Mittwoch, April 24, 2024

»Die Nadel im Heuhaufen«

Das ist ein Unterüberschrift

Gernot Blümel lieferte Akten in Geheimhaltungsstufe 3. Was bedeutet das für die Arbeit der Mitarbeiter im Ibiza-Untersuchungsausschuss? “Reine Schikane” sagen sie.

Wien, 07. Mai 2021 | Die österreichische Informationssicherheitsverordnung kennt vier Geheimhaltungsstufen. Die dritte – “geheim” – ist für Staatsgeheimnisse reserviert. “Ein typisches Beispiel sind Namen und Decknamen von verdeckten Ermittlern, die sich gerade im Einsatz befinden”, erklärt ein erfahrener Mitarbeiter der SPÖ-Fraktion im Ibiza-Untersuchungsausschuss.

Finanzminister Gernot Blümel lieferte am Donnerstag, nachdem der Verfassungsgerichtshof Bundespräsident Alexander Van der Bellen ersucht hatte, die Lieferung durchzusetzen, mit einem Jahr Verspätung die geforderten Unterlagen. Das Finanzminsterium stufte sie in Bausch und Bogen als “geheim” ein. Es geht um 107 Aktenordner – etwa 33.000 Seiten insgesamt. Was bedeutet das für die Parlamentsmitarbeiter, die das Material sichten und die Abgeordneten auf Befragungen vorbereiten?

Sogar die Kartons sind geheim

Schon, indem das Finanzministerium die Akten von einer Logistikfirma liefern ließ, hat es mutmaßlich Gesetzesbruch begangen. Denn nicht sicherheitsüberprüfte Personen dürfen nicht einmal die Kartons sehen, in die Akten der Geheimhaltungsstufe 3 verpackt sind – so geheim ist “geheim”. Die Kartons hätten daher eigentlich in verschließbaren Außenbehältnissen geliefert werden müssen.

In der Parlamentsdirektion habe man gestern fieberhaft nach Tresoren gesucht, erzählte SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer bei einer Pressekonferenz am Freitag. Es gebe einfach nicht genug Platz für so viele Akten hoher Geheimhaltungsstufe. Die Stahlschränke in der Parlamentsdirektion seien für die Aufbewahrung so geheimen Materials nicht sicher genug.

Was ist nun so geheim an den ausgedruckten E-Mails, die Blümel am Donnerstag lieferte? “Ich darf es Ihnen nicht sagen”, erklärt der SPÖ-Mitarbeiter. Das Finanzministerium habe eine schriftliche Begründung mitgeliefert, aber selbst diese als “vertraulich” klassifiziert. Diese Einfstufung der Akten hält der SPÖ-Referent – wie seine Kollegen von NEOS und Grünen, mit denen ZackZack sprach, ist er Jurist – für absurd. Sinn der Sache sei, dass geheime Dokumente im Ausschuss ebenso geschützt würden wie im Ministerium selbst. Dass die 33.000 Seiten Mails im Finanzministerium selbst als Geheimdokumente behandelt wurden, sei nicht vorstellbar. Die Klassifizierung sei ihrer Ansicht nach “nicht rechtens”, erklärt die Grünen-Referentin. Andere Mails aus dem Finanzministerium, die bereits zuvor geliefert worden waren, hatten die Geheimhaltungsstufe 1 (“eingeschränkt”) erhalten. Warum die Mails auf einmal so geheim wären, sei nicht erklärbar.

Über die Akten darf nur im “Bunker” gesprochen werden

Geheime Akten dürfen nur in einem abhörsicheren Raum gelesen werden. Das Parlament verfügt aber nur über einen – eine Art Bunker unter der Rampe des Parlaments. Er ist gut 10 Quadratmeter groß, zwei Arbeitsplätze befinden sich darin – für alle Abgeordneten und Mitarbeiter zusammen. “Die Liste der Leute, die da rein wollen, ist lang,” sagt der SPÖ-Referent. Die Fraktionen müssen sich untereinander abstimmen, wer wann zum Lesen kommen darf. Ein NEOS-Mitarbeiter hat bereits begonnen, Akten zu sichten. Geheime Akten dürfen nicht verfielfältigt werden, nicht einmal Abschriften sind erlaubt. Die Abgeordneten und Mitarbeiter dürfen sich lediglich handschriftliche Notizen als Gedächtnisstützen machen. Die werden dann der Parlamentsdirektion übergeben, kopiert und mit Kopierschutz versehen wieder ausgehändigt. Die ursprünglichen Notizen werden vernichtet. “und die ganze Zeit steht ein Sicherheitmann hinter dir”, erzählt der NEOS-Referent.

Wer über den Inhalt dieser Geheimakten spricht, kann bis zu drei Jahre hinter Gittern landen. Nur mit anderen Personen mit gleich hoher Sicherheitseinstufung darf geredet werden – allerdings wiederum nur im abhörsicheren Raum. Wie tauscht man sich dann aus, wie werden Abgeordnete vorbereitet? “Na gar nicht”, erklärt der SPÖ-Mitarbeiter. Außerhalb des “Bunkers” im Parlament dürfe er nicht einmal mit den Abgeordneten im Ausschuss über den Inhalt der Akten reden. Und natürlich darf auch im Ausschuss selbst vor Medienvertretern nicht über geheime Dokumente gesprochen werden.

Befragungen von Auskunftspersonen auf Basis geheimer Akten seien schon allein deshalb de facto unmöglich, weil man sich darüber nicht absprechen könne, erklärt die Grünen-Referentin. Im Ibiza-Ausschuss habe es daher auch noch keinen solchen Fall gegeben. Mit restriktiver Klassifizierung der gelieferten Akten habe sie gerechnet – nicht aber damit, dass eine solche Menge an Dokumenten als “geheim” eingestuft werde.

Zeit schinden

“Es ist unzumutbar,” findet der NEOS-Referent. “Ich habe heute acht Ordner geschafft, dann war ich fertig und konnte nicht mehr. Die Akten sind nicht geordnet, es gibt kein Inhaltsverzeichnis.” Man fange einfach irgendwo an, ohne zu wissen, was im Ordner enthalten sei und ob das überhaupt relevant sein könnte. Brauche man eine bestimmte Passage im Wortlaut, bleibe nur, sie auswendig zu lernen. Eine erste Durchsicht zeige: Da sei viel “belangloses Zeug” dabei. Der NEOS-Mitarbeiter vermutet, Blümel könnte die “Nadel im Heuhaufen” verstecken wollen.

Damit könne man schon fertig werden, hätte man unbegrenzt Zeit, sagt sein SPÖ-Kollege. Doch der letztmögliche Befragungstermin im Ausschuss ist der 15. Juli. Danach kann er nur noch mit Stimmen aus der Regierungsmehrheit verlängert werden – für die Grünen wäre das Koalitionsbruch. Der SPÖ-Referent vermutet, dass es Blümel darum ginge, Zeit zu schinden, sodass die Inhalte der Akten niht rechtzeitig ausgewertet werden könnten. “Es ist reine Schikane”, sagt er.

In zwei Monaten könne es vielleicht machbar sein, alle Akten wenigstens einmal zu sichten, schätzt der NEOS-Mitarbeiter. Dann bliebe allerdings keine Zeit mehr, Befragungen vorzubereiten. Seine Kollegin von den Grünen hält das für optimistisch. “Zwei Monate könnten sich vielleicht ausgehen, müssten wir uns nicht beim Lesen abwechseln.” Doch so werde es bestenfalls “sehr schwierig”.

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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63 Kommentare

  1. Nach dieser Farce müsste sich der Bundespräsident VDB einschalten wie er es versprochen hat.
    Niemand steht über der Verfassung ..
    Er hat nicht geliefert was verlangt wurde.
    Bei einer Hausdurchsuchung des BMF gäbe es diese Geheimhaltungsstufe nicht u auf den Festplatten kann man sich sicherer sein das nichts manipuliert wurde.

  2. Hallo ihr im UA?
    Türkis Grün spielt falsch und unlauter?
    Veröffentlicht die Kacke von denen und a Körberlgeld fürs drucken und Ruhe ist im Karton.
    Lasst euch von denen nicht so vorführen wie ein Tanzbär, oder wollt ihr den Mutter Theresapreis gewinnen?
    Die bekommst nur noch mit ihren eigenen Mitteln von der Leitplanke des Gesetzes weg. Die haben alles gebrochen was nur geht, …die wollen euch alt aussehen lassen, damit das Volk glaubt ihr seid Pfeifen.

    Holt euch die Computer. “Zugriff” ist das Wort der Stunde. Dann sche….halt mal auf Rechtsstaatlichkeit, wie diese B….!

    Also, Ärmel hoch und rein in den Ring, seids doch nit solche Warmduscher.
    Die verarschen, verhöhnen unsere Demokratie und Bevölkerung. Setzt halt mal andere rechtsstaatliche Geschütze ein!
    Oder muss der Ösi das wieder selber richten weil die euch an der Nase herumführen?

    • ic befürchte, die Katen befinden sich in einem Raum, aus dem diese nicht rausgenommen werden können, ohne das es Sobotka sofort weiss und es verhindert mittels Security !

  3. guter Trick, Problem-mails bearbeitet ausdrucken, keine Möglichkeit zu prüfen wie das Original aussah !

    Wie blöd sind den alle ? Beim Hump der nicht mal sein Smartphone bedienen kann läuten höchstens die Aschenbecher , aber keine Ahnung das mit Papierform ein Teil der Info, die Metadaten , weg sind.

    Es wurde hier massivst betrogen !!! Unter Vorsatz.
    Entspricht somit nicht der Forderung, zu liefern !

    Die Art und Weise wie geliefert wurde reicht doch um eine kriminelle Vereinigung reinzubasteln !!!!!!!!!!!????

    Pickt ein paar Mitarbeiter heraus und geht eine Cooperation ein, so schmierig wie geht, um die Wahrheit zu erfahren ! Dieses türkise Kartenhaus MUSS FALLEN !

    • die würde Schmitd gleich finden ………. ein Schelm gell der……

  4. Eines ist mir nicht klar: Blümel ist doch verpflichtet, die gesamte Korrespondenz herauszugeben, oder?

    Diese wird auch im Finanzministerium sicherlich fast ausschließlich per Computer, also elektronisch, durchgeführt.
    Also muss er doch verpflichtet sein, diese in elektronischer Form zu liefern.

    Warum lässt der UA sich so foppen und besteht nicht auf die Aushändigung der Akten bzw. Daten in elektronischer Form?

    • weil die OVP damit spekuliert, denn jedes Nachfordern bewirkt : Zirkus von vorne,VfGH , Hump, USW, und die Zeit, die rinnt weg !

  5. Rechtsstaatlichkeit hat wohl schon immer bedeutet, dass der mit mehr Ressourcen am Schluss meist gewinnt.
    Es gibt immer irgendwo ein Schlupfloch.
    Ich denke mit einer narzisstischen Ausrichtung sieht man sich ja sowieso im Recht.
    Ich hoffe die Geduld der Österreicher reicht noch ein wenig länger und der Schaden hält sich in Grenzen…

  6. Jetzt einmal offen gesagt:
    Wen interessiert das Geschwafel der türkisen über Geheimhaltung und Stufe 3??

    Nachdem es für Türkis auch keine Gesetz und keine Verfassung gibt …. hey …. türkis, eure geheimhaltungsstufe 3 könnt ihr euch in eure Anusse stecken !

    An den u- Ausschuss: an die Öffentlichkeit mit den schmutzpapieren! Auf geht’s!

    • so ist es richtig, Papiere online stellen. Fakten sind dann bekannt egal was nachträglich juristisch befunden wird es kann nicht gestoppt werden , das die Wahrheit ans Licht kommt !

      Ist es eigentlich nicht möglich , zusätzlich Personal zu vereidigen um Akten zu sichten ? Es kann doch nicht möglich sein, das man einfach rechnerisch so viele Akten liefert, das personaltechnisch dies bis Terminende des UA nicht bewältigbar ist ?!?!

  7. … es ist so grauslich, könnte nur noch heulen, mir gehen schon die Taschentücher aus, muss schon zu Klopapier wechseln….
    Jan Krainer: Ein Minister der sich so verhält ist untragbar…

    • Na klar. Der war mir bei seiner Wahl schon unsympatisch. War halt ein Bauchgefühl, …es hat mich wieder nicht getäuscht.

  8. Danke für das Stimmungsbild.

    Denn da wird einem erst richtig klar, was dieser Fopp wirklich bedeutet. Es ist eine perfide Aushebelung des Rechtsstaats. Alles wird versucht, um sich der Verantwortung zu entziehen. Es ist eine politische Verantwortung, die sie haben. Sie haben auf die Verfassung einen Eid abgeleistet. Was Blümel macht, ist gegen den Eid, den sie abgelegt haben.

    Wenn sich die mit den 240 Millionen neuem Propagandabudget halten, haben wir bald eine klerikalfaschistische Diktatur.

    • Es ist was es ist sagt der Verstand. Ein rechter Putsch sagt die Logik.

  9. Darauf wird es hinauslaufen: Man liefert erst vor der Exekution kistenweise Material, erschwert dessen Auswertung massiv und freut sich, dass der Untersuchungsausschuss in absehbarer Zeit enden wird. So kann man auch den Untersuchungsausschuss ad absurdum führen.

  10. flood the zone with shit
    nach diesem motto agiert diese regierung.

    mit der schriftlichen lieferung wird auch verhindert, dass man eventuelle löschungen eruieren kann und es wird verhindert, die metadaten zu kontrollieren.
    nur die papierform zu liefern ist bereits eine unterschlagung von beweismaterial.

    Diese türkise ÖVP befindet sich in der amoralischen Kontinuität ihrer Vorgängerpartei. Die Saat des Dollfus-Faschismus der katholisch-faschistischen Diktatur geht wieder auf.

    https://www.hagerhard.at/blog/2021/05/finanzminister-wegen-korruptionsvorwuerfen-festgenommen/

  11. Wir brauchen wie im deutschen Grundgesetz ein Widerstandsrecht in der Verfassung. “Wer es unternimmt die Verfassungsmäßige Ordnung….”

    • Ja, das ist es. Genau das muss her. Boah.. Mir wird schon Angst, wenn ich mir vorstelle, dass sie damit durchkommen.

      • Gott sei dank braucht es das Widerstandsrecht nicht. Konkret hat die Zivilgesellschaft keinen Anlass sich an irgendwas zu halten wenn wir uns in einem rechtsfreien Raum bewegen. Wenn die Verfassung jetzt direkt durch Außerkraftsetzung oder indirekt durch Mißachtung außer Kraft gesetzt wird ist es im Grunde legitim mit den Galgen in Wien aufzumarschieren.

        Was die liebe Regierung nicht versteht, der Schuss kann sehr schnell nach hinten losgehen. Die Verfassung ist momentan das einzige was sie noch effektiv schützt, diese außer Kraft zu setzen bedeutet für sie, dass sie Angst vor der Zivilgesellschaft haben müssen wenn sich diese wehrt.

  12. Eine totale Verarsche…..
    Grüne!!! Aufstehen….. aber bitte bald.
    VDB! Zeigen Sie uns bitte warum wir Sie gewählt haben.

    • Sie warten leider umsonst. Die Grünen rund um Alki und Maurer sind unbelehrbar, weil die Gedanken an die Futter-Tröge einfach stärker sind.

  13. Tja, hätts der van der Bellen via Beweismittelsicherung von der Wksta holen lassen wär vermutlich nix davon geheim. Das sind alle Verbrecher die sich gegenseitig decken. Die Türkisen wie die Grünen. Vielleicht kanns ja wirklich nur mehr der Böhmermann reparieren.

    • Habe die Sendung eben angesehen. Der Böhmermann hat eine kompakte Zusammenfassung der bei uns schon bekannten Grauslichkeiten der Türkisen gebracht, es wurde nichts Neues aufgedeckt.

  14. Einst hatte man Respekt und Achtung vor „Würdenträgern“, heute muss man sich fragen, was die Träger tragen.

  15. Da Blüme und da Sobal huckn sicha beinaund und lochn si schief….hoffetlich vagäht eahna heit um ochte is lochn……I hoff aufn Böhmermann

  16. Moment : Doch der letztmögliche Befragungstermin im Ausschuss ist der 15. Juli. Danach kann er nur noch mit Stimmen aus der Regierungsmehrheit verlängert werden – für die Grünen wäre das Koalitionsbruch………………..ich denke die Rechnung ohne Maurer gemacht. Hier hätte man den Finanzminister abdrehen müssen, aber Maurer sieht kein Problem ohne Weitblick auf die taktische Idee im Hintergrund der Aktion.
    WIESO IST DER NICHT IN HAFT? WIESO geht der noch frei ??????

    Es gibt Möglichkeiten, die Akten nach ” aussen ” zur analyse zu bringen 🙂

    • kein Problem, werde ich 1 : 1 umsetzen ! Fordere jeden Bürger auf, alles brav mit Rechnung zu machen in Zukunft 🙂

    • Dass ich als 68er das noch erleben muss.
      Die geören einmal ordentlich gefotzt.

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