Freitag, März 29, 2024

Kopf unter Polizeibus: Ein Jahr bedingt für Polizisten

Das ist ein Unterüberschrift

Jener Polizist, der vor zwei Jahren einen Aktivisten bei der Wiener Urania festgenommen und dessen Kopf unter einen Polizeibus gedrückt hat, wurde am Dienstag wegen Amtsmissbrauchs und falscher Beweisaussage schuldig gesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Wien, 15. Juni 2021 | Nach der Auflösung einer Demo von Klimaaktivisten am 31. Mai 2019 in Wien, bei der Vorwürfe über Polizeigewalt gegen Demonstranten laut wurden, ist am Dienstag ein Beamter wegen Amtsmissbrauchs und falscher Beweisaussage von einem Schöffengericht schuldig gesprochen worden. Der 29-Jährige erhielt eine bedingte Strafe von zwölf Monaten, weil er einen Passanten ohne Grund festgenommen haben soll. Der Kopf dieses Mannes lag dann unter einem Polizeiwagen, als dieser losfuhr.

Verteidiger meldete Berufung an

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sein Verteidiger Martin Riedl meldete volle Berufung an. Die Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligtenvertreter des Passanten, Clemens Lahner, gaben keine Erklärung ab. Richterin Anna Marchart sagte in ihrer Urteilsbegründung, dass eigentlich 15 Monate schuld- und tatangemessen gewesen wären, drei Monate wurden allerdings hinsichtlich der langen Verfahrensdauer nachgesehen. Der Senat habe dem 29-Jährigen nicht geglaubt, dass er nicht wusste, was er tat.

“Sie haben gewusst, dass dieser Festnahmegrund nicht vorliegt”, sagte die Schöffensenatsvorsitzende. “Sie haben wissentlich gehandelt”, und das sei die Voraussetzung für einen Amtsmissbrauch. Deshalb erhielt der Beamte auch einen Schuldspruch wegen der falschen Beweisaussage. “Sie haben zu keinem Zeitpunkt gesagt: ‘Das stimmt nicht, was ich gesagt habe'”, erklärte die Richterin.

Sitzblockade vor Urania

Am 31. Mai hatten Aktivisten der Umweltschutzinitiativen “Ende Geländewagen” und “Extinction Rebellion” den Ring bei der Urania blockiert. Bei der Auflösung der Blockade kam es zu unverhältnismäßiger Polizeigewalt, die zahlreiche Verfahren nach sich zog. Beschuldigt wurden auch Polizisten, der erste musste sich nun strafrechtlich verantworten. Dabei handelt es sich um einen 29-jährigen Exekutivbediensteten, der im Zuge der Auflösung der Demonstration einen Passanten wegen aggressiven Verhaltens gegenüber der Polizei festgenommen hatte. Laut Staatsanwaltschaft zu Unrecht, denn auf Videoaufnahmen und laut Zeugenberichten gab sich der Passant sehr ruhig und kooperativ und gar nicht aggressiv.

Der Vorwurf des Beamten, der Passant hätte ihn laut angeschrien und mit den Händen vor seinem Gesicht herumgefuchtelt, widerlegte der 30-Jährige als Zeuge nun vor Gericht. Er hätte normal gestikuliert, sagte er. Der Deutsche, der im Vorfeld an einem Klima-Camp teilnahm, hatte sogar seine Hände in der Tasche, als er festgenommen wurde, sagte der Staatsanwalt, der den Mann als “ruhigen Beobachter” der Demo bezeichnete.

Beamter hat “aggressives Verhalten empfunden”

Der Beamte bekannte sich vor Gericht nicht schuldig, räumte jedoch ein, er könnte die Situation falsch wahrgenommen haben. “Das, was ich jetzt erzähle, ist meine Erinnerung”, sagte der 29-Jährige. “Wenn man mir was zeigt (damit sind die Zeugenvideos gemeint, Anm.), was dem widerspricht, was ich wahrgenommen habe, dann tut es mir fürchterlich leid.” Er hatte die Anweisung, die Blockade aufzulösen und den Gehsteig zu räumen, was ihm den Protest von Passanten einbrachte. Es entstand eine Diskussion zwischen den Zuschauern und den Polizisten. Mit den Worten “Gemma, Gemma”, die im Video zu hören sind, wollte er die Passanten wegschieben. Da hätte der Deutsche vor seinem Gesicht gestikuliert und lauthals mit ihm gesprochen. “Ich hab’ ein aggressives Verhalten empfunden vor Ort”, sagte der Beschuldigte. Er habe den 30-Jährigen aufgeklärt, wenn er nicht gehen würde, dann würde er Zwangsgewalt anwenden oder ihn festnehmen. Dem hätte sich der Mann mit dem aggressiven Verhalten widersetzt, weswegen er die Festnahme aussprach.

Am Weg zum Polizeibus habe er “eine Gegenwehr” verspürt, weshalb er den Mann auf den Boden brachte und gemeinsam mit einem Kollegen unter dem Wagen fixierte. Im Nachhinein habe er bemerkt, dass eine Frau versuchte, den Festgenommenen wegzuziehen. Der Polizist, der immer noch im Dienst ist, gab zu, dass vielleicht diese Aktion die Gegenwehr verursacht habe. Dass plötzlich der Bus weggefahren ist, habe ihn “genauso schockiert”, wie die Passanten, die laut aufschrien. Im letzten Moment wurde der 30-Jährige hervorgezogen, ehe ein Rad ihn überrollen konnte.

Der Staatsanwalt gab zu bedenken, dass sich innerhalb von vier Sekunden, die von dem Ruf “Gemma, Gemma” und der Festnahme vergangen seien, eine Anzeige oder eine Abmahnung gar nicht ausgehen würde. Auch der Festgenommene meinte bei seiner Zeugenaussage, er wollte eigentlich den Ort des Geschehens verlassen, weil ihm die Lage zu aufgeladen geworden sei. “Ich bin zwei, drei Schritte gegangen und wurde schon gepackt.” Zwei Kollegen des Beamten – jener, der ihm bei der Festnahme geholfen hat, und der Fahrer des Busses, müssen sich noch vor Gericht verantworten.

(apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Markus Steurer
Markus Steurer
Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.
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14 Kommentare

  1. “A Kiberer möcht i sei”. Wolfgang Ambros singt in früheren Jahren, inzwischen zensuriert !

  2. Gib einem Affen eine Uniform und er wird sich benehmen wie ein Polizist …

  3. Vertrauen in die Polizei ist ein wesentlicher Bestandteil einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft. Noch ist dieses Vertrauen der ÖsterreicherInnen grösstenteils gegeben. Drei von vier Österreichern vertrauen der Polizei – die Exekutive steht damit auf Platz 1 der vertrauenswürdigen Institutionen.
    Noch.

    Genau deshalb ist eine schonungslose, transparente Aufklärung dieser Vorfälle notwendig. Ohne Rücksicht auf die handelnden Personen und ohne falsch verstandenen Corpsgeist.

    https://www.hagerhard.at/echt-rot/2019/06/was-ist-los-mit-der-polizei/

    • Es gibt da jene Polizisten, die ihren Dienst auf der Straße machen und jene, die offenbar mit Joghurt gefüttert werden, und auf Befehl Demonstranten einschüchtern und quälen, wie das am 6.3. in der Oberen Donaustraße der Fall war. Der Vertrauensindex der Polizei ist seit dem Abgang von Kickl von über 90 auf knapp 60% abgesackt. Kein Wunder, wenn diese Wappler Kinder, die zuvor noch in der Klasse gesessen haben, bei der Bushaltestelle um 120 Euro erleichtern, weil sie diesen evidenzlosen Verordnungsmüll mit aller Gewalt durchsetzen. “Ich hab ja nur Befehle befolgt”.

  4. Für polizisten gelten die selben gesetze wie für unsereiner. Basta.

    • sollten gelten … denn die Realität schaut ganz anders aus

  5. Zumindest werden in Ö Polizisten für so etwas noch verurteilt. In D – besonders in Sachsen – säße jetzt Herr Schindler auf der Anklagebank und könnte seine zivile Existenz an den Nagel hängen, abgesehen davon dass er mit Sicherheit illegal vom Verfassungsschutz ausgespäht worden wäre. Trotz aller bitteren Vorkomnisse in diesem Land bin ich gerade jetzt besonders froh hier zu leben.

    • Und was ist mit Tierschützer Martin Balluch? So weit her ist es nicht in Österreich mit der Gerechtigkeit.

  6. Jetzt schon die fünfte (!) Verurteilung der Polizei in der letzten Zeit!

  7. Bei den Anti-Maßnahmendemos wurden in den letzten Monaten eine Menge Leute völlig grundlos festgenommen. Man wird sehen, ob es da zu ähnlichen Urteilen kommt.

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