Kanzler Kurz schrieb der EU einen Brief. Thema: Die Verteilung von Impfstoff in der Union. Kurz will nicht gewusst haben, wie das funktioniert. Laut „FAZ“ wird in Brüssel über den Brief gespottet.
Wien, 17. März 2021 | Die konservative deutsche Tageszeitung „FAZ“ berichtete am Montag über den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz. Grund: Der Kanzler-Brief an die europäische Union gemeinsam mit fünf anderen Regierungschefs (Bulgarien, Tschechien, Kroatien, Slowenien und Estland) aufgrund einer vermeintlichen Ungleichbehandlung bei der Impfstoffverteilung. Der Bericht der „FAZ“ lässt kein gutes Haar an Kurz, denn sein Brief an die EU dürfte in Brüssel gar nicht gut ankommen.
„In Brüssel wird über Kurz’ Brief gespottet“
Der Wirtschaftskorrespondent der Tageszeitung in Brüssel, Werner Mussler, titelte „In Brüssel wird über Kurz’ Brief gespottet“. Der Brief des Kanzlers habe für „Kopfschütteln“ in Brüssel gesorgt. Der Kanzler schrieb, er hätte erst „in den vergangenen Tagen entdeckt“, wie die Impfstoffverteilung in der EU funktioniert. Das erstaunt, da der Verteilmechanismus schon lange bekannt ist. Deutsche Medien berichteten darüber, in Österreich war er Thema bei neun Ministerräten.
„Dann hat er seinen Laden nicht im Griff“
Die „FAZ“ zitiert zudem Beamte aus Brüssel, die ganz und gar nicht mit dem Österreichischen Bundeskanzler einer Meinung sind. Die Entlassung des für das EU-Gremium zuständigen Beamten Clemens Auer sei nur ein Bauernopfer gewesen, der Brief ein Ablenkungsmanöver. Dass Auer die Bundesregierung nicht über die Möglichkeit informiert hatte, zu einem bestimmten Zeitpunkt zusätzlichen Impfstoff einzukaufen, hält man in Brüssel für schwer vorstellbar. Ein Diplomat sagt gegenüber der FAZ: Falls Kurz tatsächlich nichts gewusst habe, „dann hat er seinen Laden nicht im Griff“. Ein weiterer Diplomat vermutet politische Gründe für die Aufregung des österreichsichen Kanzlers. „Die Impfstoffbestellungen sind doch eine hochpolitische Angelegenheit, spätestens seitdem die EU im Kreuzfeuer der Kritik wegen ihrer Impfstrategie steht“.
Kurz über Ministerrat informiert
Die Ministerratsprotokolle der österreichischen Regierung zeigen übrigens eindeutig, dass Anschober den Bundeskanzler auf dem Laufenden gehalten hatte. Am 19. Jänner informierte Gesundheitsminister Rudi Anschober alle Regierungsmitglieder von der Vorgehensweise bei der Beschaffung. Auch, dass unterschiedliche Länder abweichend vom Bevölkerungsschlüssel unterschiedlich viel Impfstoff abrufen, wusste Kurz spätestens seit diesem Datum. Im September hatte sich der österreichische Bundeskanzler mit seiner EU-Kritik noch anders angehört.
Müssen kleine Länder wie Österreich fürchten, dass es bei der EU-Impfstoff-Verteilung ungerecht zugeht?
Das haben wir Bundeskanzler Kurz im September 2020 in einem Interview gefragt.
Hier die Antwort 👇 pic.twitter.com/XQDkLg4Amu
— Stefan Leifert (@StefanLeifert) March 16, 2021
(bf)
Titelbild: APA Picturedesk