Donnerstag, April 25, 2024

Unis als Schulen für Rich Kids – Kommentar

Kommentar

Türkis und Grün beschlossen am Mittwoch das neoliberalste Universitätsgesetz der Geschichte. Von der ÖVP war nichts anderes zu erwarten, für die Grünen ist es ein Sündenfall. Kommentar von

Thomas Walach

Wien, 25. März 2021 | “Die Leute sollen sich frei auf der Uni bewegen und in Sachen reinschnuppern können.” Das sagte Sigi Maurer, damals noch Studentin 2012 zum “Standard”. Die Bezeichnung “Bummelstudentin” verstehe sie als Auszeichnung, und: “Die Politik sollte froh sein über Leute, die nebenbei studieren.” Gerade zu Studienbeginn müsse man “den Leuten Zeit geben.”

Alles richtig. Doch am Mittwoch beschloss Maurer, nunmehr Klubchefin der Grünen im Nationalrat, gemeinsam mit den Abgeordneten von ÖVP und Grünen, das genaue Gegenteil von dem, was sie selbst als Studentin noch für sich in Anspruch genommen hatte.

Erfolgspflicht

Für Studenten wird es nun Pflicht, in den ersten zwei Studienjahren Lehrveranstlatungen im Umfang von 400 Arbeitsstunden positiv zu absolvieren. Wer das nicht schafft, fliegt von der Uni.

Sind 400 Stunden in zwei Jahren bewältigbar? Ja, selbst in schwierigen Fächern ist das machbar, in den meisten kein Problem – für Vollzeitstudenten. Die sind aber in der Minderheit. 80 Prozent der rund 200.000 Studenten in Österreich sind berufstätig. 60 Prozent sagen, dass ihnen das Geld nicht reicht.

Längst nicht alle studieren, weil sie ein Studium abschließen möchten. Viele wollen sich neben oder nach ihrem Berufsalltag bilden. Und warum auch nicht? Wir alle profitieren doch vom lebenslangen Lernen, heißt es. Und bezahlen müssen die Menschen das Studium ohnehin selbst – mit ihren Steuergeldern.

Das Studium soll effizienter werden, sagt die Regierung. Die neue Erfolgspflicht soll das Studium “verbindlicher” machen, sagt Wissenschaftsminister Heinz Faßmann. Solche Pläne gab es auch schon, als der noch Vizerektor der Universität Wien war. Da sollten Studierende eine “Selbstverpflichtung” unterschreiben, brav und zügig zu studieren. Das Projekt wurde zur Lachnummer. In vielen Lehrveranstaltungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase unterschrieben nur ein oder zwei von hunderten Studenten. Dafür sorgte das Ansinnen des Rektorats für einige Erheiterung.

Klassenkampf an den Unis

Nun kommt das böse Erwachen. Jetzt wird die Verpflichtung Gesetz. Von der ÖVP war nichts anders zu erwarten, der Schritt entspricht ihren hochschulpolitischen Vorstellungen. Um Sparen geht es bei der ganzen Sache nicht. Ein Student, der keine Lehrveranstaltungen belegt, kostet nämlich nichts. Die Universitäten bekommen ihr Budget nicht nach eingeschriebenen, sondern prüfungsaktiven Studenten. Wer keine Prüfungen ablegt, fällt nicht ins Gewicht.

Die ÖVP führt an den Hochschulen Klassenkampf. Wer es sich leisten kann, von den Eltern finanziert hauptberuflich zu studieren, den wird das neue Gesetz nicht stören. Wer sich neben dem Job mühevoll durchs Studium kämpfen muss, hat es nun noch schwerer. Die Universitäten sollen Schulen für Rich Kids werden.

Dass die Grünen – in ihren Reihen Sigi Maurer und Ex-Rektorin Eva Blimlinger – das mit ihren Stimmen ermöglichen, ist die völlige Aufgabe ihrer bildungspolitischen Linie der letzten vier Jahrzehnte. Nach der Abweisung von Flüchtlingen aus Moria ist es der zweite Sündenfall der Partei.

Titelbild: APA Picturedesk

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

26 Kommentare

  1. Faßmann kann weder Zahlen richtig zitieren noch hat er bis jetzt erkennen lassen, dass seine Tätigkeit als Vizerektor ihm eine ausreichende Qualifikation im Bildungsbereich verschafft hat. Das neue UG reiht sich ein in eine Bildungsfeindlichkeit die den konservativen Parteien oft eigentümlich ist. Alles was die progressive Sozialdemokratie in den 60igern und 70igern auf die Beine gestellt hat, soll pauschal demontiert werden. Man hat den Eindruck, dass die Schlappen von damals noch nicht verwunden sind. Die Hoffnung bleibt: kein Mitglied des jetzigen Regierungspersonals ist in irgendeiner Hinsicht eine große Leuchte. Wer wie Kurz allzu sehr auf Lakaien und Mittelmaß setzt, gerät darüber über kurz oder lang ins Straucheln.
    Angeblich hat Kreisky die ÖVP noch weniger als die Nazis von der FPÖ gemocht. Vielleicht begründet.

  2. Ist der Ruf erst ruiniert, sündigt sich‘s völlig ungeniert! 😆😉😂

  3. Der Mensch ist frei geboren (?). Wie wird er zum Untertan? Ganz einfach: er muss nur in Österreich sozialisiert werden.

  4. Willkommen in der Feudalgesellschaft.
    Es ist die beste Zeit für dieses Gesetz.
    Das Volk braucht keine Bildung, keine Impfung bzw. Gesundheitsversorgung, keine Arbeit etc. Alles viel zu teuer. So halten wir sie klein und sie werden uns die Füsse küssen.

  5. Schande über die grünen. Immer unwählbarer. Schade, dass es keine bessere grüne partei in ö gibt.

  6. Ein System schafft sich selber ab – dazu gehört auch das Bildungssystem.
    Unis verlieren sukzessive an Bedeutung. Die gesamte Art der Wissensvermittlung verändert sich gerade grundlegend. Das schmeckt zwar vielen nicht (gerade das Gefühl “elitär” zu sein wird dabei angegriffen), ist aber dennoch der Fall.
    Die wirklich herausragenden Leute (vor allem IT, aber auch andere Bereiche) machen ohnehin bereits einen Bogen um Unis bzw. um Hochschulen im allgemeinen, weil ihnen bewusst ist, dass sie darauf nicht mehr angewiesen sind.

      • Sofern (!) sie in der Privatwirtschaft tätig sein wollen, werden die ohnehin bereits mit Angeboten überhäuft. Aber genau das führt zum nächsten Punkt. Denn die wenigsten zahlungskräftigen Großunternehmen sind durch ihre schwerfälligen Strukturen im stande ein Umfeld zu bieten, wo sich Menschen auch wirklich wohlfühlen und etwas “schaffen” wollen.

  7. Es geht um Elite. Ein Studium an der Universität soll elitär sein. Das ist der Traum. Elitär meint in ihren Augen: nur wenige haben reale Chancen weiterzukommen. Eigentlich ist Elite erst dann möglich, wenn eine Auswahl aller vorgenommen wurde. Aber wirkliche Elite ist ihnen ein Dorn im Auge. Dann kann Bildung Klugheit kompensieren und niemand kommt drauf. Besser, es haben nur die Zugang, deren Eltern es sich leisten können. Sie werden durch die Universität eben besser gebildet. So erhält man erfolgreiche Familienclans über Generationen.

    Für die anderen, die es sich nicht leisten können, wurden Fachhochschulen eingerichtet. Dort lernt man zwar nicht die Grundlagen, aber dafür wie man brav abarbeitet. Schließlich will die Uni-Elite von morgen auch Untergebene haben, die verstehen, was von ihnen gewollt wird.

    • Mit einem wort, bastis performance war subelitär, und jetzt möchte er nicht, dass andere ihr studium abschließen. Bosnigl.

    • Sehe ich auch so. Habe, obwohl aus sozialdemokratischem Hause, an einer katholischen Privatschule maturiert. Bei der Maturafeier behauptete der Schuldirektor feierlich, hier sei nun die “Elite” von morgen ausgebildet worden.
      So denken diese XXonservativen.

  8. Seit 30 Jahren Sabotiert die ÖVP das Bildungssystem. Jett ist sie endlich am Ziel angekommen. Aber keine Angst, das geht schon noch schlimmer.

  9. es ist für mich, der ich 1995 von der SPÖ zu den Grünen “flüchtete”, weil die SPÖ der Halbierung des “Behindertentaschengeldes” von 1100 ATS auf 550 ATS zustimmte,
    nur mehr unerträglich wie “meine” Grünen alles, aber wirklich alles an hehren politischen Grundsätzen verraten und verkaufen :(((
    Zuerst hat die Alma im BMJ das Erbe der Gabi Moser erledigt und verbrannt, dann die ganze Intransparenz dieser Regierung ergo PP, van der Bellen, Stoisits ergo die alte Garde verraten und verkauft, dann den Blümel Antrag verhindert etc etc etc.
    Und die leibe Eva B. verbrennt und verrät gerade Ihre eigenen Standpunkte ergo Politik :(((
    Darum @Siggi, Eva, Werner, Alma und co.:
    https://www.youtube.com/watch?v=esVfFRGs5Gk

    • Die Grünen sind aus gutem Grund aus dem Parlament geflogen. Ich hoffe, sie fleiegen bei der nächsten Wahl – so es denn noch eine gibt – wieder raus. Und bleiben draussen.

  10. Ich bin noch nicht einmal überrascht, nicht überrascht zu sein.

    Grün ist das neue Blau und will endlich Türkis sein.

  11. Wozu brauchen die Türkisen Kinderlein eine UNI? Die FH in Wr. Neustadt sollte doch genügen. Bratislava geht auch noch

  12. Türkis und Grün beschlossen am Mittwoch das neoliberalste Universitätsgesetz der Geschichte. Von der ÖVP war nichts anderes zu erwarten, für die Grünen ist es ein Sündenfall.

    Dem sei nix mehr hinzuzufügen!

  13. Das nächste Eigentor der Grünen ist die völlig überzogene selbstgefällige Erhöhung der Regierungswerbekosten = Zeitungsanfütterungsaktion.

    In enigen Monaten fliegen sie wieder aus der Regierung und werden dann lautstark dagegen polemisieren.

    Aber wer nimmt sie dann überhaupt noch ernst?

    • Die KRONE-der ORF- Falter-STANDARD-KLEINE ZEITUNG -TIROLER IRGENDWAS usw.

      So lange der “Rubel” rollt…………leider ist das so!

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Benkos Luxusvilla in Italien

Denn: ZackZack bist auch DU!