Nach dem neunten Frauenmord im Jahr 2021 gibt es Kritik am montäglichen Sicherheitsgipfel der Regierung von Opferschutzeinrichtungen. Sie waren zum Gipfel nicht eingeladen. Die Ressourcen seien auch mit dem Gipfelergebnis zu niedrig.
Wien, 04. Mai 2021 | Die Opferschutzeinrichtungen vermissen in den Ankündigungen nach dem Sicherheitsgipfel, der als Antwort auf die neun Femizide seit Jahresanfang im Innenministerium stattgefunden hat, die von ihnen zuvor vehement geforderte Erhöhung der Mittel für Gewaltschutz. 228 Millionen jährlich fordern die Organisationen von der Regierung jährlich für die Ausweitung und längerfristige Absicherung ihrer Arbeit. Momentan sei im Schnitt eine Mitarbeiterin für 310 Opfer zuständig. Eine Erhöhung der Mittel ist für die Organisationen unumgänglich.
Raab muss Zahlenfehler korrigieren
Momentan umfasst das Budget des Frauenministeriums 14,6 Millionen, ein Fünfzehntel des für Opferschutz geforderten Betrages. Am Dienstag behauptete Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP), dass sich das Frauenbudget unter ihrer Führung in den letzten eineinhalb Jahren „fast verdoppelt“ habe. 2019 habe das Budget jedoch nur rund 10 Millionen betragen. Die Ministerin musste kurz darauf über Twitter zurückrudern, sie habe sich versprochen – zweimal. Das Budget habe sich nur um 50 Prozent erhöht, nachdem es unter Türkis-Blau reduziert worden war.
Ich entschuldige mich bei den Zuhörerinnen und Zuhörern, dass ich mich zuerst versprochen habe und ‚Verdoppelung‘ gesagt habe. 2/2
— Susanne Raab (@susanneraab_at) May 4, 2021
2018 und 2019 habe es bei der Finanzierung einen “Backlash” und Kürzungen für viele Einrichtungen gegeben, darauf hatten am Montag Vertreterinnen der Frauenschutzorganisationen hingewiesen. Die seither erfolgten Anhebungen müsse man vom Niveau der zu vorigen Kürzungen rechnen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz meinte zu den Forderungen der Opferschutzeinrichtungen, dass es „am Geld nicht scheitern“ solle.
Expertinnen dürfen zum nächsten Gipfel
Nächste Woche soll ein Runder Tisch zum Thema stattfinden, diesmal mit den Expertinnen für Gewaltschutz. AÖF-Geschäftsführerin Maria Rösslhumer lobte, dass die Regierung Punkte wie den geforderten Ausbau der Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen aufgegriffen habe, aber es handle sich um ein Maßnahmenpaket ohne Budget. Weiters forderte sie einen zusätzlichen Fokus: “Wir brauchen unbedingt einen verbesserten Schutz für die Kinder. Die werden oft alleine gelassen und auch bei Wegweisungen werden sie oft einfach nicht wirklich unterstützt.” Zudem wiederholte sie die Forderung nach Personenschutz für Frauen in Hochrisikosituationen.
Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie vermisst einen Ausbau des Opferschutzes, für den es Geld und Personal brauche. Opfer, die sich aus Misshandlungsbeziehungen trennen, seien in sehr großer Gefahr, Gewalt zu erleiden. “Fast alle Morde und Mordversuche passieren in dieser Zeit. Man muss da einfach länger dran bleiben, die Trennung dauert oft Monate und in dieser Zeit müssen wir die Opfer begleiten können.”
“Bitte nehmen Sie den Hilferuf aus den Gewaltschutzeinrichtungen ernst”, appellierte SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek in einer Aussendung. Diese seien “am Limit. Lange Wartezeiten auf Beratung und Hilfe sind gefährlich”. Laut Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr 11.652 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen. Die Zahl der weggewiesenen Gefährder stieg laut Heinisch-Hosek von 8.254 im Jahr 2019 auf 9.689 im Jahr 2020, und die soziale Krise durch Corona werde die Situation weiter verschärfen. “Durch die Kürzungen unter Türkis-Blau bei Frauenprojekten und in der Familienberatung ist große Unsicherheit entstanden. Die Frauenberatungsstellen müssen durch mehrjährige Verträge abgesichert werden”, forderte sie.
(apa/bf)
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