Donnerstag, April 25, 2024

Schwesterkampf zwischen CDU und CSU spitzt sich zu – Kanzlerkandidatur weiter offen

Kanzlerkandidatur weiter offen

Während CDU-Politiker gebetsmühlenartig vor einer Spaltung der Union warnen, treiben insbesondere CSU-Kollegen genau diese voran. Keiner der beiden Kandidaten will zurückstecken.

Berlin, 19. April 2021 | Eigentlich wollten sich der CDU-Vorsitzende Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder bis Sonntag einigen, wer Kanzlerkandidat der Union werden soll. Aber weil auch in der Nacht auf Montag keiner der beiden Alphas einen Rückzieher machten wollte, zieht sich die Entscheidung hin – so sehr, dass den beiden Parteichefs das Heft des Handelns aus der Hand genommen werden könnte.

In der Union wird spekuliert, dass es eher dem CSU-Chef nutzen könnte, wenn andere entscheiden – weshalb er von Anfang an auf Zeit gespielt haben könnte. Mehrere CDU-Politiker warnten, dass sich Spaltungen in der Union vertiefen könnten, wenn es zu Kampfabstimmungen in Gremien kommen sollte. Hier ein Überblick über die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Entscheidung.

Faktor Parteigremien

Laschets stärkster Trumpf war bisher die deutliche Unterstützung in Präsidium und Bundesvorstand seiner Partei, der viel größeren CDU (mit 15 Landesverbänden im Gegensatz zu einem einzigen CSU-Landesverband in Bayern). Die meisten wichtigen Spitzenpolitiker der CDU haben ihn auch zuletzt weiter unterstützt. Viele CDU-Granden wie die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer oder Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier empören sich auch öffentlich darüber, dass CSU-Chef Söder gegen die klare Mehrheitsmeinung der wichtigsten Gremien der großen Schwesterpartei antreten will.

Aber Söder setzt darauf, dass die Zahl der Abweichler in den Spitzengremien mit der Zeit größer wird und sich der Eindruck fehlender Geschlossenheit der CDU verstärkt. Er selbst kontrolliert die nur in Bayern antretende CSU sehr viel stärker, die Abhängigkeiten vom Parteichef für die eigene Karriere sind in der CSU ungemein größer. Zwar gibt es auch in der CSU harte Söder-Kritiker, diese halten sich in der Debatte bisher aber zurück.

Tatsächlich haben sich in der CDU seit vergangenen Montag die Ministerpräsidenten von Saarland, Sachsen-Anhalt und Sachsen Söders Position angenähert und betont, wie wichtig Umfragewerte bei der Auswahl des Kanzlerkandidaten sind. Laschet könnte theoretisch die CDU-Spitzengremien zusammenrufen lassen, um seine Unterstützer um sich zu sammeln – und Söder das Risiko klar zu machen, gegen den Willen fast der gesammelten Führungsmannschaft der CDU in einen Wahlkampf ziehen zu wollen. Allerdings ist nicht klar, wie geschlossen die Reihen in der CDU wirklich wären. Sollte der CSU-Chef auch dann nicht weichen wollen, bliebe es beim Patt.

Faktor Kreisvorsitzende

Der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, Christian Baldauf, und Sachsen-Anhalts CDU-Landeschef Sven Schulze haben eine Konferenz der Kreisvorsitzenden gefordert. Diese würden eher die Stimmung an der Parteibasis kennen, lautet das Argument. Eine solche Runde der 325 CDU-Kreisvorsitzenden sowie deren CSU-Kollegen kann zwar nicht über die Kanzlerkandidatur entscheiden. Aber ein Stimmungsbild dürfte Söder in die Hände spielen – denn je tiefer man in der Parteistruktur nach unten geht, desto größer ist laut Umfragen die Unterstützung für den CSU-Chef.

Dennoch galt eine solche bundesweite Schaltkonferenz bisher als eher unwahrscheinlich. Allerdings zeigten die Schalten der Landesverbände Berlin und Niedersachsen, dass den Parteichefs langsam das Verfahren aus der Hand genommen wird.

Faktor Bundestagsfraktion

Als Söders eigentliches Druckmittel gilt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion (in Österreich “Klub”), die am Dienstag regulär tagt. Hier gilt eine Mehrheit für den CSU-Chef als wahrscheinlich. Zumindest war so das Stimmungsbild der Redner in der vergangenen Sitzung, an der sowohl Söder wie auch Laschet teilnahmen. Söder hatte auf seine Umfragewerte verwiesen und die Ängste der Abgeordneten mit Direktmandat geschürt, dass sie mit einem Kandidaten Laschet die entscheidenden zwei, drei Prozent verlieren könnten. “Die etablierten CDU-Abgeordneten mit sicheren Wahlkreisen beeindruckt so eine Argumentation nicht – andere schon”, sagt ein führendes Fraktionsmitglied. Söders Kalkül, so war schon Samstag in der CDU gemutmaßt worden, könnte also sein, einfach die Zeit bis Dienstag auszusitzen. Fraktionsvize Carsten Linnemann warnte aber vor einer Kampfabstimmung, weil dies die Fraktion zerreißen könnte.

Laschet wie auch der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) warnen, die Fraktion sei das falsche Forum für eine solche Entscheidung. Historisch gibt es ein Vorbild: 1979 wählten die Unions-Abgeordneten den damaligen CSU-Chef Franz-Josef Strauß in einer Kampfabstimmung gegen den CDU-Kandidaten Ernst Albrecht zum Kanzlerkandidaten – Strauß verlor die anschließende Bundestagswahl.

Faktor Zeit

Je länger die Entscheidung dauert, desto mehr Unions-Politiker sorgen sich um den negativen Eindruck in der Öffentlichkeit. Damit wächst der Druck, endlich eine Entscheidung herbeizuführen – egal welche. Dies führt dazu, dass alte Vorbehalte über Bord geworfen werden, damit man nur zu einem Ergebnis kommt. Tendenziell könnte auch dies Söder nutzen, wenn er partout nicht nachgeben will – weil seine Truppen geschlossener scheinen. “Die CDU ist immer konsensorientierter als die lautstark auftretende bayerische Regionalpartei”, meint dazu ein CDU-Bundesvorstandsmitglied.

(red/Rinke/Reuters)

Titelbild: APA Picturedesk

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7 Kommentare

    • Da gibt es immerhin gewisse Chancen, dass Söder gegen Baerbock verliert, wenn CDU/CSU zerstritten ist.

  1. Warum fragen die nicht einfach unseren Superbastel, wer in D Kanzler werden soll?

    • Ah, ich weiß schon – der täte sich ja selber vorschlagen, und das wollen die dann doch nicht.

    • Das wäre eine Supersache!;-)
      Allerdings: Durchsetzungsvermögen sollte er da noch lernen, wenn ich da an die Auseinandersetzung der K-Frage mit Stoiber denke………..

  2. Söder hat immer betont, dass er in Bayern bleiben wolle. Er hat ganz offensichtlich damit gerechnet, dass man ihn als “Macher” BITTEN werde, als Kanzlerkandidat zur Verfügung zu stehen. Da hätte er sein “Verantwortungsbewusstsein” zur Schau stellen können. Jetzt, wo das nicht der Fall ist, zeigt sich, dass alles nur Show war.

  3. Die Bayern sind total nette Leute, doch die dortigen Politiker zeichnen sich immer wieder durch Größenwahn aus. Ich empfehle der CDU, zukünftig in Bayern selbst anzutreten und den Nervtöter CSU dem freien Markt zu überlassen.

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