Donnerstag, März 28, 2024

»Gaffen tötet« – Rettungssanitäter wollen Schaulustige abschrecken

Rettungssanitäter wollen Schaulustige abschrecken

Immer wieder behindern Schaulustige die Arbeit von Rettungskräften. Die Johanniter wollen Aufnahmen von Unfällen künftig verhindern – mit einem speziellen QR-Code auf ihren Fahrzeugen. In Berlin soll das Projekt getestet werden. ZackZack hat mit dem Landesvorstand gesprochen.

 

Berlin, 07. Mai 2021 | “Gaffen tötet” – diese Botschaft soll künftig auf den Smartphones von Schaulustigen erscheinen, wenn sie Unfalleinsätze der Johanniter-Unfall-Hilfe fotografieren wollen. Möglich soll das durch einen technischen Trick gemacht werden: QR-Codes an den Rettungsfahrzeugen oder an der Ausrüstung der Retterinnen lösen auf den Smartphones von fotografierenden “Gaffern” einen Warnhinweis aus.

Foto: Screenshot Video Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.

Die Johanniter haben die Idee einer Werbeagentur aufgegriffen und setzen diese derzeit in einem Pilot-Projekt um. Ziel sei es, Aufmerksamkeit für das Thema “Gaffen am Unfallort” zu schaffen. Die Aktion soll von den Johannitern erstmals im Projektraum Berlin in den nächsten Monaten ausgetestet werden. ZackZack hat mit dem Rettungsassistenten und Landesvorstand der Johanniter-Unfall-Hilfe im Landesverband Berlin/Brandenburg, David Kreuziger, über die Aktion gesprochen.

“Es entscheiden wenige Minuten über Leben und Tot”

ZackZack: Wie kam es zu der Idee, QR-Codes auf Rettungswägen zu kleben?

David Kreuziger: Immer wieder kommt es vor, dass die Arbeit unserer Rettungskräfte durch Schaulustige behindert wird. Das muss sich ändern, denn oft entscheiden schon wenige Minuten über Leben oder Tod. Wenn Menschen meinen, Sie müssen am Einsatzort aufnehmen oder Fotos machen, können wir Sie durch den QR-Code darauf hinweisen, dass das eigentlich verboten ist.

ZackZack: Können die Seitenaufrufe der QR-Codes ausgewertet und nachverfolgt werden?

David Kreuziger: Die Seitenaufrufe können, wie bei jeder Internetseite, sicher mitgezählt werden – wir wollen hiermit jedoch nicht die Aufgabe der Polizei oder der Staatsanwaltschaft übernehmen. Das ist auch eine Sorge und Kritik, die schon da war. Aber wir haben einfach das Problem, dass uns Menschen bei unserer Arbeit hindern. Momentan müssen wir sie auch konkret ansprechen. Das hält uns von unserer eigentlichen Arbeit ab. Das wollen wir durch den QR-Code einigermaßen automatisieren, sodass der die Menschen für uns darauf hinweist. Wir hoffen, dass der Apell auch ankommt und verstanden wird.

ZackZack: Glauben Sie, die Arbeit der Rettungskräfte wird durch die Gaffer von außen bewertet und erschwert?

David Kreuziger: Ja, das ist ein riesen Problem. Auch wenn die Rettungskräfte Profis sind, arbeiten sie oftmals in Ausnahmesituationen, gerade bei schweren Ereignissen mit schwerstverletzen oder teilweise auch toten Menschen. Da können sie es nicht gebrauchen, dass irgendjemand mit einer Kamera daneben steht und hinterher noch sagt ‘Das und das hättest du aber noch besser machen können’. Die machen alle einen unglaublich guten Job, haben dann aber währenddessen noch im Hinterkopf, dabei bewertet zu werden. Selbst der abgehärtetste Rettungssanitäter ist am Ende nur ein Mensch.

ZackZack: Es gibt ja auch Situationen, wo es teilweise hilfreich sein kann, wenn Menschen mit ihrem Handy aufnehmen – Stichwort Polizweigewalt. Wie stehen Sie dazu?

David Kreuziger: Da bin ich auch völlig bei Ihnen. Das Projekt soll auf gar keinen Fall ein Instrument sein, um einen blinden Fleck zu schaffen. Dennoch gibt es einfach, auch auf Seiten der Polizei, keine Ressourcen, sich vor allem bei Unfällen um Gaffer zu kümmern.

Letztendlich ist uns aber am wichtigsten, dass die Privatsphäre des Betroffenen nicht gestört wird. Da muss man sich auch mal überlegen: Was wäre, wenn ich da liegen würde und gefilmt werden würde? Ich glaube, das finden die wenigsten Leute lustig und gut.

ZackZack: Glauben Sie auch Menschen bei größeren Unfällen, wie zum Beispiel auf der Autobahn, mit dem QR-Code sensibiliseren zu können?

David Kreuziger: Wie oft passieren auf der Autobahn Folgeunfälle, weil die Leute bei Unfällen auf der Autobahn aus ihrem Auto steigen, um zu schauen, was weiter vorne passiert ist? Sie versperren damit den Rettungskräften den Rettungsweg, was einige Leben kosten kann. Auch da wollen wir natürlich eine Wirkung erzielen.

Wenn wir an vielen Stellen einen kleinen Effekt erreichen, dann ist es in Summe ein großer Erfolg.

ZackZack: Danke für das Gespräch!

Titelbild: APA Picturedesk

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9 Kommentare

  1. Die Medien sind die gößten Gaffer und machen Geld damit. Hinzu kommt noch, dass sie versuchen, die anderen Menschen zu diffamieren. Man hört dem Notrufkanal mit, damit man der erste Redakteur am Schauplatz ist und die besten Bilder bekommt.

  2. ….. vielleicht könnte eine allgemeine Ersthelferausbildung, im Umfang von 20 Stunden, nützlich sein.
    “Auffrischung” alle 5 Jahre….
    Das hätte, meiner Ansicht nach, ziemlich viele Vorteile.

  3. Liebe Frau Zander, haben Sie in diesem Zusammenhang auch an das Problem der Gewalt gegen Frauen und dem kollektiven Wegschauen gedacht bzw. planen Sie in dieser Richtung auch weitere so interessante Artikel?

    Anstatt jetzt selbst wieder “unendliche” Posts zu schreiben zitiere ich aus Arno Gruens “Der Verlust des Mitgefühls: Über die Politik der Gleichgültigkeit”: “In Liverpool entführen zwei elfjährige Jungen einen Zweijährigen und ermorden ihn. Die Tat hätte verhindert werden können, wenn Passanten, die die Schreie des Kindes hörten, eingegriffen hätten. Durch ihr Nichthandeln stellen sie sich auf die Seite der Mörder und Entführer. / Um unser Mitgefühl ist es schlecht bestellt. Woran liegt das?”

  4. Wer ein Unfallopfer fotografiert oder filmt gehört nicht nur ordentlich bestraft sondern darüber hinaus in psychologische Behandlung, weil so etwas zu tun ist nicht normal.

    • “Normal” ist es durch beobachten zu lernen um eigene Fehler zu vermeiden. So macht es sogar die Evolution. Wegsehen und nichts aus den Fehlern anderer zu lernen ist Hingegen “Abnormal”. Wenn ich sehe wie sich jemand in seiner eigenen Blutlacke vor schmerzen am Boden windet und brüllt, dann erinnere ich mich vielleicht daran, wenn ich es wieder mal eilig habe und noch schnell bei rot über den Zebrastreifen drüber wil. In psychologische Behandlung gehören Realitätsverweigerer …

      • Wenn man etwas Schreckliches sieht schaut jeder automatisch hin. Aber das ganze zu fotografieren oder zu filmen ist eine Verharmlosung. Aus einem brutalen, lebensnahen Ereignis das jedem von uns passieren kann wird ein spannendes Abenteuer/Event. Auch das ist eine Art der Realitätsverweigerung. Und zur Prävention bestimmt nicht hilfreich.

        • Die Zeiten ändern/änderten sich mit den Möglichkeiten. Es ist normal geworden jede Scheiße die weltweit passiert von den Medien live übertragen präsentiert zu bekommen. Da braucht sich niemand darüber aufzuplustern, wenn auch der kleine Mann seinen Beitrag dazu leistet. Und die Scheinheiligkeit der Medien irgendwelche Szenen nicht zu bringen, wird von der Presseförderung aufgefressen, die für Wunschberichterstattung genommen wird. Da sind mir unzensurierte “no comment” Bilder am Allerwertesten noch lieber …

          • Erinnere mich noch sehr gut an die Bilder von den in Parndorf im Laster erstickten Flüchtlingen in der Krone. Damals wurde eine Grenze überschritten. Meine Mutter hat damals auf meine Warnung hin die Zeitung weggeschmissen ohne hineinzusehen….

    • Reproter und Journalisten machen das jeden Tag auf der ganzen Welt.

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