerium an

“Unvermeidbar”, so ÖVP-Gesundheitssprecherin Gabriela Schwarz. Es stelle sich insbesondere die Frage, wie man Verträge abschließen konnte, die dazu geführt hätten, dass andere EU-Länder mehr Impfstoff bekommen und warum die Vereinbarung der EU-Staats- und Regierungschefs gebrochen wurde. “Es ist kaum vorstellbar, dass (Gesundheitsminister Rudolf, Anm.) Anschober darüber im Detail Bescheid wusste. Es gilt aufzuklären, ob er von den zuständigen Beamten des Gesundheitsministeriums getäuscht wurde.” Anschober ist derzeit krankheitsbedingt außer Gefecht. Er will Anfang kommender Woche seine Arbeit wieder voll aufnehmen.

Kurz spielt “Beleidigten”

Nach Stillings Interview hatte man sich im Gesundheitsministerium noch um eine Glättung der Wogen bemüht. Es sei “unser gemeinsames Ziel” sei, möglichst rasch und im europäischen Gleichklang zu impfen. Die Impfkampagne sei von Anfang ein gemeinsames Projekt der Bundesregierung gewesen. “Ziel muss in dieser entscheidenden Phase eine gerechte gleichberechtigte Aufteilung der Impfstoffe innerhalb der EU für die Sicherstellung einer gleichzeitigen Impftätigkeit sein”, wurde betont.

Die Opposition kommentierte die ÖVP-Aktivitäten erneut kritisch. Kurz habe die Schuld der EU entdeckt, meinte FPÖ-Klubchef Herbert Kickl: “Diese Botschaft ist dem Kanzler so wichtig, dass er dafür sogar bereit ist, seinen eigenen ÖVP-Parteikollegen, den Sonderbeauftragten für Gesundheit Clemens Martin Auer, schwer zu beschädigen. Dabei war es Kurz, der dem grünen Gesundheitsminister den ÖVP-Mann als Corona-Koordinator aufgezwungen hat, um auch in Anschobers Ressort hineinregieren zu können.”

Fassungslos vom Agieren des Kanzlers zeigte sich auch SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. “Ein halbes Jahr nachdem andere Staaten offensichtlich erfolgreicher bei der Impfstoff-Beschaffung waren, spielt Sebastian Kurz jetzt den Beleidigten, als könnte er nichts dafür”, meinte er in einer Aussendung. Kurz suche täglich neue Sündenböcke. Dabei habe sich in den vergangenen Monaten gezeigt: “Immer wenn Sebastian Kurz mit dem Finger auf andere zeigt, hat er in aller Regel selbst was verbockt”, so Kucher.

“Österreich hat kein Lieferproblem, sondern ein Impfproblem, und das muss die Regierung selbst lösen”, meinte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker: “Da helfen auch keine Nebelgranaten-Aufdecker-Pressekonferenzen.” Den Vorwürfen auf EU-Ebene müsse Kurz selbstverständlich auf europäischer Ebene nachgehen und dort Gespräche führen.

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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