Freitag, Mai 16, 2025

Oligarchenflug des Kanzlers: Die Kurz-Zensur – Pilz am Sonntag

Pilz am Sonntag

Wie aus dem Schweigen der Lämmer das Schreiben der Lämmer wird. Peter Pilz über Kurz-Zensur rund um den Oligarchenflug des Kanzlers.

Peter Pilz

Wien, 21. März 2021 | Eine Richterin fährt zu Pistolen-Glock nach Kärnten, um dort bei ihm zu Hause die Hauptverhandlung abzuhalten. Die Verhandlung wurde vor Glocks Villa begonnen, dann schloss die Richterin die Öffentlichkeit aus und übersiedelte in die Villa. Wer schwerreich ist, hat in Österreich besondere Rechte. Renate Graber hat im “Standard” diese wichtige Geschichte über den Zustand der Justiz geschrieben. Der “Standard” ist vor mehr als dreißig Jahren gegründet worden, damit solche Geschichten geschrieben werden und erscheinen können.

Als einzige österreichische Zeitung neben der “Kleinen Zeitung” berichtete der “Standard” jetzt über eine Recherche von ZackZack. Kanzler Kurz war gerade in einem Privatjet von seiner Impfstoffreise nach Israel zurück nach Wien geflogen. Gemeinsam mit Hans Martin Tillack hatte Ben Weiser in ZackZack nachgewiesen, dass der Jet dem russischen Oligarchen Dmytro Firtasch zugerechnet wird. „Im parlamentarischen Bankenausschuss des Jahres 2007, der auch die Rolle von Raiffeisen in dieser Causa thematisierte, wurde ein Dokument des österreichischen Bundeskriminalamtes (BK) verlesen, in dem Firtasch als Mitglied der Mafia-Organisation von Mogilewitsch bezeichnet wurde.“ Das berichtet der ORF. Semjon Mogilewitsch ist einer der bedeutendsten Paten der russischen Mafia. Firtasch wird also von der Wiener Kriminalpolizei verdächtigt, ein Mafioso zu sein.

Unsere Recherche hatte von der “Kiev Post” bis zum “Spiegel” Aufsehen erregt. Nur in Österreich war das „keine Geschichte“. Aber warum?

Die Antwort findet sich wieder im “Standard”. Kurz, nachdem der Artikel erschienen war, bekam der “Standard” einen Anruf. Daraufhin wurde der Artikel verändert – um etliche Passagen, die erklärten, warum der Kanzlerflug das Normalste der Welt war. Andere, für Kurz unangenehme Passagen wurden aus dem Blatt genommen. Aber noch etwas wurde entfernt: der Link zu ZackZack. Das scheint einen einfachen Grund zu haben. Der Grund heißt Alexander Schütz.

Im März 2014 war Firtasch in Wien auf offener Straße verhaftet worden. Die USA verlangen seine Auslieferung. Firtasch wartet in Wien in einer Villa von Schütz darauf, ob jemand die Auslieferung verhindern kann. Schütz ist einer der Großspender von Sebastian Kurz. Firtasch-Sprecher Daniel Kapp wiederum ist in dubiose Aktionen der ÖVP involviert. Kurz-Erfinder Michael Spindelegger steht auf Firtaschs Payroll. Wenn gerade jetzt ein Firtasch/Schütz/Spindelegger/Kurz-Netzwerk auffliegt, schafft das für den Kanzler, der angeschlagen wirkt, noch mehr Probleme.

Der “Standard” ist nicht das einzige Medium, dessen Chefetage jeden Tag zwischen Journalismus und Regierungsinserat entscheiden muss. So ist das in einem Land, in dem es der Pressefreiheit gerade an die Gurgel geht und in dem aus dem Schweigen der Lämmer gerade das Schreiben der Lämmer wird.

Nach wie vor ist der “Standard” eine der Zeitungen, in denen Kurz vieles lesen muss, was ihm nicht passt. Es gibt Redaktionen wie die im “Standard”, in denen Kurz noch anrufen lassen muss. Und es gibt die, in denen das nicht mehr nötig ist. Nicht nur in “Kurier”, “Presse” und “ZiB1” wissen das alle.

Natürlich recherchieren wir weiter. Wir werden nicht die einzigen sein. “Spiegel”, “Süddeutsche Zeitung”, “New York Times”, “Kiev Post” und “Washington Post” werden es auch tun. Wir werden auf sie verlinken.

Titelbild: APA Picturedesk

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