Donnerstag, April 25, 2024

Runder Tisch: Pressefreiheit, na und?

Thomas Bauer (Professor für Kommunikationswissenschaft), Rubina Möhring (Reporter ohne Grenzen) und Susanne Scholl (Ex-Journalistin) an einem Tisch: Was soll “Pressefreiheit” eigentlich heißen?

Wien, 06. Mai 2021 | Während (Möchtegern-)Autokraten die Medien kontrollieren und gleichschalten, verliert ein Teil der Bevölkerung das Vertrauen in den Journalismus. Das liegt vielleicht am Journalismus selbst. Wie der vom “Eitelkeits-” zum “Dienstleistungsberuf” werden kann und warum das auch die Menschen außerhalb der Branche betrifft, dieskutierten Thomas Bauer, Rubina Möhring und Susanne Scholl zu Gast bei Thomas Walach am (virtuellen) Runden Tisch.

(Das ganze Gespräch als Video gibt’s im Club).

Thomas Walach: Francis Fukuyama sah bis zur Finanzkrise 2007 die Demokratie weltweit auf dem Vormarsch. Heute ist davon nichts mehr zu sehen. Was bedeutet das für die Freiheit der Presse weltweit?

Susanne Scholl: Wo bitte war die Demokratie wirklich im Vormarsch? Ich kann das nicht sehen. Es wurde viel darüber geredet. Aber de facto sind viele Länder des ehemaligen Ostblocks keine Demokratien. Das sind autoritäre Staaten mit leichtem demokratischem Zuckerguss drüber. Und was das für die Pressefreiheit bedeutet ist ganz klar: In dem Moment, wo man einen angeblich demokratischen, aber eigentlich autoritären Staat hat, versucht man die Pressefreiheit so gut wie möglich einzugrenzen.

Die Mittel unterscheiden sich: Geld, direkter Einfluss, manche machen es ein Bisserl eleganter – aber insgesamt ist die Pressefreiheit in großer Gefahr, Demokratien hin oder her.

Rubina Möhring: Da möchte ich gleich anknüpfen! Wir erstellen bei „Reporter ohne Grenzen“ ja das Pressefreiheits-Ranking. Weil das allgemeine Niveau so gesunken ist, hat sich Österreich um einen Platz verbessert. Aber die Punkte haben sich verschlechtert. Ich habe ein gewisses Verständnis für die früheren Mitgliedsstaaten der Sowjetunion. Denken wir an Deutschland und Österreich in der Zwischenkriegszeit zurück! Da war es ganz ähnlich: Da wurde auch versucht, Demokratie zu leben und herausgekommen sind Diktaturen.

Was mir Sorge macht, ist, dass auch in sogenannten liberalen Demokratien des Westens zunehmend Politiker ans Ruder kommen, die zu autoritärem Verhalten neigen. Es wird wieder Mode, auf Medien Einfluss zu nehmen. Das ist vor allem bei kleineren europäischen Staaten so, weil da jeder jeden kennt. „Orbanisierung“ steht für eine Gleichschaltung der Medien. Da es hierzulande Politiker gibt, die Orban oder den slowenischen Premier Janša gut finden und mit ihm befreundet sind, kann man eigentlich nur Angst bekommen.

SuS: Ich habe den Eindruck, diese Bewunderung für Machos wie Orban oder Putin bei heimischen Politikern hängt damit zusammen, dass sie selbst gerne autoritäre Führer wären. Das lässt nur eben unser System noch nicht zu.

RM: Oder der Herr Trump! Wir wissen, es gibt Politiker, die Trump verehrt haben und glücklich waren, wenn sie von ihm empfangen wurden. Die haben dann auch Teile der Medienstrategie Trumps, vor allem die Message Control übernommen. Das nähert sich immer mehr einer Gleichschaltung der Information durch die Regierenden.

Thomas Bauer: Darf ich mich da einmischen? Wenn wir über Medienfreiheit reden, dann denken wir sehr stark in den Organisationsstrukturen der Medien – die Presse, das Fernsehen etc. Ich höre vor allem von Journalistinnen und Journalisten, die für ihre Freiheit kämpfen, weil sie ihrem Auftrag nachkommen wollen, einen kritischen und kontrollierenden Blick auf die Welt zu werfen, und das brauchen wir natürlich.

Wir müssen aber die Pressefreiheit stärker mit den Lebenswelten der Betroffenen kontextualisieren, sonst wird das zu einem Eliteprojekt der Journalisten. Dann fühlen sich möglicherweise, diejenigen, in deren Namen Journalisten ihre Freiheit verteidigen, gar nicht betroffen, weil sie unter anderen Lebensbedingungen zu überleben versuchen.

Wenn wir über Medienfreiheit sprechen, sollten wir nicht die Medien im Blick haben, sondern die Kommunikation, die Medialität der Gesellschaft: Wie verständigen wir uns miteinander? Wie bauen wir Beziehungen zueinander auf?

Thomas Bauer ist emeritierter Professor für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. Bild: Türkisch-Österreichische Zusammenarbeit.

TW: Pressefreiheit ist ein Elitendiskurs. Über Pressefreiheit reden vor allem Journalisten gerne. Einen guten Weg, das Thema aus der Blase zu holen, kenne ich nicht. Wie soll man das angehen?

TB: Es ist nicht wirklich ein Thema der Bürger, weil wir es nicht zu einem Projekt des alltäglichen Lebens gemacht haben. Was ist der Sitz im Leben für die Freiheit der Kommunikation? Den haben wir noch nicht gefunden. Das Recht der Journalistinnen und Journalisten ist zu einem neuen Elitismus geworden. Der journalistische Milieudiskurs ist eben ein anderer als der von Arbeitern oder Krankenpflegern oder Studierenden. Wir müssen neben der faktischen Wahrheit auch die Relevanzwahrheit beachten: Was für mich wichtig ist, das ist für mich wahr.

Wir brauchen deshalb nicht nur Forderungen, die es durchzusetzen gilt, sondern viel stärker den Dialog, das Gespräch über Für und Wider, um aus dieser Sackgasse rauszukommen.

RM: Ich halte es für sehr wichtig, statt von Pressefreiheit lieber von Informationsfreiheit zu sprechen. Bei „Pressefreiheit“ denkt man vielleicht: „Journalistinnen und Journalisten, das ist ein eitles Volk, da gibt es viel Selbstdarstellung“ und schon deshalb misstraut man ihnen.

Informationsfreiheit ist dazu bestimmt, dass jeder Bürger und jede Bürgerin das Recht hat, sich zu informieren, und zwar aus verschiedenen Quellen. Wer gewährleistet den Zugang zur Information? Das sind die Journalistinnen und Journalisten. Das ist ein Dienstleistungsberuf und kein Eitelkeitsberuf. Es geht um einen Dienst der journalistischen Branche an der Gesellschaft. Das müssen wir akzentuieren, um in der Gesellschaft die Bereitschaft, Medien auch zu glauben, zu fördern.

SuS: In all diesen Diskussionen kommt mir der Wildwuchs in den Sozialen Medien zu kurz, die sich auch als Informationskanäle verstehen, oder jedenfalls von den Konsumenten so gesehen werden. Die Grundsätze und Regeln, an die wir alte Journalisten gewöhnt waren, gelten dort nicht. Das ist ein Riesenproblem, weil so Falschinformationen verbreitet werden, aus denen sich zum Beispiel das Denken der Querdenker speist.

TB: In den Sozialen Medien bricht sich ein neues Kommunikationsmodell die Bahn, für das wir noch keine klare Ordnung haben. Wir bewerten, was wir da sehen, sehr stark mit einem ehemaligen Ordnungsmodell der Medien. Bei der Kommunikation geht es um die soziale Praxis. Die oszilliert zwischen dem Vertrauensmodell, über das wir gerade sprechen und einem Täuschungsvertrag, der lautet: „Ich spiele dir einen guten Politiker vor.“ Wir sind sogar enttäuscht, wenn Politiker das nicht einhalten, weil sie zu authentisch sind und gar nicht so wie wir es von einem Politiker gewohnt sind. Ein Politiker wird daran gemessen, ob er den Erwartungshaltungen entsprechen kann und andererseits daran ob sie durchbrechen kann, sodass wir sehen: „Aha! Politik kann doch komplexer sein, als wir dachten.“

Das ist aber nur dann attraktiv, wenn wir ein Kommunikationsmodell haben, das an Unterschieden interessiert ist: „Ich bin froh, dass ich mit dir gesprochen habe, denn du sagst mir etwas, das ich vorher nicht gedacht habe.“ Gerade weil wir unterschiedlich sind, brauchen wir einander, um die Welt zu bestimmen. Und je mehr wir Kommunikation gleichschalten, desto mehr rutschen wir in totalitäre Muster. Wir sind zu sehr an Vereinbarungen statt an Vermehrbarungen interessiert.

TW: Wenn also in den klassischen und in den sozialen Medien die Bereitschaft, Unterschiede auszuhalten abnimmt, begünstigt das totalitäre Tendenzen?

TB: Ja, richtig.

SuS: Wir müssen den Kindern von klein auf beibringen, alles, was in den neuen, aber auch in den alten Medien – im Fernsehen, im Radio – produziert wird, kritisch zu hinterfragen. Und dazu gehört, nicht nur eine Informationsquelle zu nehmen, sondern mehrere.

TB: Wir sind in einem Umbruch von einer hierarchischen Medienwelt in eine heterarchische, wo wir erwarten müssen, dass einer, der vielleicht nichts von einer Sache versteht, trotzdem sagen möchte, was er davon hält. Diese Vermehrung des Einbringens konfrontiert uns auf ziemlich harte Art und Weise damit, dass die Welt, um es mit Wittgenstein zu sagen, alles sein kann, was der Fall ist. Die Strukturen in denen wir versucht haben, die Welt zu verstehen, dienen langsam aus, verlieren an Vertrauen.

Dass wir über die Medien von Produzenten und Konsumenten reden – das ist ein Industriemodell, kein menschliches Modell. Wir können uns selbst nur begreifen, indem wir auch dem anderen unterstellen, dass er ist, und zwar so, wie er sich selbst versteht. Diese Vorstellung relativer Freiheit satt absoluter Freiheit müssen wir ins alltägliche Leben einbringen.

RM: Ja dann mach mal! (lacht) Eine Sache, die ich sehr wichtig finde, ist, keine Fremdworte zu verwenden. Das war in der Zeit, als ich bei der ZIB war, eine Grundregel. Fremdworte sind eine elitäre Angelegenheit.

Rubin Möhring war Journalistin bei “Presse”, ORF und 3sat. Sie ist Präsidentin von “Reporter ohne Grenzen” Österreich. Hund Alma war mit runden Tisch, sagte aber nichts. Bild: Valerie Voithofer

SuS: Ich will schnell eine Lanze für den Journalismus brechen. Journalismus als Beruf, mit all seinen Regulativen, mit den Checks und Doublechecks – wir brauchen das, damit die Aluhüte nicht überhandnehmen.

TW: Wir können uns bestimmt darauf einigen zu sagen: Es gibt in unserer medialen Welt mehr Möglichkeiten öffentlicher Teilhabe als vor wenigen Jahrezehnten. In der Fülle der öffentlichen Akteure gibt es aber einige, die sich auf eine bestimmte Form der Kommunikation spezialisieren, die bestimmten Regeln folgt.

TB: Genau.

TW: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kristallisierte sich Neutralität als journalistischer Königsweg heraus. Einzelne Journalistinnen und Journalisten haben stets andere Wege gesucht – von Egon Erwin Kisch bis zu Hunter S. Thompson und der New Journalism-Bewegung. Aber im Mainstream hat sich die Neutralität als journalistische Tugend durchgesetzt. Die Wissenschaft hat deren Nutzen schon seit Jahrzehnten hinterfragt, weil Forscher der Ansicht sind, dass journalistische Scheinneutralität stets den Herrschenden dient. In den USA sind die Medien spätestens mit Donald Trump auch in der Praxis vom Ideal der Neutralität abgekommen. Der Konsens ist jetzt: Journalismus soll faktengetreu sein, nicht neutral.

In Österreich sehe ich ZackZack in einer Sondersituation. Meiner Wahrnehmung sind wir die einzigen, die offen sagen: Wir berichten Fakten, wir sind den Tatsachen verpflichtet, aber wir sind dabei nicht neutral. Ist das in der österreichischen Medienlandschaft ein zukunftsfähiges Modell?

RM: Ich finde das ein sehr spannendes Experiment – gerade in Österreich. Es ist nicht möglich, dass Medien wirklich neutral sind. Wir wissen ja, dass es in Österreich – und da haben wir noch nicht über die ökonomischen und politischen Abhängigkeiten gesprochen – diese Tradition der Autoritätshörigkeit gibt. Wir haben in Österreich eine Konzentration bei den Medieneigentümern. Nicht, dass einem Eigentümer alle Medien gehören, sondern, dass die meisten Medien in der Hand konservativer Eigentümer sind und entsprechend auch konservative Standpunkte vertreten.

Ich glaube, Österreich hat es nötig, einen kritischen Boulevard zu entwickeln, einfach um eine Gegenmeinung zu haben. Ich finde es fantastisch, dass ZackZack das macht. Ich lese es täglich, weil man hier Informationen bekommt, die es in anderen Medien nicht gibt, sei es aus Rücksichtl oder Vorsichtl… so geht das nicht weiter!

TB: Das ist eine äußerst interessante Frage, die hätten wir vielleicht am Anfang haben müssen. Ich sehe dahinter aber ein paar Fragezeichen. Wenn du sagt „Fakten“, dann meinst du, nehme ich an, den Menschen das zu vermitteln, was wahr ist, weil es passiert ist. Das ist aber nur ein faktisches Modell von Wahrheit.

TW: Selbstverständlich. Es geht darum, eine Sichtweise auf die Welt zu liefern, die Falsifikation standgehalten hat, die plausibel und intersubjektiv vermittelbar ist.

TB: Genau. Popper, schau oba! Aber in der Kommunikation ist nur nicht das wahrheitsfähig, was faktisch ist, sondern, was relevant ist. Daher glaube ich, dass Neutralität tatsächlich kein intrinsischer Wert von Kommunikation ist. Wenn es uns darum ginge, uns am Ende auf einen Punkt zu verständigen, den wir beide akzeptieren können, dann ist das eine Vereinbarung, aber keine Verständigung.

Ich glaube, wir müssen wirklich unterscheiden zwischen Wahrheitsinhalt und Wahrheitsgeschehen. Der Wahrheitsinhalt ist meinetwegen das Faktische. Das Wahrheitsgeschehen ist die Art und Weise, wie wir darüber reden. Und da ist es wichtig, diese nicht eingehaltene Neutralität ganz bewusst zu deklarieren. Wenn du sagst: „Ich schreibe das aus diesem oder jenem Interesse oder in Bezug auf diese oder jene Erfahrung,“ ist das toll, weil dann bist du nachvollziehbar, und um das geht’s.

Wenn ich das kann, dann kann ich mich auch selbst aus einer anderen Position betrachten. Dieser Transrollenaustausch sollte das Hintergrundmodell dafür sein, was ZackZack gerne möchte.

SuS: Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung als Journalistin nur sagen, dass ich nie neutral war. Ich hatte immer eine klare Position, die ich auch ganz offengelegt habe. Das hat mich nicht daran gehindert, beide Seiten darzustellen. Ich glaube, das ist das Modell, das wir brauchen. Ich finde das Projekt ZackZack wirklich gut, weil es versucht, genau diese Art von Journalismus weiterzuführen. Das kann, denke ich mir, auch ein Zukunftsmodell sein.

Susanne Scholl ist die Grande Dame der ORF-Auslandskorrespondenten. In der Pension ist sie außerdem “Oma gegen Rechts”. Bild: APA-Picturedesk

Titelbild: ZackZack

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30 Kommentare

  1. Korrektur zu 13:54:
    Wohltuend sehe ich die Kritik 1. an der Angepaßtheit der Medien und 2. dem Bestreben neutral zu sein.
    Ich schließe mich der Meinung an, daß journalistische Scheinneutralität stets den Herrschenden dient.

  2. Eine interessante Diskussion von 4 Personen, die Journalismus und Berufsethos zumindest gelernt haben.
    Wohltuend sehe ich die Kritik an der Angepaßtheit der Medien und das Bestreben neutral zu sein.

    Rubina Möhring bringt es auf den Punkt – sie sieht im Journalismus den Dienstleister, der faktische Informationen ins Volk bringen muß und Ideen für Alternativen vermitteln kann.
    Das wäre die Funktion der 4. Macht im Staat. Dazu ist eine Sprache nötig, die verstanden wird.
    Dann müßte auch die Politik ihren Dienst am Souverän “demokratisch” ausüben.

    Der Ist-Zustand ist leider ganz anders.
    Politiker, Journalisten, Akademiker gebärden sich als Elite – statt echter Leistung wollen sie mit hochgestochener Sprache – unnötigen Fremdworten – beeindrucken.
    „Politisch korrekt“ zu gendern und damit Zeit zu vergeuden, ist wichtiger als kurz und bündig Themen zu besprechen und Diskussionen zu führen.

    Das Volk hört nicht mehr zu – wendet sich ab – die Demokratie geht verloren!

  3. Weiter unten habe ich den Begriff “antiquiert” verwendet. Daran möchte ich nun anschließen, und zwar mit Bruno Latours “Wir sind nie modern gewesen” im Hinterkopf, aus dem ich gerne das “Dreieck” Gesellschaft–Wissenschaft–Politik nehme. Wann hat das letzte Mal eine größere Diskussion (im bzw.) über den Journalismus stattgefunden? Mit dem Internet und den (damals) “neuen” Möglichkeiten? Mein Eindruck ist eher Nein. Noam Chomskys Diskussionen gehen noch ein paar Jahrzehnte weiter zurück. Die Medien hatten kaum etwas gegen den Kapitalismus entgegenzusetzen. Nun, (sagen wir) in den letzten 50 Jahren hat sich die Forschung extrem diversifiziert und spezialisiert. Das öffentliche Interesse an der Wissenschaft hielt sich in Grenzen, dagegen trat Sport seinen “Siegeszug” an. Jetzt bekommen wir die Rechnung serviert: Anstatt dass sich Wissenschaftsjournalist*innen darum kümmern, die komplexen Ergebnisse sauber zusammenzufassen, spielt sich jede*r mit ein paar Zahlen, …

    • … ohne überhaupt in der Lage zu sein, Korrelation von Kausalität zu unterscheiden. Jede*r bastelt sich eigene Graphiken, ohne genau zu wissen, wie man die Daten richtig aufbereitet und Inkonsistenzen feststellen kann. Auch in den sogenannten Qualitätsmedien gab’s viel Schwachsinn, vielleicht, weil’s heute so einfach wie noch nie war, “bunte Bilder” zu erzeugen. Und auf einmal gibt’s solche Probleme wie die -30.000 (minus 30 tausend) positiv Getesteten in Nordeuropa (glaube Anfang Juli 2020). Vor lauter Bäumen scheint niemand mehr den Wald zu sehen. (…)

      Diese “Gläubigkeit” an Zahlen und deren “Objektivität” ist gefährlich. Hat hier unser Schulsystem versagt, wo’s nur mehr um Kompetenzen aber nicht mehr ums Verständnis geht? Haben hier auch die Unis versagt, an denen ja Journalismus, etc. gelehrt wird? VER-lernt man dort, dass man die Menschen “abholen” muss?

      Bitte nicht falsch verstehen: Als Mathematiker (mit Schwerpunkt Algebra) ist’s ja einfach, man ist schon froh, wenn’s bei einer internationalen Konferenz eine Hand voll Kolleg*innen gibt, die überhaupt ein paar Fragen stellen (können). Journalismus –als Vermittlerrolle (siehe Latours Dreieck oben)– ist ungleich schwieriger!

      • Journalismus war noch nie so wichtig wie jetzt! Jede*r Einzelne (auch Wissenschaftler*innen) ist vollkommen überfordert mit dieser Informationsflut! Wenn das dazu führt, dass jede*r nur mehr das liest, was sie/er möchte, dann haben wir eine “atomisierte” Gesellschaft. Aber letztlich –und das kommt in der Diskussion auch schön herüber– ist es die Sprache, die uns (Menschen) verbindet! In der Wissenschaftsphilosophie relativierten sich auch Begriffe wie “Wahrheit” und “Objektivität”, was aber eben NICHT heißt, dass eh alles willkürlich ist. Letztlich geht’s um so etwas wie Konsens, was (aus meiner Sicht) nichts mit Uniformität zu tun hat …

        • Was hat das alles mit (dem Begriff) “Pressefreiheit” zu tun? Mittelbar geht’s natürlich auch um die Freiheit der Presse, aber wenn diese in Gefahr ist, dann bedeutet das für die Freiheit (z.B. in einer Demokratie) im allgemeinen nichts gutes. Und man sieht es auch: Durch Ignorieren von Gesetzen (z.B. Wahlkampfkostenlimits) kann man Wahlen manipulieren! Aber Freiheit heißt in letzter Konsequenz auch, sein Potential entfalten zu können. Doch wie kann man das erkennen, wenn’s nicht eine “freie Presse” mit gutem und unabhängigen Journalismus gibt, der einen das aufzeigt? Oder –vielleicht noch wichtiger– jene in die Schranken weist, die andere an ihrer Entfaltung hindern?

          • Die Aufbereitung der Zahlen durch Journalisten ist teilweise wirklich haarsträubend. Da werden in den Artikeln oft einfach Statistiken und Zahlen hingeknallt die keinerlei Aussagekraft haben. Leider hat man oft den Verdacht, dass dies auch erwünscht ist (Stichwort Beeinflussung der Medien) aber häufig ist vermutlich auch die Unfähigkeit der Journalisten daran schuld, die diese Daten nicht für die Leser aufbereiten können. Das Leservolk zieht dann natürlich seine ganz eigenen Schlüsse daraus, die oft sehr unterschiedlich sind, was natürlich auch kein Wunder ist. Ich finde das ist auch mit ein Grund, dass unsere Gesellschaft bei vielen Themen oft so gespalten ist. Manche halten sich nur an die in den Artikeln mangelhaft aufbereiteten Zahlen. Manche versuchen mittels Internet selber diese Zahlen aufzubereiten und manche interessieren sich überhaupt weniger für diese Zahlen, weil sie wissen, dass sie oft wenig aussagen. Das sind die Leute die versuchen das große ganze im Auge zu behalten.
            Was die Entfaltung von Potential betrifft: Das unsere Politik Menschen daran hindert ihr Potential entfalten zu können ist ein wirklich enormer Schaden für unsere Gesellschaft der so hoch ist, dass er niemals beziffert werden könnte….Danke für den Denkanstoß

  4. Ich finde das Interview interessant aber ein bißchen an der Zeit vorbei bzw. hinterher. Sog. Aluhüte und Querdenker und deren Informationsforen sind das kleinere Problem. Das größere ist dass seit März letzten Jahres in den Qualitätsmedien keine richtige Debatte zum Thema Corona mehr abgebildet wird. Gab es anfands noch einzelne Meldungen kritischer Stellungnahmen zu Maßnahmen und offizieller Politik so haben wir heute eine Verlautbarungsschreibe die die großen Zweifel, Kontroversen und unterschiedlichen Sichtweisen nicht einmal ignoriert. Verantwortliche Politiker und Wissenschaftler müssen sich keine kritischen Fragen mehr gefallen lassen. Corona ist natürlich nur eines von vielen Themen aber hier kann jeder messen wieviel Vertrauen man überhaupt noch haben darf.

    • Ja, die Diskussion ist tatsächlich etwas elitär und die (hier transportierte) Vorstellung von “Wahrheit” unter Nennung von Karl Popper und “Falsifikation” nicht mehr als antiquiert. Aber nötig ist sie trotzdem, denn nur auf dieser Metaebene kann man (ein wenig) über Journalismus reflektieren.

      Manche Dinge dauern länger, ich bin vielleicht zu ungeduldig. Heute im Mittagsjournal auf Ö1 gab’s eine Diskussion über die Qualität von PCR-Tests. Darüber hätte man vor einem halben Jahr nachdenken sollen! Aber “Schönwetter-Journalismus” wie das Berichten über Sport (weil’s Geld bringt) ist wichtiger, als die Komplexität von Wissenschaft verständlich aufzubereiten. Oder Vorgänge in der Medizin, wo Ärzte Menschen verstümmeln! Überall dort, wo einzelne Menschen einem übermächtigen System gegenüberstehen (z.B. Entschädigung der Terroropfer, etc.) könnte der Journalismus mithelfen, etwas zu mehr Kräftegleichgewicht beizutragen. (…)

      Die nächsten großen Themen stehen schon an: Künstliche Intelligenz, Bio-Medizin, etc.

      • Ich habe leider zu oft das Gefühl dass nach dem Leitwolfprinzip ab- und geschrieben wird. Viele scheinen auch die gleichen einseitigen Quellen bzw. sich gegenseitig als Quellen zu benutzen – ein bißchen umgestellt und anders formuliert wenn genug Zeit da ist. Allein zum Thema Seuchen kann man sich eigentlich richtig reingraben, da gibts nicht den einen richtigen Weg nach Rom. Ich finde es furchtbar, wie einseitig und oberflächlich da mittlerweile berichtet wird. Über PCR-Tests bpsweise gibt es sehr viel Material, das wurde bisher kaum reflektiert. Auch ohne medizinische Vorbildung ist das mit etwas Aufwand und Nachfragen zu verstehen und verständlich zu machen.

        • Ja. Aber ich glaube auch, dass mit diesem “Sturm”, wie er letztes Jahr hereingebrochen ist, die meisten überfordert waren. Ich kann das deswegen behaupten, weil ich mir seit Mitte März 2020 die Finger wundgeschrieben habe (an die Regierung, das Gesundheitsministerium, die WHO, die EU-Kommission, dutzende Zeitungen, etc.) und RELATIVE Zahlen eingefordert habe. Das Herunterbeten von Ranglisten von Todeszahlen (am besten von großen Ländern) hat alle verrückt gemacht. Mittlerweile ist das viel besser geworden, aber immer noch gibt’s diese “Geilheit” an großen Zahlen: 400.000 Infizierte in Indien an einem Tag! Das ist eine Schlagzeile! (Es sind genau soviele wie in Österreich, relativ zur Bevölkerungszahl; was freilich ob der Unterschiede im Gesundheitssystem auch nicht ganz richtig ist.) Zu tun gibt’s noch viel! Viele Graphiken (z.B. von der APA oder der AGES) sind einfach nur schlecht und irreführend. Mittlerweile glaube ich, dass es da massiv in der Ausbildung hapert …

          • Vielleicht wollte ja niemand relative Zahlen präsentieren, weil es ein anderes Ziel gab – ich spekuliere hier – nämlich die harten und einschneidenden Maßnahmen mit der notwendigen Menge Angst, Übertreibung und Unterlassung zu verkaufen bzw. zu rechtfertigen. Und das hat ja auch funktioniert, vielleicht zu gut wie wir jetzt sehen. Ich war sehr erstaunt wie schnell damals viele die absoluten und verzerrten Zahlen samt einseitiger Panikbegleitung schluckten. Dass es da nur an der Ausbildung hapert, bezweifle ich. Zwischen absolut, relativ und kumuliert (immer noch sehr “in” bei der Zählung der Toten) können die Verantwortlichen schon unterscheiden.

          • Ja, tatsächlich war es auch öfter so. Aber genau hier sieht man die Rolle bzw. Verantwortung der Medien. Am Dashboard gab’s ab 26. März 2020 relative Zahlen. Die Medien haben ein paar Wochen gebraucht. Eine Art Wendepunkt markiert Karl Nehammer in der ZiB2 bei Armin Wolf im April/Mai 2020. Irgendwann hatte es sogar Rudi Anschober kapiert (ich habe das alles dokumentiert) und auf Ö1 haben sie begonnen, Kontrapunkte zu den Originalzitaten der Politiker zu bringen. In der Zwischenzeit war’s natürlich notwendig, von der akkumulierten zu einer rollierenden Betrachtung zu wechseln. (…) Dass die AGES immer noch solchen Datenschrott (akkumulierte Testungen; nicht je Bundesland) zeigt, finde ich grob fahrlässig! Aber hier sieht man halt auch das Versagen der Medien, die das ja ‘mal hinterfragen hätten können. Denn das hat dazu geführt, dass jede*r ihre/seine eigenen Statistiken (für bestimmte Zwecke) macht und sich niemand mehr auskennt. Genau das öffnet Tür und Tor für (politische) Willkür …

  5. “Ich will schnell eine Lanze für den Journalismus brechen. Journalismus als Beruf, mit all seinen Regulativen, mit den Checks und Doublechecks – wir brauchen das, damit die Aluhüte nicht überhandnehmen” S.Scholl

    Ich traue es mich kaum sagen, aber ich bin mit dieser Dame (angeheiratet) verwandt. Und nun ist mir peinlich, dass auch sie die letzten 20 Jahre verschlafen hat. Diesen Journalismus gibt es heute kaum noch, nur noch in “Einzelfällen”. Der wurde durch Haltungs-Journalismus ersetzt, und der interessiert sich nicht mehr für Fakten.

    • Ich hätte auch erwartet, dass echter Journalismus ohne Totschlag”argumente” wie Aluhüte auskommt. die nächsten sind die Verschwörungstheoretiker, Corona-Leugner, Impfgegner und wenn es ganz schlimm kommt Anti-Semiten (siehe auch Abraham Melzer). Es ist schon schlimm genug, dass man beinahe jede Aussage beginnen muss mit: Ich bin kein ….

  6. @ Thomas Walach und Berufene!
    Pressefreiheit – ein geflügeltes Wort, was bedeutet es wirklich?
    Die, welche am lautesten danach schreien, verbreiten meist nur Unsinn und Kontrafaktisches, jene die “leise” sind, prüfen jedes Wort vor der Veröffentlichung drei mal, gehört werden sie aber kaum.
    Populisten berufen sich darauf, Autokraten auch, warum geht das durch?
    Warum kommen Reporter immer wieder zu Tode wenn sie ihre Arbeit machen, wieso duldet die Gesellschaft das?
    Pressefreiheit – ich kann dieser Wort nicht mehr einschätzen…☹️

  7. Die oszilliert zwischen dem Vertrauensmodell, über das wir gerade sprechen und einem Täuschungsvertrag, der lautet: „Ich spiele dir einen guten Politiker vor.“ Wir sind sogar enttäuscht, wenn Politiker das nicht einhalten, weil sie zu authentisch sind und gar nicht so wie wir es von einem Politiker gewohnt sind.

    Ja, was soll ich sagen. Also ich für meinen Teil bin Leuten gegenüber die ich der Lüge ertappe sehr direkt in der adequaten Bezeichnung und Wertung. Den paar erfahrungen in den “sozialen Medien” nach, sehen das so einige andere auch so. Um genau zu sein, fangen die an sich irgendwas auszuspinnen, was dann als Verschwörungstheorie gebrandmarkt wird, wenn sie erkennen, dass sie von vorne bis hinten belogen werden.

    Da kommen dann auch so verquere Sachen wie Coronaleugner dabei raus… denn wie heißt es im Deutschen so schön? “Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht”.

    Die Lüge ist kein legitimes Kommunikationsmittel.

  8. Wie verständigen wir uns miteinander? Wie bauen wir Beziehungen zueinander auf?

    Momentan, es ist der Standardmodus sich zum vermeintlichen Vorteil gegenseitig zu Belügen, zu Betrügen und zu Verkaufen. Wir wurden gut erzogen… im neoliberalen Sinne.

    • Authentizität ist leider nicht sehr gefragt heutzutage…die Menschen sind regelrecht überfordert damit….

  9. Das sind autoritäre Staaten mit leichtem demokratischem Zuckerguss drüber.

    Das was wir Demokratien nennen sind neoliberale Staaten mit demokratischem Zuckerguss. Und in neoliberlaen Staaten ist es mit dem Journalismus halt auch nicht viel besser bestellt als in autoritären Staaten. Ob das Interesse des Einen oder die interessen der Finanzaristokratie Staat und Medien bestimmen… beides liegt nicht im Sinne der Zivilgesellschaft, hat schon gar nichts mit der Selbstbestimmung dieser zu tun und ist somit per se undemokratisch. Also nein, die Demokratien sind schon seit den 60ern im Rückzug nur die Lügen waren bis zur Finanzkrise im Vormarsch. Seit der Finanzkrise sind sie halt offensichtlich nicht mehr haltbar weswegen sich manche gar nicht mehr die Mühe machen den Schein zu wahren.
    Das wird auch der Vorteil autoritärer Staaten sein, man braucht nicht erst einen Dschungel von Lügen zu durchblicken um zu wissen woran man ist. Das hat wohl auch die Wahl Trumps recht attraktiv gemacht.

    • In der Sparte Meinungen finden sie hier noch den Kommentar von Daniel Wisser (Not a Bot) mit dem Titel “Meinten sie die Freiheit die ich meine” darin beschreibt er sehr gut diese Entwicklung. Sehr lesenswert falls sie ihn noch nicht kennen.

    • Dazu ergänzend passt, dass Parrhesia in einer Demokratie besonders schwierig ist. Michel Foucault erklärt das in seinem “Der Mut zur Wahrheit” und ich hatte lange gebraucht um zu verstehen, was er meint. Ein Diktator braucht jemanden, der ihm sagt, was ist …

  10. Wo in dieser Scheindiskussion ist der Kauf der Medien über Werbeeinschaltungen und ReGIERungspropaganda enthalten? Es ist menschlich nicht objektiv zu sein, aber das was in Österreich zur Zeit abgeht ist eher mit dem nordkoreanischen Modell der Medienfreiheit zu vergleichen. Abgesehen von der Pandemie Verdummung die Staatsmedial auf der ganzen Welt abläuft, kommt noch die mediale Arschküsserei der ReGIERungsparteien dazu. Darum Lügen und Lückenpresse!

  11. Wenn ich regierungstreu berichte, weil ich erhöhte Medienförderungen bekomme, kann man dann die Medientypen einsperren? Förderung einer kriminellen mafiösen Vereinigung?

  12. wenn die Presse frei ist was ist dann mit diesem Report, der “überall” ausser in allen Zeitungen steht ? es handelt sich um einen der größten Skandale , neben der europäischen Krux der Hilary Clinton , nämlich unsere ehrliche Ursula v.d. L

    kann ZACKZACK davon berichten ?

    https://unser-mitteleuropa.com/korruptionsskandal-in-bruessel-haben-impfstoffhersteller-die-eu-kommissarin-bestochen/

    lg an alle und nicht vergessen, der Staat braucht Geld :-)….. brav alles offiziell machen und wenn geht alles nur mit Rechnung…. ein Schelm gell der was anderes denkt

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