Donnerstag, März 28, 2024

Not a Bot – Zerkleinern wäre sehr lieb

Zerkleinern wäre sehr lieb

Jeden Samstag kommentiert Schriftsteller Daniel Wisser an dieser Stelle das politische Geschehen. Dabei kann es durchaus menscheln – it’s a feature, not a bug!

Am Donnerstag werden bei mir im Haus die Altpapiercontainer entleert. Aufgrund der Bestelleritis haben wir nun einen weiteren Container bekommen. Seit Wochen steht ein riesiger Ikea-Karton davor. Er wird jeden Donnerstag zur Seite gestellt, die Container mit dem roten Deckel werden entleert und zurückgebracht und der Ikea-Karton wieder davor aufgepflanzt.

Es ist eine Frage der Nerven. Eine Mitbewohnerin hat auf diesen Ikea-Karton mit einem dicken Edding ZERKLEINERN WÄRE SEHR LIEB! geschrieben. Ich habe ihre Botschaft mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Bewirkt hat sie nichts. Am Donnerstag war es so weit: Sehr früh morgens, sodass ich unbemerkt bleiben konnte, nahm ich mein Stanleymesser, ging hinunter, zerschnitt den Ikea-Karton und steckte die Teile in den Container. Leider erwischte mich doch ein Mitbewohner. Er blieb kurz stehen, seufzte und sagte nur: »Super, dass Sie das machen; ich habe es mir nämlich auch schon überlegt.«

Demokratischer Konsens

Knapp vor dem Alter von fünfzig Jahren bin ich also dort angekommen, wo ich nie hinwollte: Ich habe die Blockwart-Mentalität angenommen, die ich bei anderen immer furchtbar gefunden habe. Ich kümmere mich um Dinge, die mich nichts angehen. Ich wollte, dass der verdammte Ikea-Karton nach Wochen endlich verschwindet. Übrig bleibt dennoch nichts anderes als ein schlechtes Gewissen und die Scham darüber, dass eigentlich alles schiefgelaufen ist.

Die Demokratie ist eine vertrackte Sache. Sie besteht nicht nur aus einer Verfassung und dem Vor-Sich-Hin-Werken ihrer drei Gewalten. Sie fußt auf einer ungeschriebenen und nicht so einfach zu definierenden Übereinkunft: dem demokratischen Konsens. Schlimmer noch als seine Ungreifbarkeit ist die Tatsache, dass eine Verletzung des demokratischen Konsens keine Konsequenzen nach sich zieht.

Gilt nicht für mich

Wir begreifen diese Konsequenzlosigkeit als Schwäche. Der, der den Ikea-Karton unzerschnitten hinstellt, ist der coole Hund. Die Arbeit der Entsorgung trägt irgendjemand anderer. Das ist die eine Sicht. Die andere ist: Der Ikea-Karton-Absteller ist ein Arschloch. Die Gesellschaft funktioniert aber trotz des Arschlochs. Und das ist die Stärke des Konsens, dass seine Breite uns ein gesellschaftliches Dasein ermöglicht, das weitgehend friedlich ist.

Verletzungen des demokratischen Konsens hat es hie und da immer gegeben. Erst Jörg Haider hat sie zum System gemacht. Konsequent hat er den langjährigen Usus dieser Republik gebrochen. Unaufhörlich hat er Menschen persönlich und pauschal diffamiert, nur um selbst mit einem Heer von Rechtsanwälten gegen jedermann vor Gericht zu ziehen, der dasselbe tat. In dieser Denkweise liegt einer der Wesenszüge autoritärer Herrschaft: Was für dich gilt, gilt nicht für mich! Wo sich dieser Grundsatz etabliert, kann es keine Demokratie geben.

Auf dem Rücken der Bevölkerung

Just der Verfassungsjurist Dr. Jörg Haider weigerte sich vor etwa fünfzehn Jahren, die Ortstafel-Erkenntnis vom 28. Dezember 2006 verfassungsgemäß kundzumachen. Der Verfassungsgerichtshof drohte mit einem Exekutionsantrag beim Bundespräsidenten. Haider gab nach und schickte seinen besten Mann Stefan Petzner, um öffentlich einzuknicken und die Angelegenheit als künstliche Aufregung abzutun.

Sebastian Kurz und Gernot Blümel haben in Haider ihr Vorbild, sie gehen aber noch weiter. Das liegt nicht daran, dass ihre Bildung und ihr intellektuelles Niveau unter dem von Jörg Haider liegen. Sie spielen ein Spiel, indem sie die Spanne des Gilt-Nicht-Für-Mich weiter ausreizen wollen. Wie man ihre Defizite psychologisch erklärt, ist die eine Sache. Dass sie ihre autoritären Kinderträume auf dem Rücken der ganzen Bevölkerung austragen, ist die schwerwiegende Sache.

Ein Feind der Demokratie

Ein Mann wie Gernot Blümel hat im Finanzministerium nichts verloren, nicht einmal als kleinster Beamter; und das nicht, weil seine Machenschaften erst auf ihre Legalität hin überprüft werden müssen, sondern weil er fachlich nicht geeignet ist. Das weiß jede und jeder in diesem Land. Dazu schickt er uns aber eine Botschaft, die der Demokratie schwer schadet. Millionen von Steuerzahler*innen finanzieren diesen Staat und damit auch das Gehalt Blümels durch ihre Abgaben. Sie müssen Fristen einhalten und haben oft wegen kleiner Unstimmigkeiten Schwierigkeiten. Sie alle werden durch das Verhalten des Ministers verarscht.

Gernot Blümel ist ein Ikea-Karton-Absteller. Andere müssen hinter ihm aufräumen. Es wird Zeit, dass aufgeräumt wird. Aufgeräumt mit dem System Sebastian Kurz, das an allen Ecken dieser Republik die Verarschung derer, die den Staat tragen, betreibt. Und es wird Zeit, dass sich die Partei der Grünen überlegt, warum sie einem Feind der Demokratie im Nationalrat das Vertrauen gibt. Das ist für diese Partei, die einst angetreten war, um die Demokratie zu beleben und zu erneuern, eine desaströse Haltung, die ihre Grundsätze zerstört und daher mit Koalitionstreue nicht zu rechtfertigen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich früh morgens mit dem Stanleymesser im Haus herumschleiche. Ich könnte mich aber auch fragen: Warum ich? Wie lange wäre der Ikea-Karton herumgestanden? Monate? Jahre?

Wann zurücktritt Gernot?

Die Zeit ist gekommen, dass das Volk sein Recht verlangt. Das ist vielleicht altmodisch oder uncool. Es ist aber sein Recht. Und jene, die am meisten vom Recht sprechen (nämlich die Regierung Kurz), werden wohl dafür Verständnis haben. Gernot Blümel hat die Möglichkeit, die Angelegenheit im Rahmen des politischen Konsens zu klären. Er könnte zurücktreten und die Politik hinter sich lassen.

Gernot Blümel verarscht euch! Lasst euch nicht verarschen! Zerkleinert ihn! Danke ❤️

Titelbild: APA Picturedesk

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15 Kommentare

  1. Herr Wisser, es ehrt Sie, daß Sie die Zerkleinerung vorgenommen haben.
    Aber eine Alternative hätte mir besser gefallen – die Müllmänner zum Mitnehmen des Kartons zu bewegen – das ist nämlich ihr gut bezahlter Auftrag.
    Der 1.Entsorger hat vll +cool gedacht – der Karton könnte den Container überfüllen – und ist verreist?

    So wie die Müllmänner die richtigen für die 2.Entsorgung sind, so sind es Judikative und Exekutive für die Einhaltung der Gesetze bzw für die Entfernung von Gesetzesbrechern aus ihren öffentlichen Ämtern.
    Ebenso dürfen wir die betroffenen, geschädigten Bürger mit den übrigen Hausbewohnern vergleichen, die anstelle der Müllmänner – Staatsanwälte, Gerichte und eventuell auch AvdB – dazu auffordern, den Rechtsstaat aufrecht zu erhalten oder zu reparieren.

    Würden wir Bürger Österreichs diese Aufgabe nämlich – wie Sie mit dem Stanleymesser – selber übernehmen, endete das mit Gewalt, Mord, Totschlag, Lynchjustiz.
    Das sollten wir unbedingt vermeiden!

    • Wir sollten aber auch als Bürger unsere Verantwotung nicht an die Müllabfuhr abschieben!
      In jeder Wahl liegt auch die Verantwortung, bei jedem einzelnen von uns, nicht die Demokratie in der Mülltonne zu entsorgen, sondern den Müll, den wir bei der letzten Wahl auch, wie bei Amazon, bestellt haben!

      • .. da bin ich wohl nicht ganz durchgedrungen – das Gewaltmonopol direkt auszuüben, wäre wohl nur als allerletzte Option zu ziehen ;-(

  2. Danke Herr Wisser, dass Sie die Wahrheit über den unzumutbaren Blümel so klar aussprechen.

    Ein Mann mit dieser Einstellung wie Blümel, hat in einer Politik nach rechtsstaatlichen Prinzipien nichts verloren.

    Dieser provokante Nichtskönner sollte nach Ungarn abgeschoben werden, dort findet er die gleichen Demokratie – Verachter vor.

  3. Der Punkt ist, dass es sich in unserem Fall nicht bloß um 1 (einen) Karton handelt.
    Sondern um zweihundertvier (204) Kartons.
    Mit vielen Hunderttausenden von gedruckten Buchstaben drin.
    (Möglicherweise auch vielen fehlenden Buchstaben?)

    Weil es geheimgesprochene Kartons sind, die der Blümel da hat expressliefern lassen.

    Und dies wiederum, sollte man meinen, müsste dem Herrn Bundespräsidenten zu denken geben.
    Möglicherweise sogar – möglicherweise!! – sogar zu weiterem Handeln.
    Zu weiterem raschen Handeln.

    Denn mit Ende des Untersuchungsauschusses sind es bloß 204 Kartons Altpapier.

  4. An dem Karton den uns die NVP da hingestellt hat muss ganz Österreich beim Zerkleinern mithelfen.
    Aber das wird…. leider…. dauern.

  5. also ich find so unzerkleinerte kartons bei den mistkübeln auch lästig und vom absteller gar nicht cool, sondern als rücksichtslos.
    zweitens möcht ich dazu sagen, dass es früher einmal hausmeister*innen gegeben hat (meine mutter war so eine), die drauf gschaut haben, dass alles seine ordnung hat und es wegen solcher sachen nicht zu reibereien gekommen ist. abgeschafft unter der 1. schwarz/blauen regierung. einer der vielen fehler und der beginn des “verfalls”.

    was ich mir zum finanzminister denk – da denk ich mir auch was – könnt ihr hier lesen:

    https://www.hagerhard.at/blog/2021/05/finanzminister-wegen-korruptionsvorwuerfen-festgenommen/

    • In unserem Fall heißt der Hausmeister Van der Bellen, die von ihm geleitete Hausverwaltung ist aufgerufen die Ordnung, unseren Rechtsstaat wieder herzustellen.
      Die gesamte Familie erweist sich als asozial, korrupt und unwürdig, unsere Haus zu bewohnen!

      Daher ist diesen berechnenden Mietnomaden die Kündigung auszusprechen.
      Unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen sowie der Rechte aller Mieter ist die Delogierung
      unverzüglich einzuleiten!

      • .. schauen wir einmal ein wenig anders drauf:
        1. vereinfacht leben alle in Eigentumswohnungen,
        2. der BP ist der Chef der Hausverwaltung, die von uns bezahlt wird,
        3. der BK ist der Chef der ausführenden Organe der Hausverwaltung,
        4. im Sinne der bestehenden Regeln ist auch der Müll von den ausführenden Organen zu entsorgen,
        5. im Fall nicht erbrachter Leistung erfolgt eine Reklamation bzw keine Bezahlung,
        6. im wiederholten Fall nicht erbrachter Leistung – Reklamation – verweigerter Bezahlung, erfolgt die Kündigung des Vertrages mit der Hausverwaltung.
        7. Die Auswahlkriterien für “eine neue Hausverwaltung” verschärfen sich nach jeder Kündigung deutlich.

  6. Sigrid Maurer bezeichnete gestern Blümels Verhalten im Zib1 Interview wörtlich als “peinlich”. In die Kamera schauen konnte sie dabei nicht. Offenbar war es ihr selber “peinlich” dass sie die Zersetzung der Demokratie deckt. Es gibt wenige Leute im Land vor denen ich so wenig Achtung habe wie vor Frau Maurer😒

      • Berufspolitikerin, austauschbar, man könnte sie bei jeder Partei engagieren.

        • Ich hab’s eh schon mal geschrieben. Ihr Rauswurf aus dem Parlament war schon richtig. Sie hätte nicht zurückkommen dürfen.
          Das gleiche gilt für Kurz. Wen das Vertrauen durchs Parlament entzogen wird, dürfte meiner bescheidenen Meinung nach, nicht mehr kanditieren.

    • Betrifft mE die gesamte Partei: Man muss schon sehr daneben sein, den Bruch eines Verfassungsgesetzes durch einen auf die Verfassung vereidigten Minister als “peinlich, aber keinen Rücktrittsgrund” zu bezeichnen. Das könnte man dann bei nationalsozialistischer Wiederbetätigung auch sagen.

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