Intrige im Justizministerium:
Sektionschef Christian Pilnacek versuchte, Zugang zu den Emails von Korruptionsermittlern zu bekommen – ZackZack berichtete. Wie er dabei genau vorging, zeigen seine Chatnachrichten im Detail.
Wien, 08. Juni 2021 | Wie kommt man an die Mails von Staatsanwälten? Diese Frage stellte sich Christian Pilnacek im August 2019. ZackZack berichtete über den Plan des Sektionschefs, die Ermittler der WKStA zu überwachen, weil diese gegen ein Mitglied der SOKO Ibiza ermittelt hatten.
Wie wollte Pilnacek vorgehen? Wer waren seine Verbündeten? Wie wurde die Sache schließlich gestoppt? Chats zeigen, wie weit das “System Pilnacek” in der Justiz verzweigt war.
Die Intrige
23.08.19, 17:03, Pilnacek an Abteilungsleiterin M.: Staatsanwaltschaft ermittelte bis vor kurzem gegen ein Mitglied der Soko Ibiza. Es geht munter weiter, das kann man sich nicht gefallen lassen!!!
17:08, M.: Jetzt wäre echt mal das BMI dran. Das wird wohl auch Peschorn aufregen.
17:13, Pilnacek: Ja, aber wir müssen auch einmal aktiv werden; accounts der WKStA sichern. Damit sind die Mailaccounts der Ermittler gemeint.
17:26, M.: Ja, die OStA (gemeint ist die für die WKStA zuständige Oberbehörde, die Oberstaatsanwaltschaft Wien unter Johann “Hans” Fuchs) kümmert sich darum!
18:02, Pilnacek: Es ist alles so erbärmlich; bitte K. nichts erzählen (Freund von A.). K. ist jener Staatsanwalt, der später auf Falschaussagen seiner Vorgesetzten im Ibiza-U-Ausschuss hinweisen sollte; er genoss das Vertrauen von Justizminister Clemens Jabloner. A. ist der fallführende Staatsanwalt in der Causa Casinos.
18:03, M.: Nein, mach ich sowieso nicht! (Hbm erzählt ihm immer nur alles, aber das ist eh Sache der OStA. Das muss ich hbm jetzt nicht im Detail erzählen.)
18:05, Pilnacek: Ok, man muss aber auch HBK von diesen seltsamen Verbindungen erzählen. “HBK” steht im Beamtensprech für Herr Bundeskanzler. Gemeint ist offenbar Sebastian Kurz – der war zu diesem Zeitpunkt zwar nicht Bundeskanzler, das System Pilnacek betrachtete ihn aber wohl als solchen.
18:07, M.: Ich glaub, ich hab das schon erwähnt. kann das ja wiederholen.
18:32, Pilnacek: Unbedingt, er ist das Zentrum, was mit Lang bestätigt hat. Lang, das ist Franz Lang, damals Direktor des Bundeskriminalamts, geschäftsführender Generaldirektor für öffentliche Sicherheit und Österreichs mächtigster Polizist.
18:33, Pilnacek: Zu prüfen sind auch unsere Möglichkeiten nach §79g BDG (grundsätzlich wäre das eine Kompetenz des Dienststellenleiters). Das also ist Pilnaceks Plan: Der genannte Paragraf aus dem Beamtendienstgesetz erlaubt es Vorgesetzten, in die elektronische Kommunikation von Beamten Einsicht zu nehmen, wenn die sich schwere Dienstverfehlungen zuschulden kommen lassen. Das haben die Ermittler der WKStA aber nicht getan, also sucht Pilnacek dafür Helfer.
18:33, Pilnacek: Bitte damit S. beauftragen. S. ist der Leiter der Disziplinarkommission beim Justizministerium und ein Verbündeter Pilnaceks.
18:34, Pilnacek: Konversation mit Hans (Fuchs); Lang hat uns erzählt, dass A. seinen Chauffeur zur HD (Hausdurchsuchung) bei Strache beigezogen hat!!!! Die sind wahnsinnig. Polizisten der SOKO Ibiza berichten also dem Chef des Bundeskriminalamts Details aus Ermittlungsmaßnahmen. Dieser gibt sie hinter dem Rücken der Staatsanwälte an die OStA weiter.
18:40, M.: Ja, das ist leider korrekt.
25.08.19, 13:52, M.: Z. hat B. (beide Justizbeamte) gerade auf das 310er-Verfahren angesprochen, was da schon wieder los ist. Offenbar hat V. (ein Wiener Staatsanwalt) das überall herumposaunt. Unfassbar. Ich habe Hans darüber schon informiert. Ein “310er-Verfahren” ist ein Verfahren wegen Bruch des Amtsgeheimnisses. Das soll die Staatsanwaltschaft Wien gegen ihre Kollegen von der WKStA führen.
14:23, Pilnacek: Ja, das ist voll in die Hose gegangen…
14:24, M.: Keiner checkt von denen, wie heikel das alles ist, wohl auch die OStA nicht.
14:25, Pilnacek: Hans schon, sonst niemand; wir überlegen mal Befassung der GP zur Übertragung an eine andere StA! Das bedeutet: Pilnacek möchte seinen Einfluss bei der Generalprokuratur geltend machen, um das Verfahren an eine ihm gewogene Staatsanwaltschaft zu übertragen – laut Insidern ein zentrales Werkzeug im “System Pilnacek”. Auch die Ermittlungen gegen Pilnacek selbst wanderten von der Wiener Staatsanwaltschaft nach Innsbruck. Interimsminister Werner Kogler sorgte allerdings dafür, dass der fallführende Staatsanwalt aus Wien einfach in Innsbruck dienstzugeteilt wurde und den Fall weiter bearbeiten konnte.
14:26, M.: Ja, das wäre sicher aufgrund dieser Vorfälle angezeigt!
15:06, M.: Laut Hans besprechen Michi, Harald und Sonja (Beamte der OStA) morgen um 10:00 die weitere Vorgangsweise der OStA einschließlich dienstrechtlicher Maßnahmen.
15:22, M.: Hans ist ja leider auf Urlaub.
18:44, Pilnacek: Das ist gut, aber ich denke, die sind jetzt alle vorgewarnt.
18:59, M.: Ja.
19:04, Pilnacek: Alles ausgetrampelt; Direktor Lang habe ich gewarnt.
Der Plan geht nicht auf
Pilnaceks Pläne scheiterten. Weder gab es Ermittlungen wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses gegen WKStA-Beamte, noch gelang es Pilnaceks Helfern, sich nach Beamtendienstrecht Zugang zu deren Mails zu verschaffen.
Dieser Versuch konnte nur im Justizministerium selbst blockiert werden. Zuständig wäre die Abteilung III der Präsidialsektion im Minsiterium. Das gibt sich auf ZackZack-Anfrage wortkarg. Wir wollten wissen, ob der Versuch von Pilnaceks und M., mithilfe der OStA und Disziplinarkommissionschefs S. an die Mails der WKStA zu kommen, per Weisung gestoppt wurde.
Die Antwort des Justizministeriums fällt sehr spezifisch aus: “Die Abteilung III/5 hat in dieser Sache keine Weisung erteilt.” Die Sache wurde also offenbar inoffiziell abgeblockt.
(tw)
Titelbild: APA Picturedesk