Freitag, April 19, 2024

Flugticket-Mindestpreis für Klimaschutz? Greenpeace: »Nur eine Scheindebatte!«

Greenpeace: »Nur eine Scheindebatte!«

Ist der geplante Mindestpreis für Flugtickets der erste Schritt in Richtung klimafreundliches Reisen? Im Gespräch mit ZackZack spricht Greenpeace Österreich von einer “Scheindebatte” und fordert den Ausbau der Bahn.

Wien, 01. Juni 2021 | Mal eben für neun Euro nach Berlin fliegen – das soll bald nicht mehr möglich sein. Künftig soll ein Mindestpreis dem Billigfliegen entgegenwirken, doch ist so eine Preisregulierung für die Fluglinien der beste Weg für ein klimaneutrales Reisen?

Am Dienstag hat die Fluglinie und AUA-Mutterkonzern Lufthansa den Vorstoß der deutschen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz und Annalena Baerbock für Preisuntergrenzen bei Flügen begrüßt. Flugtickets sollen demnach „klimagerechter“ besteuert werden, so Baerbock. Dieses Geld sollte aus Sicht von Lufthansa für die Weiterentwicklung von nachhaltigem Kerosin und neuen Antriebstechnologien verwendet werden.

Warnung vor “Greenwashing” und “Scheindebatten”

Hier lenkt Klara Schenk, Verkehrs-Expertin bei Greenpeace Österreich, ein. Sie warnt gegenüber ZackZack vor Scheindebatten und Greenwashing. Ein Mindestpreis für Flugtickets mache ihrer Meinung nach zwar Sinn, jedoch müsse das erste Ziel aus Sicht des Klimaschutzes immer sein, Flüge zu reduzieren:

„Die Flugindustrie wurde über Jahrzehnte lang steuerlich sehr begünstigt. Bei internationalen Flügen gibt es gar keine Mehrwertsteuer, bei Bahnfahrten schon. Das ist ein unfairer Wettbewerb. Das muss aufhören – und zwar schnell.“

Österreich entgehe dadurch eine halbe Milliarde Euro pro Jahr, auf EU-Ebene sind das 27 Milliarden Euro pro Jahr. Darüber hinaus sei ein solcher Mindestpreis vor allem für die Fluglinien wichtig, die unter der Corona-Pandemie stark gelitten haben. Durch EU-Wettbewerbsregelung ist die Umsetzung dennoch sehr komplex. Mindestpreise sind demnach eigentlich untersagt.

Umweltministerium optimistisch

Das Umweltministerium äußerte sich gegenüber ZackZack zuversichtlich. Es werde massiv in den Ausbau des Nachtzugsystems investiert und Maßnahmen ergriffen, um das Preisdumping auf Kosten der Umwelt zu verhindern:

“Dazu gehört die bereits umgesetzte Erhöhung der Flugticketabgabe und vielen weiteren Maßnahmen, wie die Einführung einer Regelung, die besagt, dass künftig keine Tickets unter dem Preis von Steuern und Gebühren verkauft werden dürfen. Bei der Umsetzung müssen wir auf die europarechtlichen Rahmenbedingungen Rücksicht nehmen. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir die Regelung noch in diesem Jahr finalisieren können.

Besser: Bahninfrastruktur ausbauen

Zur Debatte um ein mögliches Verbot von Inlands- und Kurzstreckenflügen betonte Harry Hohmeister, Vorstandsmitglied der Lufthansa ein, die Fluglinie habe Inlandsflüge seit Jahren immer dort aufgegeben, wo die Bahn konkurrenzfähig sei. Für bestimmte längere Strecken und als Zubringer für Langstreckenflüge blieben innerdeutsche Flüge wichtig für die Gesellschaft und die deutsche Wirtschaft.

“So lange ein Flughafen wie München keinen ICE-Anschluss hat, gibt es noch viel zu tun beim Ausbau der Bahninfrastruktur”,

so Hohmeister gegenüber der APA.

Das bestätigte auch Klara Schenk. Flugzeuge könnten nicht einfach so abgeschaffen werden.

„Aber wenn wir unsere Klima-Ziele erreichen wollen, müssen wir auf ein klimafreundlicheres Reisen setzen. Es kann nicht sein, dass man zum Beispiel von Wien nach Graz fliegen kann – und das teilweise noch günstiger als mit der Bahn. Eine stärkere Investition und einen fairen Wettbewerbsvorteil für die Bahn – das wäre ein klimafreundlicheres Reisen.“

Schenk fügt hinzu, dass man sich nebenbei durch die Wahl einer Bahnfahrt viel mehr Stress erspare – während man mit der Bahn direkt von A nach B kommt, ist Fliegen immer mit einem Mehraufwand verbunden. Das müsse deutlicher gemacht werden: „Bahnfahrten sind nicht nur viel klimaneutraler, sie ermöglichen auch ein bequemeres Reisen.“

Die Macht der Lobbies

Der große Schritt in Richtung klimaneutrale Mobilität wird aber auch stark von der Auto-Lobby ausgebremst. Am heutigen Dienstag trifft Kanzler Sebastian Kurz die Autoindustrie-Lobbyisten, die Verbrennungsmotoren weiter durchsetzen wollen. Klima- und Umweltexpertinnen und -experten wurden nicht geladen.

„Letztendlich wird uns die Klimakrise immer mehr Geld kosten, wenn wir an klimazerstörenden und veralteten Mustern festhalten. Die Lobbies haben jedoch eine unglaubliche Macht.“,

warnt Schenk.

WWF und Global 2000 forderten ebenfalls einen Termin mit dem Regierungschef. Sie kritisieren: “Mit irreführenden Begriffen wie ‘Technologieoffenheit’ versuchen die Lobbyisten, den Menschen Sand in die Augen zu streuen.”

Aktueller Anlass der Debatte ist der bevorstehende EU-Verkehrsministerrat am Donnerstag, wo auf Initiative von neun Ländern, darunter Österreich, über ein künftiges Zulassungsverbot für Pkw mit Verbrennern beraten werden soll. Kanzler Kurz hat sich bisher nicht öffentlich zu einem Ausstiegsdatum geäußert. Im Nationalratswahlkampf 2019 setzte die ÖVP auf Wasserstoff als alternativen Treibstoff.

Doch so nachhaltig ist Wasserstoff anscheinend gar nicht. Immer wieder werde davon ausgegangen, Wasserstoff sei eine klimaneutrale Brennstoff-Alternative – doch das dementiert sogar “Volkswagen”-CEO Herbert Diess:

“Es wird immer behauptet, dass nachhaltige Treibstoffe Benzin und Diesel ersetzen können,” so Schenk. Und selbst der CEO von VW habe erkannt, wohin die Reise geht und sich auf Twitter klar dazu geäußert, dass die Wasserstoff-Debatte eine Scheindebatte ist. “So viel Energie kann gar nicht nachhaltig erzeugt werden. Damit wird einfach nur davon abgelenkt, dass das ganze Mobilitäts-System neu aufgestellt werden muss”, fügt Schenk hinzu.

(jz)

Titelbild: APA Picturedesk

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6 Kommentare

  1. Die Vielfliegerei ist nicht nur Klimaschädliche sondern produziert auch Lärm, Zubringerverkehr und Flächenversiegelung. Die Bahn muss ausgebaut werden. Auto und Flugzeug müssen zurückgedrängt werden wenn man die tatsächlichen Kosten dieser Transportmittel berechnet, sind sie teuer und ineffizient.

    • ….. die Ticket Preise ändern nichts am Ausstoß von fossilem CO2, folglich fliegen weniger Menschen mit genauso vielen Fliegern…, in Summe wird die Bilanz noch schlechter…🥺

  2. Bis 2030 bauen die Chinesen über 200 Flugplätze. Die lachen sich tot, wenn wir bald nur mehr mit dem Fahrrad fahren.

  3. Wir haben schon längst die richtigen Lösungen: ÖPNV mit richtigen Taktzeiten und Anbindung, Trennung von Güter- und Personennetz, Bahnnetz mit vielen pünktlich getakteten Umsteigemöglichkeiten à la Schweiz und Stichstrecken in kleinere Orte. Sowas gab es schon einmal, vor dem Individualverkehr während der Hochzeit der Industrialisierung. Invididualverkehr macht nur dort Sinn wo diese Möglichkeiten nicht mehr greifen oder zu kompliziert wären. Elektro oder Wasserstoff ist wieder nur eine Scheindiskussion weil es hier zu keiner Verminderung des Autoverkehrs kommt. Die Städte werden nicht entlastet, Park- und Fahrraum werden nicht freigegeben.

  4. Es wird ein großes Erwachen geben.

    Selbstverständlich wird es umso teurer, je später wir Maßnahmen setzen. Dann geht wirklich nur mehr durch kompletten Stillstand zu reduzieren. Kein Paketdienst käme mehr an. Teuer wird es sowieso, weil die Pariser Klimaverträge Strafzahlungen vorsehen. Unterschrieben haben wir.

    Dass die Menschheit in 80 Jahren auszusterben droht, ist für Menschen, die in Zeiträumen von Jahresbilanzen denken und fühlen, sowieso nicht nachvollziehbar.

    Warum also wird es teurer, wenn wir länger zuwarten? Es investiert heute niemand, weil niemand weiß, ob das in 3 Jahren noch rentabel sein wird, wenn dann Klimaschutzgesetze wirklich kommen. Bis dahin ruht Innovation. Die Bedingungen sind unklar. Man will nochmal den Fuhrpark aufstocken, aber wer weiß, ob die in 5 Jahren noch fahren dürfen. Es ist wegen der Pariser Verträge klar, dass Gesetze kommen werden. Wer sie zu spät macht, den bestraft das Leben.

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