Nach Autolobby-Treffen mit Kurz:
Am Dienstag traf sich Kurz mit der Auto-Lobby. Eigentlich sollte es um Klimaschutz gehen, doch im Anschluss erklärte der ÖAMTC den Verbrennungsmotor für “gerettet”. ZackZack hat mit Greenpeace-Expertin Klara Schenk gesprochen.
Wien, 02. Juni 2021 | Beim EU-Verkehrsministerinnen-Rat am 3. Juni steht auf Initiative von Leonore Gewessler (Grüne) ein künftiges Zulassungsverbot von Pkw mit Verbrennungsmotoren auf der Tagesordnung. Zwei Tage zuvor, am 1. Juni, trafen 18 Interessenvertretungen und Auto-Lobbyisten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), darunter auch der ÖAMTC.
Dieser machte sich für den Verbrennungsmotor stark. Nach dem Termin am Dienstag erklärte der Automobilclub, Kurz habe bekräftigt, dass ein “Verbot des Verbrennungsmotors nicht zur Diskussion” stehe. Zuvor hatte es in einer Aussendung vom ÖAMTC geheißen, Österreich müsse für das “Erreichen der Klimaziele eintreten”. Das Kanzleramt selbst bekräftigte gegenüber der APA, das Ziel seien “Elektromobilität ohne Atomstrom und Motoren mit synthetischen CO2-neutralen Treibstoffen”.
Warnung vor “irreführenden Begriffen”
“Wir stehen für die ambitionierten Klimaziele der EU. Am Weg zur Klimaneutralität ist nicht der Motor ist entscheidend, sondern der Treibstoff”, so das Kanzleramt. Ähnlich hatte sich im Vorfeld der ÖAMTC geäußert. Man freue sich nach dem Termin über den “offenen und konstruktiven Austausch”.
Das Treffen der Verbrennungsmotorenvertreter mit Kurz rief auch Klimaschützer auf den Plan. WWF und Global 2000 forderten ebenfalls einen Termin mit dem Regierungschef. “Mit irreführenden Begriffen wie ‘Technologieoffenheit’ versuchen die Lobbyisten, den Menschen Sand in die Augen zu streuen”, kritisieren sie.
“Der Verbrennungsmotor ist ein Fall für die Geschichtsbücher. Benzin- und Dieselfahrzeuge schaden der Umwelt und unserer Gesundheit. Daher muss die Politik einen Fahrplan für den raschen Ausstieg aus Verbrennern vorlegen, um eine saubere, klimaschonende und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft zu ermöglichen”, erklärten Karl Schellmann vom WWF und Johannes Wahlmüller von Global 2000 am Dienstag in einer Aussendung.
Kurz stellt sich quer
Im Nationalratswahlkampf 2019 hatte die ÖVP auf Wasserstoff als alternativen Treibstoff gesetzt. Der Termin bei Kurz von ÖAMTC und Co. hängt mit einem offenen Brief der Interessensvertreter von Ende März zusammen. Darin forderten sie Kurz auf, “dem von Klimaministerin Leonore Gewessler auf EU-Ebene forcierten Zulassungsverbot für Verbrennungsmotoren entschieden entgegenzutreten”. Auch Investor Siegfried Wolf und KTM-Chef Stefan Pierer, der auch Kurz-Großspender ist, setzen sich für den Fortbestand des Verbrennungsmotors ein.
Wir setzen in Österreich auf erneuerbare Energie und sind davon überzeugt, dass das auch das richtige Konzept für die EU ist. Atomstrom kann keine Alternative zur fossilen Energiegewinnung sein.
— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) May 25, 2021
“Österreich ist größtes Sorgenkind”
Im ZackZack-Gespräch zeigt sich Greenpeace-Verkehrsexpertin Klara Schenk verwundert über Kurz, der sich mit Autolobbyisten trifft und “dann einfach anschließend politische Entscheidungen in solch Dimensionen fallen – ohne dafür Expertinnen und Experten oder eine breiter aufgestellte Industrie einzuladen und zu befragen”. Die “Offenheit”, von der Kurz spreche, halte nach Schenks Beobachtungen überhaupt nicht.
“Selbst die großen Player sagen, E-Mobilität ist die Zukunft, wenn es um die internationale Automobil-Industrie geht”. Schenk verweist dabei auf den deutschen Volkswagen-Konzern, der bereits bei seiner Hauptmarke VW, aber auch für Audi angekündigt hat, keine neuen Verbrennungsmotoren mehr zu entwickeln.
Das Wasserstoff-Auto ist nachgewiesen NICHT die Klimalösung. Im Verkehr hat sich die Elektrifizierung durchgesetzt. Scheindebatten sind reine Zeitverschwendung. Bitte auf die Wissenschaft hören! @ArminLaschet @OlafScholz @andreasscheuer @ABaerbock https://t.co/LfErDmBs5R
— Herbert Diess (@Herbert_Diess) May 18, 2021
Während die Treibhausgas-Emissionen seit 1990 EU-weit um fast ein Viertel gesunken sind, sind die Emissionen in Österreich in diesem Zeitraum sogar um rund zwei Prozent angestiegen. Der Verkehr sei laut Klara Schenk dabei ganz klar das größte Sorgenkind der Klimapolitik Österreichs und für rund ein Drittel der heimischen Emissionen verantwortlich.
Elektroautos statt Treibstoff-Alternativen
Die hohe Abhängigkeit vom motorisierten Verkehr in Österreich würde sich laut Schenk auch in der Energiebilanz deutlich widerspiegeln. Gerade hier müsse auch die Effizienz von Antriebstechnologien zentral im Blick behalten werden. Die E-Mobilität sei – wenn es um motorisierten Individualverkehr gehe – laut Schenk eindeutig im Vorteil.
Eine Studie des Wuppertal Instituts verglich im Auftrag von Greenpeace kürzlich das Potential von synthetischen Treibstoffen. Das Fazit: die Effizienz der alternativen Treibstoffe werde nicht an einen elektrischen Antrieb von E-Autos herankommen. “Das E-Auto ist mindestens doppelt so effizient wie alle anderen alternativen Antriebsformen”, so Schenk gegenüber ZackZack.
“Technologiedebatten sind Scheindebatten”
Es brauche ein fixes Ausstiegsdatum für den Verbrennungsmotor. Schenk erklärt: “Wollen wir unsere Klimaziele erreichen, muss dieses 2028 lauten.” Technologiedebatten seien überholte Scheindebatten. “Natürlich gilt in Sachen Klimaschutz und Verkehr aber immer: wir müssen endlich die Abhängigkeit vom Auto reduzieren und den Menschen vermehrt die Möglichkeit geben, auf klimafreundliche und wirklich effiziente Fortbewegungsmittel wie Öffis, Rad und sichere Fußwege in der kurzen Strecke umzusteigen”, führt Schenk fort.
Eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts “Fraunhofer Austria” hat gemeinsam mit der TU Wien und der “Smart Mobility Power GmbH” unter anderem das Beschäftigungspotential der E-Mobilität unter die Lupe genommen. Die Studie wurde aus Mitteln des Klimaschutzministeriums (BMK) erstellt und zeigt, dass die E-Mobilitätswirtschaft ein enormer Faktor für Wirtschaft und Arbeitsmarkt ist und gerade angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage enorme Chancen für die heimische Automobilindustrie mit ihrem Exportanteil von 86 Prozent eröffnen könne:
Statt derzeit 34.400 direkt in der Automobil-Herstellung Beschäftigten könnten es 2030 laut BMK knapp 42.000 Personen sein. Das ist ein Beschäftigungsplus von rund 7.300 konkreten Arbeitsplätzen allein in der Automobilbranche.
Österreich ist Dieselmotoren-Führer
Österreich galt in der Vergangenheit führend bei der Entwicklung von Dieselmotoren. Die heimische Zulieferindustrie ist stark von den deutschen Autoherstellern abhängig – die jetzt von der Verbrennungsmotoren-Herstellung abspringen wollen. Österreich würde demnach im internationalen Wettbewerb stark zurückfallen, wenn es an alten Technologien festhält.
Deutschlands Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte heuer im März ein Ende des fossilen Verbrenners bis 2035 in Aussicht gestellt. Laut dem deutschen Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer haben auch Autoländer wie Japan, Großbritannien, Frankreich, Spanien oder Kanada bereits Enddaten zwischen 2030 und 2040 für die Verbrennungstechnologie festgelegt.
(jz/apa)
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