Freitag, März 29, 2024

Das große Schweigen – Die Affäre Wirecard

Die Affäre Wirecard

Es ist der größte Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die wichtigsten Beteiligten sind Österreicher – mit engen Verbindungen zu ÖVP und Kanzler Kurz.

Thomas Walach

Wien, 24. April 2021 | Am 25. Juni 2020 war der deutsche Zahlungsabwickler Wirecard offiziell pleite. Fast zwei Milliarden Euro aus der Bilanz waren nicht auffindbar. Tausende Anleger verloren ihr Geld. Es ist der größte Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte. Dass er aufgedeckt wurde, ist vor allem der Arbeit der “Financial Times” (FT) zu verdanken.

Markus Braun

Die wichtigsten in den Fall verwickelten Personen sind Österreicher. Da ist Markus Braun, Ex-Wirecard-CEO und nun in Deutschland in Haft. Braun ist ÖVP-Großspender und war ganz offiziell Berater von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Dass Braun und Kurz auch privat miteinander verkehrten und der Kanzler “Vorschläge” des Spenders Braun umsetzen wollte, dürfte auch den Ibiza-U-Ausschuss interessieren. Beweise für die Beziehung zwischen Kurz und Braun liefern Mails, die ZackZack vorliegen – sie sind Teil jener Mails, die Kurz laut Erkentnnis des VfGH an den Ausschuss liefern müsste, aber angeblich gelöscht hat.

Jan Marsalek

Jan Marsalek ist als Wirecard-Manager Hauptverdächtiger in der Bilanzfälschungsaffäre. Er ist auf der Flucht, wahrscheinlich in Osteuropa. Thomas Schellenbacher, Ex FPÖ-Nationalratsabgeordneter hat zugegeben, zusammen mit ehemaligen Mitarbeiten des BVT Marsaleks Flucht organisiert zu haben. Marsalek ist wohl auch jener Geheimdienstkontakt von Ex FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, von dem dieser Informationen aus dem BVT erhalten hatte. Im Ibiza-Ausschuss konnte sich ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka nicht mehr erinnern, Marsalek getroffen zu haben. ZackZack veröffentlichte daraufhin ein Foto, dass die beiden beim Abendessen in Moskau zeigt.

Alexander Schütz

Alexander Schütz, ÖVP-Großspender und Aufsichtsrat der Deutschen Bank, wird von der deutschen Finanzaufsicht BaFin verdächtigt, Insidergeschäfte mit Wirecard-Papieren getätigt zu haben. Er schrieb Braun über die FT: “Macht diese Zeitung fertig!” Auch Schütz verkehrt privat mit Kurz, auch darüber liegen ZackZack Unterlagen vor. Schütz’ Ehefrau Eva war stellvertretende Kabinettschefin von ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger, Gernot Blümel und Thomas Schmid hievten sie in den Aufsichtsrat der ÖBB-Infra. Wie das “Handelsblatt” berichtete, führt Alexander Schütz einen europaweiten Feldzug gegen Medien, die über ihn berichten, namentlich die FT, das “Handelsblatt” und ZackZack.

Dmytro Firtasch

Dmytro Firtasch ist Kreml-naher Oligarch. Seit 2013 wird er von den USA per internationalem Haftbefehl gesucht. Das FBI wirft ihm unter anderem vor, die rechte Hand des mächtigsten russischen Mafiabosses, Semion Mogilewitsch, in der Ukraine zu sein. Für die Rekordsumme von 125 Millionen Euro Kaution wurde Firtasch 2014 auf freien Fuß gesetzt. Seitdem hält er sich in Österreich auf, wo sich sein Auslieferungsverfahren erstaunlich lange hinzieht.

Firtasch gründete und finanzierte die “Agentur zur Modernisierung der Ukraine” (AMU), eine Organisation, die ihren Sitz in Wien hat. Präsdient der AMU war bis 2015 Ex ÖVP-Außenminister Michael Spindelegger, der politische Ziehvater von Kurz, Blümel und Schmid.

Firtasch gehört der Privatjet, mit dem Kanzler Kurz im März 2021 aus Israel nach Wien flog. Firtasch wohnt in der Wiener Villa von Alexander Schütz. Als Firtaschs Hausbank, die Raiffeisen, begann, sich von dem Oligarchen geschäftlich zu distanzieren, transferierte Firtasch seine Konten zur Wirecard-Bank. Für Firtasch gilt wie für alle zuvor genannten Personen, die sich mit strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert sehen, die Unschuldsvermutung.

Die wichtigsten Fragen

Über die Vorgänge im Fall Wirecard ist in Österreich wenig bekannt. Ab sofort widmet sich die ZackZack-Redaktion verstärkt der Aufklärung des österreichischen Teils der Affäre Wirecard. Vieles ist noch im Dunkeln: Welchen Einfluss hatten Wirecard-Manager auf Politik und Gesetzgebung in Österreich? Welche Hilfe erhielt Jan Marsalek von Politikern und Nachrichtendienstbeamten aus Österreich? Und: Was wusste Bundeskanzler Sebastian Kurz? Wir bringen Licht in die Angelegenheit.

Titelbild: APA Picturedesk

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45 Kommentare

  1. Ist Unschuldsvermutung eigentlich ein richtiges Wort, wenn Staatsanwaltschaften ermitteln. Tun die es wegen Unschuldsvermutungen?

  2. Die Politik der ÖVP, die ideologisch abgedankt hat und ins religioese Heuchlertum flüchtet: MACH DIE REICHEN REICHER UND DIE ARMEN ÄRMER.

  3. AKTUELL
    https://mein.aufstehn.at/p/thomas-s…-untragbar
    Obige Petition gegen den untragbaren Vorstand der ÖBAG
    sollte man unterzeichnen. Ich wünsche den Initiatoren mindestens
    2500 Unterschriften. Ein Shitstorm gegen diesen Rüpel sollte noch
    weit mehr Unterstützer finden.
    Schluss mit „JOBS A LA CARTE“ für die Lakaien von Kurz.

  4. Alle Spuren führen zur ÖVP, wie immer. Auch wenn natürlich die Unschuldsvermutung gilt, für mich gehören alle oben genannten vor Gericht gestellt und anschließend ins Häfn. Weil für unschuldig halte ich persönlich keinen von denen. Unser Land ist kein Selbstbedienungsladen.

    • Wir können nur hoffen, dass die Justiz richtig arbeitet.
      Die meisten Medien im Land sind bis über beide Ohren korrumpiert.

      • Betrifft zwar nicht die Justiz, ich halte es aber für ein wichtiges grünes “Lebenszeichen”:
        Gesundheitsminister Mückstein kritisierte in Interviews, dass die ÖVP im Zusammenhang mit dem “Grünen Pass” vor Kurzem eine Einführung Ende Mai versprochen hatte. Das sei so weder abgesprochen noch richtig, da man die EU-Vorgaben abwarten müsse.

        Er beantwortet türkise Überrumpelungsversuche also umgehend – und das ist bei deren gewohnheitsmäßigen Fouls unumgänglich.

  5. “Ab sofort widmet sich die ZackZack-Redaktion verstärkt der Aufklärung des österreichischen Teils der Affäre Wirecard”……
    Danke Herr Walach, interessant und bezeichnend ist ja das Schweigen aller gekauften Kurz-Medien. Und dass sich unsere Justiz nicht stärker und wesentlich offensiver mit der Kurz`schen Nähe zu Wirecard-Chef Braun interessiert, spricht eigentlich Bände. Auch das brüllende Schweigen unseres HBP lässt tief blicken, in unseren Staat im Staat. Im übrigen ist es für uns überaus gefährlich, dass mittlerweile beinahe alle Medien die Familie decken und hofieren, und darüber hinaus die Messias-Propaganda praktisch rund um die Uhr unwidersprochen senden und schreiben. Dadurch besteht die überaus große Gefahr, dass wir diesen Reserve-Machiavelli noch länger an der Backe haben werden als uns allen lieb ist. Deswegen, bitte dranbleiben! Danke!

  6. Ich liebe eure politischen Recherchen, danke @zackzack. Ich setze mich nun gespannt in die erste Reihe, denn das wird sicher gaaaanz grosses Kino.

    Wenn jetzt die Justiz noch ungestört arbeiten kann, dann wirds richtig eng … Sehr schön 🙂

    • Herr Grassl, nicht Irgendwer im Kurier und in der ÖVP, hat in einem Falter-Interview zur Frage, ob die Grünen im Justizministerium das türkise Vorhaben, der WKStA Beschlagnahmungen von Handys und Datenmaterial in Behörden zu verbieten, verhindern werden, mit Nein beantwortet. Er meinte sinngemäß: “Irgendwann werden auch die Grünen was von den Türkisen brauchen und da wird man die Anliegen einfach abtauschen.”
      Also hängen die Erfolge der Aufklärungsarbeit der WKStA nun davon ab, wie schnell die Grünen etwas von den Türkisen brauchen. Die Untersuchungsbehörden sollten also rasch zu Ergebnissen kommen, ehe das Recht auf Aufklärung zum Opfer eines Tauschhandels wird.

  7. Irgendwie habe ich das Gefühl dass die Politiker*innen nur mehr Mafioso sind!

  8. wie wärs mit einer Gesetzesänderung, es gilt jetzt für die gesamte Bagage eine General-Schuldsvermutung … und sie müssen ihre Unschuld beweisen… Beweislastumkehr und viele Probeme lösen sich in Luft auf, ganz einfach

    • OK, ich beschuldige sie, dass sie 10 Jahre Kinderpornografie konsumiert und gesammelt und damit gedealt zu haben. Und heute morgen haben sie alles vernichtet.

      Viel Spass in der Welt die sie sich wünschen.

      Hexenverfolgung funktionierte genauso.

      • Genau wie die “Coronamaßnahmen”, ja, die sind soooo toll un evidenzbasierend …

        Ich vergaß: Als Venedig eine Großmacht war, mussten die Würdenträger genau das beweisen. Wenn sie in Ihrer Amtszeit zu mehr Wohlstand kamen, als sie ihr Amt begannen, mussten sie alles zurückzahlen (und hoffen, dass sie nicht peinlich befragt wurden). Dass der Zustand untragbar war, ist jedem Neoloberalen klar, und so wurde dieses Gesetz auch abgeschafft. Prompt folgte Korruption, Niedergang und ein paar Jahre später stand Napoleon vor der Tür 🙂

      • in diesem Fall, um den es geht, ist es ja nicht so, dass es keine Verdachtsmomente gibt, die gibt es zu Hauf…

        es gibt eines das ich abartig finde, dass man das widerwärtigste Verbrechen, dass es auf der Welt gibt, nämlich Kindesmißbrauch, immer dann verwendet, um etwas anderes zu legitimieren oder vor einer Legitimation einer Strafverfolgung zu warnen… bei Kindesmißbrauch bin ich persönlich für die Todesstrafe

        mit moralischen Diskussionen braucht man 2021 überhaupt nicht mehr anfangen
        wie kann es auch nur ansatzweise moralisch vertretbar sein, dass zb. durch die Impfung tausende Personen in Europa sterben, nur damit alle anderen geschützt sind, und um in ihrem Beispiel zu bleiben, zb. ein Kinderschänder dann nicht an Corona erkranken würde und sterben müsste, weil ein anderer sich geimpft hat aber an der Impfung gestorben ist … moralisch ist was anderes

        • Sosehr ich zum Teil auch Ihre Einstellung teile, jedoch für eine Todesstrafe werde ich niemals sein. Ich war schon mal Schöffe in einem Inzestverfahren und das Urteil gefiel mir gar nicht. Der Mann ging mit einer bedingten Strafe nach Hause. Ich war der einzige der für die Höchststrafe war und es brachte mir nur eine Belehrung von der Richterin ein:
          Begründung: das war noch niemals, daß wir nicht Einstimmig waren und das kommt ins Protokoll. Meine Antwort: Dann ist es heute das erste Mal.
          Was ich sagen will, es gibt meines Erachtens Fehlurteile und wenn diese geschehen, und die geschehen, aus welchen Gründen auch immer, will ich nicht der Henker sein.
          Es steht niemandem zu, ein Todesurteil zu fällen, so sehr es manchen zustehen würde.
          Stellen Sie sich vor, Sie wären der Angeklagte und drei Zeugen bezeugen Ihre zur Last gelegte Tat und Sie können das Gegenteil nicht beweisen.
          Ist nicht schon nur einmal vorgekommen.

          • Respekt vor ihrer Einstellung als Schöffe bei so einem Verfahren!

            Todesstrafe ist sicherlich aufgrund von Fehlurteilen und es soll ja durchaus auch korrupte Ankläger, Richter etc geben, in der heutigen Zeit nicht praktikabel, solange die Schuld nicht eindeutig beweisbar ist, da haben Sie Recht.
            Es soll nur meine Grundhaltung zu diesem Thema widerspiegeln.

    • Da empfehle ich den Thriller Red Corner mit Richard Gere, er befand sich plötzlich am Ende vom Gelände. Sehr spannender Film.

  9. Firtasch, Schütz, Braun, Marsalek und Kurz das ist kein elitärer Kreis, vielmehr ist in diesen Verbindungen eine Spirale, die in den Abgrund führt zu sehen.
    Wie lange wird die österreichische Justiz Firtasch noch vor der Auslieferung an Amerika schützen? Wie lange wird eine Beschlagnahmung des Oligarchenjets noch hinaus gezögert? Wird man auch Firtasch, wie Marsalek, bei einer möglichen Flucht unterstützen?

  10. Anklage nach §278, ev. §278a, Amtsmissbrauch, etc .. findige (Staats)Anwälte könnten da schin einiges zur Kurzschen Wohnraumverbesserung beitragen.

    • “Wohnraumverbesserung”!! Großartig! Diese bringt dann eine allgemeine Klimaverbesserung im Land mit sich.

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