Donnerstag, März 28, 2024

Tirol: Wo die Partei alles gibt

Gastkommentar von Sebastian Reinfeldt

Es lebe mein guter Kaiser Franz. Mit ihm das Land Tirol! Diese Anrufung des Kaisers findet sich bis heute in der aktuellen Tiroler Landeshymne. Sebastian Reinfeldt meint in seinem Kommentar zur Tiroler Politik, dass das gute alte Lied von der Partei als Hymne passender wäre.

 

Wien, 11. Mai 2021 | “Sie hat uns alles gegeben, Sonne und Wind, und sie geizte nie,” heißt es im „Lied von der Partei“, verfasst vom deutschsprachigen böhmischen Schriftsteller Louis Fürnberg. Dieses Lob an eine umfassende Partei, die in allen Kapillaren der Gesellschaft vertreten ist und dort das Leben der Menschen regelt, war vom Verfasser wohl anderes gemeint, als es dann verwendet wurde. Es gilt jedenfalls als Loblied auf eine stalinistische Parteiherrschaft: “Wo sie war, war das Leben, was wir sind, sind wir durch sie. Sie hat uns niemals verlassen. Fror auch die Welt, uns war warm.” Sie, das ist die Partei.

Wenn es um Tirol geht, so hat man den Eindruck, dass sich die Regierungspartei ÖVP quasi alles erlauben kann, weil sie mit den Institutionen des Landes in eins geht. Im politischen Krisenfall werden einfach Personen ausgetauscht, und es geht im selben Stiefel weiter wie zuvor. So hat der Bericht der Rohrer-Untersuchungskommission zu Ischgl 35 Empfehlungen unterbreitet, wie die Krisenbewältigung verbessert werden kann. Umgesetzt wurden sie nicht. Noch nicht einmal Personal hat man deswegen ausgetauscht. Der zurückgetretene Bernhard Tilg gilt hier nicht, denn der ehemalige Gesundheitslandesrat war mit Pandemiebekämpfung in Ischgl niemals befasst. Platter hat ihn im März 2020 nur zum Abgeschlachtet-Werden in die ZiB2 geschickt. Das Werden der Testaffäre ist ein Ausfluss dieses Unwillens, irgendetwas zu verändern. Aber auch dieser Skandal scheint der ÖVP nicht nachhaltig zu schaden. Warum ist das eigentlich so?

Seit 20. Oktober 1945 regiert in Tirol die ÖVP bzw. die Tiroler Volkspartei. Lediglich die ersten 5 Monate nach Kriegsbeginn gab es einen sozialistischen “provisorischen” Landeshauptmann, eingesetzt von den Alliierten. Seitdem herrscht ununterbrochen eine Partei, die ÖVP. 2018 hat sie im westlichen Bundesland 44 Prozent der WählerInnenstimmen erhalten. Das sind 141.000 Wahlzettel mit Kreuz an der richtigen Stelle, von insgesamt etwas mehr als 530.000 Wahlberechtigten. Die Partei besitzt aber eine politische und wirtschaftliche Macht, die weit über diese demokratische Legitimation hinausgeht: Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Landwirtschaftskammer, die meisten Gemeindeposten und alle Bezirke sind von ÖVP-Mitgliedern oder zumindest ÖVP-nahe besetzt. In der Tiroler Adlerrunde geben ÖVP-nahe Wirtschaftstreibende den Ton an, der somit auch im Innsbrucker Landhaus gehört wird.

Durch Tirol spannt sich ein schier undurchdringliches Netz von Abhängigkeiten und Gefälligkeiten, das diese Parteiherrschaft fundiert. Es beginnt bei Baugenehmigungen und Förderungen aller Art und endet bei Kreditvergaben der Landesbank. „Sie hat uns alles gegeben, Ziegel zum Bau und den großen Plan. Sie sprach. „Meistert das Leben, vorwärts, Genossen, packt an!““, heißt es dazu im Lob der Partei. Somit kann der ÖVP in Tirol scheinbar nichts passieren. Denn sie ist Tirol. Die Opposition hingegen scheint klein und sie ist neutralisiert. Im Fall der Liste Fritz (etwas mehr als 5 Prozent bei den Wahlen) zwar durchaus schlagfertig. Aber im Fall der SPÖ auch stets bereit, der ÖVP aus der Patsche zu helfen, wenn nötig. FPÖ und Neos gibt es auch noch. Damit hat Landeshauptmann Günther Platter genug Macht-Optionen und dem Regierungspartner, den Grünen, bleibt nur die eine: Raus aus der Koalition und rein ins politische Abseits. Also kuschelt sie bis zur politischen Ununterscheidbarkeit.

Kein Wunder, denn wer in Tirol eine andere politische Meinung als die ÖVP öffentlich vertritt, stellt sich und ihre nahe Umgebung ins Abseits. Wie oft höre ich von Hinweisgebenden, dass auf keinen Fall nachvollziehbar werden dürfe, von wem der gute Tipp auf einen möglichen Skandal stamme. Sie fürchten um die wirtschaftliche Existenz der gesamten Familie. „Hände falten, Goschn halten“ ist das einzige Motto, nach dem du dort überleben kannst. Denn egal um welchen Skandal es sich handelt: Von den Tiroler Sozialen Diensten, bei dem es einen völlig wirkungslosen Untersuchungsausschuss ganz nach Geschmack der Regierungspartei gab, über Ischgl bis hin zu schwindeligen Auftragsvergaben. Die Partei regelt sogar die öffentliche Diskussion des Skandals in der *Tiroler Tageszeitung* oder im *ORF Tirol*. Kritische Medien sind in Tirol praktisch inexistent.

So kann es nicht verwundern, dass diejenigen, die aufdecken, von den Rändern der Tiroler Gesellschaft kommen. Von den AktivistInnen der Liste Fritz bis hin zu “der” Tiroler Gegenöffentlichkeit, dem Blogger Markus Wilhelm sowie den TirolerInnen, die das alles mit Unbehagen beobachten, aber nichts unternehmen. Noch nichts. Denn aus der Geschichte wissen wir: Solche Systeme scheinen ewig zu halten. Aber sie können binnen Wochen in sich zerbrechen. Auf Dauer halten weder der Kampf gegen den Transitverkehr noch der peinlich inszenierte Tiroler Nationalstolz ein System zusammen, in dem die eine Partei den Ton angibt.

Es isch Zeit.

Der Kommentar spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider. Mehr über Sebastian Reinfeldt und seine Recherchen finden Sie hier.

Titelbild: APA Picturedesk

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50 Kommentare

  1. Wir sind ausschließlich den Tatsachen verpflichtet und beleuchten die Zusammenhänge. Ja, wir sind unangenehm. Und dazu stehen wir. Denn eine Gesellschaft ohne kritische Stimmen ist nicht demokratisch. Wir sind tatsächlich unabhängig und nur unseren Lesern verpflichtet. Wir bekommen weder Presseförderung noch gibt es bei uns Regierungsinserate – aber wir brauchen eure Unterstützung: https://zackzack.at/kampagne-fur-unabhangigen-journalismus/

  2. In den ländlichen Regionen Ö´s ist es ja überall das Gleiche. Die ÖVP-Bürgermeister (was denn sonst?) benehmen sich oft so, als gehörte ihnen eh´ alles. Dabei missachten sie schon ´mal Eigentumsverhältnisse. Kommen sie in die Klemme rennen sie zur Rechtsabteilung des Landes und bemühen den ganzen Apparat. Persönlich gehen sie dabei kein Risiko ein, bezahlt wird ihr Benehmen vom Steuerzahler. Persönlich hatte ich schon vier Mal das zweifelhafte Vergnügen, gegen das Verhalten von verschiedenen Bürgermeistern -allesamt ÖVP- anwaltlich vorgehen zu müssen (umleiten des öffentlichen Verkehrs über mein Land ohne zu fragen, Bau einer Senkgrube auf meinem Land, Entfernung privater Drainagen auf meinem Land und ungefragt verlegen von Abwasserrohren über mein Land). Das alles bei unzweifelhafter Rechtslage zu „meinen Gunsten“, eigentlich unglaublich. Mich zipft das an und ich frage mich, wie sind die gestrickt? Sind sie dumm, ignorant oder was ist mit denen los?

    • Nachsatz: ich bin wirtschaftlich unabhängig und huste auf die angebotenen Förderungen. Das haben sie natürlich gar nicht gerne. Ach ja, und zur Kirche bin ich auch ausgetreten und Jäger bin ich auch nicht. Ihr perfekter Feind? Lachhaft!

      • Durchhalten. Am Besten eine eigene Gegenpartei aufstellen. Ich kann auch die monatlichen Schwarzpropaganda, wo ein Hydrant von meinem Steuergeld wird, nicht mehr sehen/lesen. Oder die wöchentlichen Bezirkspropagandablätter. Abscheulich. Kommentare von Bezirksschwarzen, die noch nie im Leben gearbeitet haben.

        • Klar durchhalten weil alteingesessen. Und die wählen, die es verdienen!

  3. Ist es in nö anders?
    Von so einer einparteienherrschaft hat basti geilfeuchte träume.

    • Nicht mehr lange. WSTKA hat ihn schon als Beschuldigter im Visier.

  4. Die ÖVP regiert Tirol durchgehend seit 1945! Sogar die Arbeiterkammer wird hier von einem Schwarzen geführt.

    Die ÖVP ist Tirol und Tirol ist schwarz. So schwarz, dass mir manchmal schwarz vor Augen wird.

    Rote BürgermeisterInnen kann man auf einer Hand abzählen, dazu gehören allerdings die Powerfrauen Hedi Wechner in Wörgl und Elisabeth Blanik in Lienz.

    Die nächsten Gemeinderatswahlen finden am 27. Februar 2022 statt. Wünsche der ÖVP einen ordentlichen Dämpfer von der Bevölkerung, denn die schlechte Politik von Platter & Co., insbesondere in den letzten Monaten, muss doch vom Wähler abgestraft werden. Ooops, war nur ein Traum, bin leider aufgewacht!

    • Auch in Tirol tut sich was. Die Bevölkerung greift zur Selbsthilfe. Mittlerweile gibt es viele unabhängige Bürgerlisten in den Gemeinden die auch schon Bürgermeister stellen.

      • Und das sind zum großen Teil Schwarze die sich nur anders bezeichnen bzw. verkaufen.

        • Woher haben sie diese Info? Als die die ich kenne sind das bestimmt nicht.

  5. Ich will unbedingt erfahren, wieviel das sacher und der ho an Beihilfen erhalten haben, bitte zackzack um Aufklärung für die kleinen hotels

  6. Die Liste Fritz sind aber auch nur getarnte Schwarze und daher genauso für nichts zu gebrauchen.

    • Würde ich nicht sagen. Sie sind die einzigen, die eine Kontrollfunktion ausüben und echte Oppositionspolitik machen.

  7. Super Artikel. Gibt einen Hoffnung auch in OÖ wo die Verhältnisse die gleichen sind. Auch bei uns ist die Allmacht der ÖVP durch nichts gerechtfertigt. Rechnet man die Prozente in Wählerstimmen um und bezieht die nicht/ungültig Wähler ein so wählt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung die ÖVP. Leider kapieren das nur wenige Leute deshalb ist dann die gängige Meinung “die Mehrheit will das so”. Leute das ist aber nicht richtig!!!!!! Zum Unterschied von Tirol mit dem eher gemütlichen Platter ist OÖ Stelzer aber mehr als autoritär. Wer sich die Videos der Landtagssitzungen ansieht der hat das Gefühl, man könnte sie gleich ganz abschaffen. Wird Stelzer kritisiert ist er entweder gar nicht anwesend oder er duldet überhaupt keine Widerworte…..echt schockierend!

    • Detto NÖ…. obwohl die Hanni Tante gute Beziehungen zu Wien pflegt.
      Das macht es etwas erträglicher.
      Aber nur etwas…

      • Die Hanni Tante ist ja auch so was von nicht fähig. In der Flüchtlingskrise 2015 hat sie als zuständige Innenministerin kein Ohrwaschl als gerührt. Und zum Dank dafür ist sie dann Landeshauptfrau geworden…..

        • Ja das stimmt. Aber das Impfgeschehen hat sie im Griff.
          Und das sag ich als ” Roter” der sie niemals wählen würde.

          • Aber auch erst nachdem man ihr ordentlich auf die Finger geklopft hat, hat sich beim Impfen etwas getan. Am Anfang waren wir bei den langsamsten.
            Die Gesundheits-Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig ist allerdings eine Rote.😉

        • Landeshauptfrau von Gnaden Pröll.
          Aber ganz ehrlich…. besser die Hanni Tante als der Soberl.
          Das hat sogar Kaiser Pröll gemerkt.

          • Haben der erwin und der soberl gemeinsame verwandte? Man munkelt da.

  8. Scharfe Kritik äußert die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer an der Wirtschaftskammer und deren Präsidenten Harald Mahrer (ÖVP). „Egal, ob beim Klima oder bei der Arbeitsmarktpolitik, es ist ein altes, ein unsoziales Denken, das auf Ausbeutung von Mensch und Natur basiert“, sagte heute Maurer im Ö1-Morgenjournal zum Vorschlag, das Arbeitslosengeld degressiv auf 40 Prozent des Letzteinkommens fallen zu lassen und die Notstandshilfe zu begrenzen.

    • Man sieht wo die Reise hingeht. Erst viele Leute arbeitslos machen, dann Ihnen die AL und NSH kürzen und damit ihre Familie anfüttern. So muß Umverteilung.

    • Für Sigi Maurer ist alle Hopalas der Türkisen unappetitlich, menschenfeindlich, verfassungsmäßig bedenklich; Vorraussetzungen die Dilletantentruppe weiter im Amt zu halten; dies mit Unterstützung von Kogler (prost) und VdB. So machen sich die Grünen deffinitiv zu Mittätern für alles, was heute so geschieht…..

      • Welche realistische Perspektive sehen Sie denn für den Fall, dass die Grünen die Koalition sprengen?

        • Gute Frage; aber was ist die Konsequenz daraus. So können die Türkisen jetzt Dinge verwirklichen, die sie nicht einmal mit den Blauen durchgebracht hätten….

          • Das bezweifle ich einigermaßen. Ich sehe derzeit mehr Chancen, wenn sie in der Koalition vorerst noch ausharren.
            Aber haben Sie eine Antwort auf meine ursprüngliche “gute” Frage?

          • Keine Sorge sie hätten diese Dinge auch mit den Blauen durchgebracht das haben sie beim 12 Stunden Tag bewiesen. Und wenn die Koalition platzt ist das das Ende des U-Ausschusses der den Türkisen vielleicht das Genick bricht und sie für längere Zeit auf die Oppositionsbank schickt. Es ist einfach ein Dilemma das ganze.

          • 👍darum müssen die Grünen noch durchhalten…. aber das weiß Kurz auch… und demütigt sie weiter.
            Der UA ist so wichtig wie nie zuvor.

          • Ja, die Türkisen müssen weg aus der Regierungsverantwortung. Die sind nicht zu einem Konsens fähig und spielen sich auf wie Diktatoren. Das ist untragbar in einer Demokratie…

        • Naja, in Moria lassen sie Kinder krepieren und die Umweltgesetze werden sie auch nicht durchbringen. Und bleiben weiter in der Koalition. Also sind die GrünInnen ohne Werte. Nur Verkappte schwarze. Die wird es genauso zerreißen wie die schwarzen. Ich habe auf Ende April getippt aber die GrünInnen mit ihrer grünen Basis sind ja noch verlogene als ich dachte.

        • Das diese Övp weiter ihre eigenartigen Spielchen spielt und den Rechts- Apparat aushöhlt.
          Das wäre schon ein Erfolg.

        • Mehrparteienkoalition. Immer noch besser als diese möchtegerndiktatorenwürschtln.

      • Kritik an Türkis ist extrem wichtig. Die Boys sind Gegenwind nicht gewohnt und werden unrund bis fehleranfällig-aggressiv. Unter Türkis-Blau war die message control der bestimmende Faktor, jetzt lachen auch internationale Medien über die Truppe oder sind entsetzt.. Sehr gut, wenn der Ruf endlich ins rechte Licht gerückt wird.

      • Natürlich wäre es ein Schlag ins Gesicht der grünwählerinnen wenn sie sich für diese Menschen abwertenden Aussagen aussprechen würde.
        Aber an den Taten werden wir sie vor der nächsten Wahl messen, nicht an den Sprüchen.

        Einem Blüml jetzt noch die Stange zu halten, überschreitet meine Schmerzgrenze als grünwählerin ganz massiv.

        Und um zum Thema auch was beizutragen, ich finde es extrem schäbig, wenn (zu) hoch bezahltes Personal anderen offenbar einen Bruchteil ihres arbeitslosen Einkommens NEIDET.

    • Na da darf sie etwas kämpferisch auftreten. Im Parlament schaut’s wieder bei der Abstimmung nach unten……

  9. „Eine Hand wäscht die andere“ – „Manus manum lavat“ (Seneca – Der Jüngere)

      • … wenn ich das so lese, denk ich, das organische Pedant ist wohl ein Pilz.
        Das Myzel durchzieht das ganze Land, an den “Knoten” kommen die Frücht(chen)e hervor.
        Einfach nur zum Zweck sich zu vermehren, ansonsten nutzlos. 🤔😥

        • Es gibt auch schmackhafte Pilze die dürfen sich gerne vermehren weil alle was davon haben. Auf die türkisen Giftpilze kann man jedoch verzichten. Diese Pilze sind Schmarotzer die ihren Wirt aussaugen und schwächen….

          • … denk mal, das Beispiel trifft nur die Erscheinungsform.
            Pilze sind in der Natur Symbionten, die meisten “Früchte” wären essbar und nur wenige wirklich giftig, soviel zu Ihren und den Anmerkungen von KarinLindorfer.
            … die Obigen fallen wohl unter die Kategorie “Ungenießbar”…

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