Freitag, März 29, 2024

Postenbesetzung an PH Wien: Politische Diskriminierung

Das ist ein Unterüberschrift

An der Pädagogischen Hochschule Wien wurde der bestgereihte Kandidat für den Vizerektorsposten aus politischen Gründen abgelehnt. Er klagt nun das Bildungsministerium auf Schadenersatz.

Florian Bayer

Wien, 13. Mai 2021 | „Der Senat stellt fest, dass Mag. Dr. Fleissner im Auswahlverfahren aufgrund seiner Weltanschauung diskriminiert wurde.“ Das Urteil der Gleichbehandlungskommission des Bundes ist eindeutig: Keine sachlich gerechtfertigten Gründe, sondern eine Diskriminierung „aufgrund seiner Weltanschauung“ habe dazu geführt, dass der bestgereihte Bewerber Daniel Fleissner nicht Vizerektor der PH Wien wurde.

Doch von Anfang an: Fleissner, langjähriger SPÖ-Bezirksrat in Wien-Donaustadt und seit 2009 als Jurist im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung tätig, hatte sich für die mit Dienstbeginn Juli 2019 ausgeschriebene Stelle an der PH Wien beworben. Ausgeschrieben war das Vizerekorat für Lehre, Forschung und Internationales, eine von drei Rektoratsstellen der größten Pädagogischen Hochschule des Landes.

Sechs Bewerber wurden zu Hearings eingeladen. Wie im Nachhinein bekannt wurde, haben sich fast alle Gremien der PH Wien, inklusive Rektorin und Hochschulrat, für Fleissner entschieden. Er erhielt im Auswahlverfahren 53 von 60 möglichen Punkten, das beste Ergebnis aller Kandidaten, und bekam noch im Juni seitens Ministerium und PH Wien informelle Zusagen für die Vizerektorenstelle. Diese seien keine offiziellen Zusagen gewesen, heißt es vom Bildungsministerium, das solche Personalentscheidungen letztlich trifft.

„Umfangreiches Bild machen“

Wie uns vorliegende Mails bezeugen, musste Fleissner nach positiven Rückmeldungen sowohl von PH Wien als auch innerhalb des Bildungsministeriums davon ausgehen, die Stelle als PH-Vizerektor zu erhalten. Er begann die Übergabe in seinem alten Job vorzubereiten. Es kam anders: Ende Juni 2019, wenige Tage vor dem geplantem Dienstantritt, wurde er jedoch wieder vertröstet, dass infolge des Ibiza-Skandals einberufene Übergangsregierung so schnell keine größeren Personalentscheidungen treffen könne, wie ihm gesagt wurde.

„Eine Bestellung zum 1. Juli 2019 war zeitlich nicht durchführbar, da (…) es unumgänglich ist, sich über Bewertungs- und Bestellungsverfahren ein umfangreiches Bild zu machen“, hieß es in einer späteren Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch das Bildungsministerium. Deshalb seien „zusätzliche Erhebungen und weitere Objektivierungen“ nötig geworden. Warum das im Zuge des Bewerbungsprozesses nicht gleich geschehen ist, bleibt unklar.

Diskriminierung wegen Weltanschauung

Erst Monate später, im Dezember 2019, erhielt Fleissner die formelle Mitteilung, dass die Wahl auf jemand anders gefallen sei: Evelyn Süss-Stepancik, die ursprünglich zweitgereihte Bewerberin für die ausgeschriebene Stelle. Sie erzielte um drei Punkte weniger als Fleissner, bekam dennoch die Stelle. Sie begann am 1.1.2020 als PH-Vizerektorin.

Als Grund für diese Rochade vermutet Fleissner eine Ungleichbehandlung aufgrund seiner politischen Tätigkeit für die SPÖ, aus der er „nie ein Geheimnis gemacht“ habe. Diese Auffassung einer Diskriminierung teilt auch die im Bundeskanzleramt verortete Bundes-Gleichbehandlungskommission, die in ihrem Erkenntnis von Ende 2020 eine Diskriminierung aufgrund der (politischen) Weltanschauung sieht.

Grundsätzlich obliegt die Ausschreibung sowie das Auswahlverfahren für (Vize-)Rektorenstellen dem jeweiligen Hochschulrat, einem Aufsichtsorgan. Die Bestellung – und somit die Entscheidung – obliegt aber dem Bildungsminister, also der damaligen Übergangsministerin Iris Rauskala. Im Lauf der letzten Jahre sei es Usance gewesen, „den Empfehlungen der Hochschulräte im Vertrauen auf deren Expertise und Unabhängigkeit zu folgen“, heißt es im 22-seitigen Gutachten der Gleichbehandlungskommission, das ZackZack vorliegt.

Fragwürdiges Gutachten

Wie kam es also zum monatelangen Vertrösten und dann einer Absage, nachdem zuvor alles für Fleissner gesprochen hat und er alle formalen Kriterien erfüllt, nach Einschätzung der PH Wien und auch der Rektorin besser als alle anderen? Ausschlaggebend war letztlich ein Gutachten, das der damalige und auch jetzige Bildungsministeriums-Kabinettschef Markus Benesch einholen ließ. Es war also eine Entscheidung auf der politischen, nicht der Beamtenebene, was für Fleissners Argumentation nicht unwesentlich ist.

Das Gutachten erstellte Jürgen Mittelstraß (84), emeritierter deutscher Philosoph und Wissenschaftstheoretiker, der von 2003 bis 2015 Mitglied des österreichischen Wissenschaftsrats, ab 2005 als Vorsitzender. Der Rat ist im Bildungsministerium angesiedelt. Mittelstraß sprach sich anhand der Bewerbungsunterlagen für eine Bestellung von Fleissners Mitbewerberin Süss-Stepancik aus, der er „ein wissenschaftliches Profil, das vergleichsweise am stärksten zum Ausdruck kommt“ bescheinigte.

Fraglich ist, auf welcher Grundlage dieser Gutachter ausgewählt wurde und warum Ministerin Rauskala erst Ende September 2019, just zwei Tage vor der Nationalratswahl, ein solches Gutachten einholen ließ. Zumal der zuständige Akt zuvor wochenlang unbearbeitet geblieben war, wie sich anhand der Elektronischen Akte (ELAK) des Bestellvorgangs nachvollziehen lässt. Fleissner vermutet, dass die Nähe zur Nationalratswahl kein Zufall gewesen sei und das Ministerium rechtzeitig vor einer neuen Regierung noch Tatsachen schaffen wollte.

Externe Gutachter „ungewöhnlich“

Fleissner kennt sich aus mit PH-Rektorenbestellungen, denn er war im Bildungsministerium von 2012 bis 2019 für Ausschreibungen und Bewerbungsprozesse an PH-Direktionen zuständig. Zwar seien früher bei knappen Entscheidungen mitunter Beraterfirmen wie Deloitte herangezogen werden, um Schwächen und Stärken der Kandidaten abzutesten. Auf einzelne externe Gutachter habe man aber nie zurückgegriffen, sagt er.

Diese Praxis kam erst auf, als es 2018/2019 bei der Rektorenbesetzung an der PH Oberösterreich zu ähnlichen Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Auch damals unterlag der zuvor amtierende Rektor, der als SPÖ-nahe gilt, dem Zweitplatzierten, der der ÖVP nahesteht. Daraufhin erließ Übergangsministerin Rauskala, dass bei Rektorenbestellungen „immer externe Gutachten“ einzuholen seien.

Zum Zeitpunkt dieser Ankündigung war das Gutachten der Bewerber für die Stelle an der PH Wien allerdings bereits in Auftrag gegeben, was laut Fleissner jedenfalls einen Bruch mit der früheren Praxis darstellte. Anders als im strittigen Fall rund um die PH Oberösterreich, wo insgesamt drei Gutachten angefertigt wurden, blieb es beim Fall Flessner bei einem einzigen, eben jenem von Jürgen Mittelstraß.

Datenschutz verletzt

Darüber hinaus kritisiert Fleissner, dass die Bewerbungsunterlagen von ihm und seinen Mitbewerbern ohne Rückfrage an einen Dritten weitergegeben wurden – eine diesbezügliche Beschwerde Fleissners bei der Datenschutz-Kommission ist noch anhängig.

Das Gutachten jedenfalls beschreibt alle sechs Kandidaten, ist sieben Seiten kurz und hat 600 Euro gekostet. Und es scheint, als fuße die finale Entscheidung des Ministeriums allein auf diesem Papier, haben sich ja zuvor fast alle PH-Gremien für ihn ausgesprochen.

Dieses Gutachten sei nur ein Baustein bei der finalen Entscheidung, argumentiert das Ministerium. Als Grund für die Entscheidung gegen Fleissner verwies es unter anderem auf angeblich unzureichende Erfahrung in Forschung und Lehre des Bewerbers. „Das ist völlig absurd: Ich habe ein wisssenschaftliches Standardwerk zum Hochschulgesetz geschrieben, verfasse regelmäßig Kommentare und juristische Fachtexte“, sagt Fleissner.

Kriterien erfüllt

Er betont, seit 2012 an den PH Wien, Oberösterreich und Salzburg zu unterrichten sowie seit 2015 Seminare über Gewaltprävention und Bildungsmanagement abzuhalten. Zusätzlich habe er für die Grundausbildung im Bildungsministerium acht Jahre lang Verfassungs-, Verwaltungs- und Schulrecht unterrichtet. Sein Lebenslauf, den er mit seiner Bewerbung übermittelt hatte, belegt das.

„Nur dass ich keine Planstelle an einer Universität habe, kann ja kein Ausschlusskriterium sein“, sagt Fleissner. Eine solche wird auch im Ausschreibungstext, der ZackZack wie die gesamte Klage vorliegt, nicht vorausgesetzt. Gefordert wird darin „mehrjährige Erfahrung in der Lehre im tertiären Bildungssektor und im österreichischen Bildungssystem“, Kriterien die Fleissner jedenfalls erfüllt – wie auch alle anderen.

Die Bestellung von Süss-Stepancik – und nicht Fleissner – mit 1.1.2020 sei von seiner Amtsvorgängerin Rauskala „unter sorgfältiger und objektiver Würdigung aller vorliegenden und zusätzlich eingeholten Entscheidungsgrundlagen“ vorgenommen worden, schreibt Bildungsminister Heinz Faßmann vage in der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage.

Laufendes Zivilverfahren

Wir wollten es genauer wissen, doch das Bildungsministerium verweigert. „Wir können leider keine Auskunft erteilen, weil das Verfahren noch läuft. Bei der Bestellung wurde für die bestgeeignete Person entschieden“, schreibt eine Pressesprecherin, nachdem zuvor eine Beantwortung unseres Fragekatalogs in Aussicht gestellt worden war. Auch das Rektorat der PH Wien war für eine Stellungnahme für uns nicht erreichbar.

Das angesprochene laufende Verfahren ist die Schadenersatzklage Fleissners. Aufgrund der von offizieller Seite bestätigten Diskriminierung fordert Fleissner rund 83.000 Euro zuzüglich Zinsen als Ersatz für das entgangene Einkommen. Beklagter ist das Bildungsministerium, vertreten durch die Finanzprokuratur. Wird Fleissner recht gegeben, steht ihm laut Bundes-Gleichbehandlungsgesetz die Entgeltdifferenz für mindestens drei Monate zu.

Infolge des Gutachtens der Gleichbehandlungskommission scheint durchaus realistisch, dass auch das Arbeitsgericht der Darstellung Fleissners folgen wird. Letztlich gehe es ihm aber vorrangig um etwas anderes: „Man hat mir unterstellt, dass ich keine ausreichende fachliche Qualifikation besitze. Ich möchte zumindest die Bestätigung eines ordentlichen Gerichts, dass diese Behauptungen unrichtig sind.“

Titelbild: PH Wien (CC BY-SA 3.0)

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16 Kommentare

  1. Typisch, in der Botschaft ist das extrem arg, absolut unfähige Gestalten tummeln sich dort rum…
    Die Kriminelle Sekte unterwandert alles um wie ein Krebs zu strahlen und das Land zu zerstören…
    Je mehr klagen umso besser das jeder sieht wie schmutzig ihre unfähige Politik ist.

  2. Das Gericht soll den Anspruch des Parteibuchbesitzers auf den Posten durchsetzen.
    Diese Republik sinkt immer tiefer.

    • Ausländische Gutachter sind in anderen Bildungsbereichen die Regel, nicht die Ausnahme.
      Daran wollen sich die Beamten nicht gewöhnen.

      • Ich nehme mal an, der 84 jährige Deutsche ist ein alter weißer Mann, auch im übertragenen Sinn 6nd steht der CDU nahe.

        • Tun´s da nix unterstellen. Natürlich ist eine NÖ-PH-Lehrende besser qualifiziert als der rote Wiener ;-)))
          Kann ja nicht anders sein. Das weiß sogar der alte weiße Mann aus Deutschland.

  3. Das ist üblich so, dort, wo schwarze das sagen haben. Das system der schwarzen brüder. Nö ein typisches beispiel dafür.
    Wieviele nö landesposten werden von nichtschwarzen geleitet? Die posten wurden dem schwärzesten bewerber auf den leib zugeschnitten,
    Die nichtberücksichtigten bewerber bekamen nicht einmal einen bescheid. So konnte man auch nicht dagegen berufen.

    • NÖ ist kein Beispiel, es ist der Kern der Parteibuchwirtschaft als System in der Republik.
      In der Steiermark ist man Steirer, in Kärnten ist man Kärntner in NÖ ist man Schwarz.

      • Auch in Tirol, OÖ und Salzburg. Ohne schwarzes Parteibuch geht’s nicht.

  4. Gut so. Wir alle wissen wie die ÖVP Posten besetzt. Diese korrupte Art der Postenbesetzung geht von ganz oben bis ganz unten. Das ganze Land leidet darunter, höchste Zeit dass sich die Menschen wehren.

  5. ANSWERING KURZ LIKE: … es kann ja nicht sein, dass ein Roter besser ist als eine Schwarze.

    • Genau, wo kämen wir da hin, wenn wir den postenschacher nicht hätten.

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