Donnerstag, Januar 16, 2025

Abschlussklassen: Chaos um Verordnungen

Das ist ein Unterüberschrift

Weil die Verordnung zu spät kam und einiges dafür sprach, verlängerten Wiener Schulen das Distance Learning. Direktoren und Schüler kritisieren späte Information.

Florian Bayer

Wien, 15.4.2021 | Die Verwirrung war groß: Eigentlich herrscht Lockdown in Ostösterreich, auch an den Schulen. Freitagnachmittag (9.4.) bestimmte aber das Bildungsministerium, dass Abschlussklassen ab Mittwoch (14.4.) wieder im Präsenz-Schichtbetrieb unterrichtet werden sollten.

Zuvor waren mehrere Schulen, jedenfalls das BG9 Wasagasse und die AHS Rahlgasse in Wien, davon ausgegangen, auch Abschlussklassen weiter per Distance Learning unterrichten zu können. Das taten sie auch. Aus organisatorischen, aber auch gesundheitlichen Überlegungen wollten sie beim Distance Learning bleiben, das sich dort bewährt habe.

„Einzelne AHS-Schulleitungen erkennen Ernst der Lage – anders als Minister – und lassen auch 4. Klassen daheim. Begründung: Infektionsgefahr zu groß, Onlineunterricht gut eingeführt und damit für alle möglich, am vollen Stundenplan teilzunehmen“, schrieb eine Mutter, deren Kind betroffen war, auf Twitter. Die Antwort des Wiener Bildungsdirektors folgte kurz darauf.

Wiens Bildungsdirektor Heinrich Himmer auf Twitter. Bild: Twitter/heinrich1110

„Die Bildungsdirektion Wien hat jene rechtlichen Vorschriften zu vollziehen, die uns seitens des Ministeriums vorgegeben sind“, heißt es vom städtischen Bildungsdirektor Heinrich Himmer auf ZackZack-Anfrage. Unter die aktuelle Verordnung falle, dass u.a. Schüler der 4. Klassen und Maturaklassen in Präsenz unterrichtet werden müssen.

„Verordnung kam zu spät“

Zwei derartige „Hinweise“ bzw. Weisungen mussten laut Bildungsdirektor ausgesprochen werden. „Da die Verordnung so spät kam, mussten wir bereits zuvor eine Entscheidung treffen. Drei Viertel der Schüler und die meisten Lehrer haben sich für eine Beibehaltung des Distance Learning ausgesprochen“, erklärt Johannes Bauer, Direktor des BG9 Wasagasse, die ursprüngliche Entscheidung.

Dabei sei es nicht um eine Protesthaltung gegangen, sondern um die sachlich beste Lösung. „Die Verordnung kam zu spät, funktioniert nicht für alle Schulen in ganz Österreich gleich gut. Besser wäre, wenn Schulen selbst entscheiden können, ob sie Abschulklassen in die Schulen holen oder nicht“, sagt Schuldirektor Bauer, der auch daran erinnert, dass der Bildungsminister sich immer wieder für Schulautonomie ausgesprochen hat.

Bauer führt etwa ins Treffen, dass Schüler „verständlicherweise“ keinen Krankenstand zum Maturatermin riskieren möchten. Hauptargument seien aber organisatorische Überlegungen gewesen, denn ein Parallelbetrieb von Distanz- und Präsenzunterricht sei nur „schwer“ möglich. Nach der Weisung wurde die Entscheidung fürs Distance Learning am Montag wieder aufgehoben, die Eltern per neuerlichem Brief informiert.

Elternbrief BRG Wasagasse (13.4.2021)

Bis Donnerstag Mittag waren die Schulen neuerlich im Ungewissen, wie es ab nächster Woche weitergeht. Nun ist es klar: Mit der neuen Verordnung wird die derzeitige Regelung in Wien und Niederösterreich bis Ende nächster Woche (24.4.) verlängert. Im Burgenland kehren ab Montag alle Schüler in den Präsenz-Schichtbetrieb zurück.

„Ständiges Hin und Her“

Wir haben uns unter Schülern umgehört. „Ich bin nicht sicher, ob der Präsenzunterricht nicht zu früh kommt und zu riskant ist“, sagt Leon, Maturant an der AHS Rahlgasse. Es sei schwer, sich eine eindeutige Meinung zu bilden. Er sei jedenfalls „überfordert“ mit Distance Learning.

Im Klassenzimmer falle ihm die Konzentration viel leichter. Auch vielen seiner Freunden ergehe es so. Das Chaos rund um den Schulbetrieb kritisiert er: „Man kann sich auf nichts einstellen, es ist ein ständiges Hin und Her.“ Immerhin seien schon alle Schularbeiten geschrieben, jetzt geht es nur noch um die Maturavorbereitung.

Ähnlich sieht es auch Minna, ebenfalls Maturantin an der AHS Rahlgasse. „Natürlich ist der Unterricht ein Risiko, auch die Anreise in den Öffis. Es bleibt ein ungutes Gefühl.“ Die Präventionsmaßnahmen, besonders die wöchentlichen Tests, sieht sie aber als „wohl bestmögliche Lösung“.

„Fühle mich sicherer“

„Ich hatte am Anfang große Bedenken, mittlerweile fühle ich mich sicherer“, sagt auch Minnas Klassenkollege Paul. Die Schüler werden einmal wöchentlich getestet, am Anfang jeden zweitägigen Präsenzblocks, erzählt er. Den Unterricht im Klassenzimmer sieht der Maturant positiv, da er dort weniger abgelenkt werde als zu Hause.

Auch Paul kritisiert das Chaos rund um den Unterrichtsbetrieb. Seine Klasse wurde erst Dienstagvormittag vom Chemielehrer informiert, dass ab Mittwoch wieder Präsenzunterricht stattfindet. Diese Unsicherheit sei „mühsam.“

Diese Stichprobe ist natürlich nicht repräsentativ. Rund ein Drittel der Maturanten an der AHS Rahlgasse, und sogar zwei Drittel der Abschlussklassen (4. und 8.) am Wasagymnasium haben sich gegen Präsenzunterricht in der jetzigen Situation ausgesprochen. Kritische Stimmen gibt es auch bei manchen Eltern.

Fürsorgepflicht der Schulen

„Auch sehr gebildete Menschen glauben: Es wird doch eh getestet, da kann gar nichts passieren. Erst jetzt sickert vielen, dass das nicht so ist“, sagt die Mutter eines 13-Jährigen am Gymnasium Wasagasse, die auch mit anderen Eltern in Kontakt ist. Schulen hätten „auch eine Fürsorgepflicht“.

Das Distance Learning habe sich eingespielt, die Lehrer seien sehr engagiert. Weder ihr Sohn, noch seine Mitschüler wirken depressiv oder unglücklich. „Auch vor Corona gab es jahrelang zu wenig Plätze in der Kinderpsychiatrie, Essstörungen und Depressionen. Nur hat das niemanden interessiert“, sagt sie. Es stört sie, dass diese Argumente mitunter instrumentalisiert und einseitig aufgeführt werden, wiewohl psychische Folgen der Krise „natürlich“ berücksichtigt werden müssten.

Die Rahlgasse blieb beim Fernunterricht. Bild: APA Picturedesk

Den Wunsch nach Normalbetrieb versteht und teilt sie, doch „bei der jetzigen Inzidenz sollte es keinen Präsenzunterricht geben“. Und wenn doch, dann mit regelmäßigen Testungen mit den sensitiveren PCR-Gurgeltests und CO2-Messgeräten in allen Klassen, die ans Lüften erinnern. Für solche Geräte hätten sich 50 Elternteile ausgesprochen, sagt die Elternsprecherin. Bis jetzt gebe es sie nur ein einzelnen Klassen.

Auch müssten auch ganze Klassen schnellstens isoliert werden, sobald es auch nur eine bestätige Infektion gibt – solange, bis alle Schüler und idealerweise auch Familienmitglieder negativ PCR-getestet sind.

„Derzeit passiert das nicht“, sagt sie und verweist auf die städtischen Kontaktregelungen. Auch an der Informationspolitik seitens der Schulbehörde müsse noch gearbeitet werden: „Wenn jemand Läuse hat, werden sofort alle Mitschüler informiert. Bei Corona ist das nicht so.“

Titelbild: APA Picturedesk

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