Seit gestern sind die Schulen wieder im Vollbetrieb. Mit Nasenbohrertests stellen Lehrer nun Gesundheitsatteste aus, die auch als Eintrittstests gelten. Schuldirektoren äußern ihre Bedenken.
Florian Bayer
Wien, 18. Mai 2021 | Mit dem gestrigen Aufsperren aller Schulen im Vollbetrieb wurden diese zu offiziellen Teststationen umgewandelt. Denn die per „Nasenbohrertest“ ermittelten und im „Ninja-Sammelpass“ vermerkten Testergebnisse gelten österreichweit 48 Stunden lang als Eintrittstests für Gastronomie, Kinos und Co. Das heißt, ebenso lang wie professionell durchgeführte und genauere Antigentests in Teststraßen. Einzig in der Wiener Gastronomie gelten sie nur 24 Stunden lang.
Nicht alle finden diese Lösung gut. „Lehrpersonen entscheiden durch gleichzeitige Testung von bis 30 Schülern über ein Testergebnis und damit über einen gesundheitlichen Status. Eine solche Zertifizierung wurde vor kurzem Schulärzten noch verwehrt“, schreibt der Direktor der Wiener Sir-Karl-Popper-Schule, Edwin Scheiber, in einem Brief an Stadt und Bund.
Trügerische Sicherheit
Die getesteten Kinder und Jugendlichen würden sich mit einem Nasenbohrertest in Sicherheit wiegen, obwohl damit „rund drei Viertel der Infizierten nicht erkannt werden“. Dies zeigte zuletzt die dritte Gurgelstudie. Das an zehn Wiener Schulen – auch an seiner – laufende PCR-Gurgel-Pilotprojekt werde damit „nicht gerade unterstützt“, sagt der Direktor. Schließlich sei es „viel einfacher und bequemer“, sich einem Nasenbohrertest zu unterziehen.
Dass Lehrer oder Verwaltungspersonal in die rechtlich möglicherweise problematische Situation kämen, Gesundheitsatteste auszustellen, hält er für „nicht verantwortbar“. Scheiber appellierte per Schreiben an Stadt Wien sowie an Bildungs- und Gesundheitsministerium, das Umfunktionieren der Schule zur Gesundheitsbehörde zu überdenken.
Keine Teilnahme am Pilotprojekt möglich
Auch Karin Dobler, Direktorin des BRG und VBS 19 in Wien, hat ihre Kritik geäußert. Ihre Schule hatte sich um Teilnahme am Gurgeltest-Pilotprojekt beworben, wurde aber abgelehnt, weil es nur zehn Plätze in ganz Wien gab.
„Die Ablehnung bedauere ich außerordentlich, denn ich hätte alle Schulpartner für eine verpflichtende Teilnahme der Oberstufe an Bord. Auch die Elternvertreter der Unterstufenklasse haben größtes Interesse gezeigt. Schulen, die diesen Aufwand auf sich nehmen, sollten doch eigentlich unterstützt werden?“, schreibt Dobler.
Auch die Kritik am vorgeschriebenen Ausstellen offizieller Gesundheitsatteste seitens Schulpersonal teilt sie. Sie war „ehrlich gesagt sprachlos“, dass ihre Schule über Nacht zu einer „befugten Stelle“ erklärt worden ist. „Das mag für manche Eltern sehr angenehm sein; aus gesundheitspolitischer Sicht halte ich das für eine sehr problematische Entwicklung“, so Dobler.
Kein Extrapersonal, keine Ressourcen
Sie kritisiert auch, dass für den administrativen Mehraufwand von zwei bis drei Stunden pro Klasse keinerlei personelle oder finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Zwar werden mittlerweile auch höherwertige Tests wie PCR-Gurgeltests anerkannt, doch bringe das einen enormen administrativen Aufwand mit sich.
Die Nasenbohrertests werden nur montags, mittwochs und freitags durchgeführt. Wenn ein Kind am Sonntag in die Teststraße geht, muss es zwar am Montag nicht getestet werden, allerdings am Dienstag. „Dann müssten wir praktisch jeden Tag testen, damit es keine Testlücken gibt. Bei 700 Schülern und Lehrern, die jede Stunde wechseln, ein absolutes Unding“, sagt Dobler.
Amtshaftung des Bundes
Auch der Verein der Wiener AHS-Direktorinnen sieht das Ausstellen von Gesundheitsattesten kritisch. Vor allem die Frage, ob Lehrer haftbar gemacht werden können, etwa bei falschen Testergebnissen, war anfänglich unklar. Zumindest diesen Kritikpunkt hat Bildungsminister Heinz Faßmann mittlerweile geklärt: Es haftet der Bund per Amtshaftung.
Der Unmut bleibt. „Die einen sollen ‚Pickerlpässe‘ ausstellen, obwohl sie in ein Programm mit hoher Testqualität eingebunden sind. Die anderen wollen die hohe Testqualität und dürfen nicht – das macht den Frust verständlicher Weise noch viel größer“, heißt es vom Verein gegenüber ZackZack.
Überdies bezweifle „eine große Gruppe von Direktoren“, dass man der Ernsthaftigkeit der Situation mit einem “Pickerlpass” begegnen soll. Auch sollte man den unterschiedlichen Altersgruppen an den Schulen gerecht werden, was mit dem derzeitigen Sammelpass nicht der Fall sei.
Reaktion von Stadt und Bund
„Wir müssen mit den Pandemie-bedingten Veränderungen leben lernen. Daher ist es sinnvoll, dass auch Schulen zu Testorten werden. So können wir das Infektionsgeschehen unter Kindern und Jugendlichen gut beobachten“, sagt der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr auf ZackZack-Anfrage. In Kürze solle das PCR-Gurgeltest-Angebot auf weitere Wiener Schulen ausgeweitet werden.
Aus dem Bildungsministerium heißt es, dass das PCR-Gurgeln dann ausgerollt wird, wenn die Ergebnisse des Pilotprojekts vorliegen. Erst müssten Sicherheit und Verlässlichkeit sichergestellt sein. Auch wenn die Laborkapazitäten vorhanden sein sollten, so bleibe die Logistik eine Herausforderung, so das Faßmann-Ministerium. Darüber hinaus werde schon jetzt zwischen den Tests unterschieden: Antigentests gelten laut aktueller Verordnung 48 Stunden, PCR-Tests 72 Stunden lang als Eintrittstests.
Auch das Gesundheitsministerium sagt gegenüber ZackZack, dass ein Ausrollen derzeit noch nicht möglich sei. „Wir sehen uns auf einem guten Weg, ab Herbst diese Art der Tests österreichweit anbieten zu können“, so eine Sprecherin.
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