Freitag, März 29, 2024

Krisenmodus: Recherchen und ihre Nebenprodukte

In der Redaktion von ZackZack ist immer etwas los. Den wöchentlichen Einblick gibt diesmal Benjamin Weiser.

 

Wien, 24. April 2021 | Leserinnen und Leser bekommen ja meist nur das veröffentlichte Resultat einer Recherche mit. Hintergründiges bleibt in der Regel verborgen. Sie lesen einen Artikel und denken sich im besten Fall: So ist das! Hab’s immer gewusst! Solche Hund‘! Oder auch: Ich liebe meinen Kanzler (drei Kusssmileys).

Was im Zuge heikler Recherchen abläuft, ist aber so faszinierend, dass ich Ihnen das nicht vorenthalten möchte. Ich halte das im Sinne demokratischer Hygiene nur für angebracht. Treue ZackZackler kennen ja bereits das Beispiel des Sprechers einer Ministerin. Dieser versuchte mich, während einer mehrteiligen Recherche eines misslungenen Großprojekts in Verantwortung seiner Chefin, auf Twitter zu diskreditieren. Eine Anfrage zu möglichen Verwandtschaftsverhältnissen von Auftraggebern und –Nehmern erboste ihn. Daher kam er auf die Idee, die Anfrage mit samt meiner Handynummer auf Twitter zu posten. „Eure Unterstellungen werden immer absurder“, hieß es da im Begleittext. Bis auf wenige Ausnahmen kassierte er einen Shitstorm, löschte das Posting aber erst einen halben Tag später. Die Beantwortung meiner Frage per Mail kam ebenfalls reichlich spät – ohne Entschuldigung, dafür mit einer neuerlichen Anschuldigung. In der Zwischenzeit klingelte mein Handy, es war ein anonymer Drohanruf.

Mittlerweile werden die Drohungen kreativer. Mal kommen sie als Lob getarnt daher, mal ungetarnt als paternalistische Belehrungen oder in Form skizzenhaften Aufzeigens möglicher Folgen. Jüngstes Beispiel: „Wenn Sie das bringen, Herr Weiser, dann muss ich leider andere Saiten aufziehen“. „Leider“ ist in diesem Zusammenhang natürlich ein wunderbarer Begriff. Naja, und manchmal wäre es im Sinne der Steuerzahlerinnen gar nicht schlecht, andere Seiten aufzuziehen! Ich vermute aber, dass der Drohende da andere Vorstellungen als ich hat. Besonders interessant ist die Bezeichnung von Presseanfragen als „Unterstellungen“, was immer wieder vorkommt. „Sie arbeiten untergriffig! Ich lasse mir das nicht gefallen.“ Das ist gewissermaßen eine Serviceleistung für Journalisten, denn dann können sie sich auf erwartbare PR-Kampagnen gegen den Artikel vorbereiten. Tenor: das ist nicht sauber recherchiert, enthält ausschließlich Anschuldigungen, ist Politpropaganda gegen absolut integre Persönlichkeiten!

Jetzt könnte man sich denken, dass in funktionierenden Demokratien zumindest bei Amtsträgern ein gewisses Maß an Professionalität vorhanden ist, welches auch die saubere Beantwortung einer Presseanfrage beinhaltet. Für Behörden besteht gesetzliche Auskunftspflicht. Ja richtig, selbst in einem Land mit Amtsgeheimnis („Bin per SMS erreichbar! Venceremos!“) und falscher Hörigkeit, haben Behörden Journalisten zu antworten. Außer, die Frage ist: „Ist es richtig, dass Sie gerade mit der CIA einen Putsch in Takatukaland vorbereiten?“ Lustig wäre natürlich eine Antwort wie: „Ja, das ist richtig. Bitte beachten Sie für diese Meldung eine Sperrfrist bis morgen, 16 Uhr! (Da ist der Putsch dann hoffentlich erfolgreich durchgeführt, Zwinkersmiley)“. Was hingegen tatsächlich immer wieder vorkommt, sind Antworten, die keine sind. Sogenannte Antworten „off record“. Da bekommt man dann alles brühwarm erzählt („Die haben sich das ausgemacht, das ist ja klar, wir wissen das beide – c’mon.“), darf aber selbstverständlich nichts davon der Öffentlichkeit sagen. „Off record“-Gespräche können durchaus Sinn machen, etwa um Hintergründiges zu erfahren und die Sachlage damit besser einschätzen zu können. Vorsicht vor falschen Fährten ist im Journalismus natürlich ohnehin immer geboten. Meistens haben solche Gespräche allerdings den Sinn, den „off record“-Schutz zu nutzen, um Dinge hinter vorgehaltener Hand zuzugeben und dem Journalisten damit die Geschichte gleichsam abzuschießen. Man weiß dann, was wirklich geschah, darf es aber nicht schreiben.

Unsere Leserinnen und Leser wissen jedoch bereits, dass wir auch ohne derart verlockende Gesprächsangebote einen großen Schatz an Informationen und ein immer größeres Netzwerk haben. Wir haben uns daran gewöhnt, dass das Kanzleramt Antworten pauschal verweigert. Manchmal kann ich das verstehen. Ich meine, was hätte der Kanzler denn antworten sollen? Dass er nicht per Du war mit Markus Braun? Das wäre ja eine falsche Aussage gewesen, wie unsere Belege zeigen. Und das, liebe Leserinnen und Leser, wäre wirklich ein Skandal!

Titelbild: APA Picturedesk

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16 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Weiser,
    mein Hinweis bezüglich Saiten aufziehen war nicht bös gemeint.

    Ihre Reaktion läßt allerdings tief blicken – und das Schicksal hat mitgespielt.
    Ich finde es jedenfalls nicht fair, den Text einfach zu korrigieren – wo kämen wir hin, wenn das bei wichtigen Einwänden auch so geschähe???
    Wenn schon trixen, dann professionell – die 2. SEITEN hätten Sie mitnehmen sollen.
    Eine Äußerung ist fällig!

    NS: als ehemaliger geübter ORF-Debatte-User sichere ich “manches” mit Screenshots.

  2. Ihr macht schon eine ziemlich ordentliche Arbeit – ich lese Zackzack gerne und freue mich über das gemischte Foren-Publikum.

    Ob das “Seitenaufziehen” so vom Politiker gekommen ist und was er damit meinte?
    Gedacht war wohl “andere Saiten aufziehen” um den Klang ein wenig zu verändern, zu verschärfen – z.B. auf eine Geige oder ein anderes Saiteninstrument …

  3. AKTUELL, DIESE AKTION GEHT IN DIE RICHTIGE RICHTUNG.
    https://mein.aufstehn.at/p/thomas-s…-untragbar
    Obige Petition gegen den untragbaren Vorstand der ÖBAG
    sollte man unterzeichnen. Ich wünsche den Initiatoren mindestens
    2500 Unterschriften. Ein Shitstorm gegen diesen Rüpel sollte noch
    weit mehr Unterstützer finden.
    Schluss mit „JOBS A LA CARTE“ für die Lakaien von Kurz.

  4. Liebes ZackZack Team!
    … wenn ich irgendeine Ahnung von Journalismus hätte, würde ich versuchen bei Euch anzuheuern.
    Das nicht nur wegen dem “wahrscheinlich besten Kaffee der Stadt!, sondern auch wegen dem Adrenalin-Grundspiegel der dem eines Stratosphären Hüpfers um nichts nach steht.
    Bitte aber auch nicht auf Euch Selbst vergessen damit Eure Resilienz erhalten bleibt!

    • Ich werd bei Gelegenheit mal ein par Bio Biere aus der Region an die Redaktion schicken. Die machen angeblich sehr resilient und die leere Flasche kann man außerdem in der Not zur Selbstverteidigung benutzen.

      • …. dann noch ein paar Käferbohnen dazu, die eignen sich zur “kontaktlosen” Abwehr…😉

  5. Jeder der bestimmten “politischen Gruppierungen” in die Quere kommt muss sich warm anziehen. Manch einer kann ein Lied davon singen wie z.B. Sepp Schellhorn der sich vor Betriebsprüfungen plötzlich nicht mehr retten konnte als er beim politischen Konkurrenten Neos anheuerte. Auch Düringers Liste “gilt” schien einigen ein Dorn im Auge gewesen zu sein. Jede Stimme gilt schien nicht in Jedermanns Interesse gewesen zu sein, dementsprechend verfolgt wurden damals die Mitglieder dieser Liste. Wer sich bei Drohungen, Einschüchterungen und Rufmord von politischen Konkurrenten und Journalisten besonders hervortut ist kein Geheimnis. Alles für die Partei….gruselig und sehr bedenklich.

  6. Beim Ben geht das alles eh nicht rein. “Nein, das ist jetzt nicht off record! Wenn Sie mich anrufen und mir etwas sagen, verwende ich das. Sie müssen sich entscheiden.”
    Oft gehört. Würde gern mal Mäuschen spielen und das andere Ende auch hören.

    • Da liegt noch sehr viel im Dunklen. Ja auch andere Regierungen haben nicht alles ganz fein oder richtig gemacht.
      Doch Kurz schlägt sie alle. Wobei ich mehr an seine ” Berater ” denke.
      Der Bub ist leicht zu führen. Keinerlei Erfahrung… emphatielos…
      Der Spindelegger hat schon gewusst wen er da aufbaut.
      Sprechpuppen…….

  7. Die sollen einmal froh sein, dass Ihr Euch, obwohl Ihr für sie so unangenehm seid, dabei strikt an die journalistischen Ehrencodices hält und deswegen bei Weitem nicht über all das berichtet, das Ihr wisst. Falls wir es noch erleben sollten, dass sich der Wind einmal dreht, wird es interessant sein, zu sehen, wie dann so manche der derzeit so hoch geförderten (Boulevard)-medien über die ÖVP berichten.

    • Die fallen dann schnell um.
      Salomon wird uns irgendein Gschichterl erzählen….und vom Nowak schreib ich lieber nix.

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