Das ist ein Unterüberschrift
Die Geister, die ich rief… Wie Österreichs Medienpolitik einen Moloch geschaffen hat, dem sie nun zu Diensten sein muss.
Daniel Wisser
Wien, 19. Juni 2021 | Heidi Pataki hat einmal zu mir gesagt: »Die Boulevardzeitungen sind der wahre Dreck in diesem Land.« Die jüngsten Enthüllungen von Thomas Schrems, die Einblick in die Mechanismen des österreichischen Boulevards geben, sind wieder Anlass für Diskussionen. Gebraucht hat sie niemand, denn jeder weiß, was in den großen Medienhäusern passiert.
Ich musste laut auflachen beim Anschauen von Sabine Derflingers Dohnal-Film, als ich hörte, wie dort Richard Nimmerrichter in einem Club-2 sagt, seine Zeitung verdiene sich ihr Geld selbst. Heute, wo die Kronen Zeitung die Zeitung mit den höchsten staatlichen Förderungen der Welt ist, während sie aus ihrem Verkauf nur ca. fünf Prozent der Einnahmen erzielt, zeigt sich, was für ein Monster hier geschaffen wurde. Und die Politik hat an der Erschaffung des Monsters einen wesentlichen Anteil.
Mafiamethoden
Geschaffen und am Leben erhalten wird dieses Monster durch Angst. Die Politiker fürchten diese Zeitung; sie erkennen in ihr nicht die vierte Gewalt, sondern die erste und einzige Gewalt in unserem Land, die (siehe Christian Kern) auch schon mal einen Bundeskanzler aus dem Amt schreiben kann. Mit ihrer Furcht vor dem Monster gehen Politiker verschieden um: Die einen wollen in den Besitz oder zumindest einen Teilbesitz der Krone kommen, wie Strache es ja im Ibiza-Video immer wieder zum Ausdruck bringt. Andere versuchen, das Monster zu ihrem Freund zu machen, wobei sie den Geldhahn immer weiter aufdrehen, andererseits aber im Sinne von Geschäft und Gegengeschäft dafür auch den Abdruck ihrer Werbung fordern. Das tun Sebastian Kurz und Gerald Fleischmann. Und so ist die Kronen Zeitung eine Informationsbrachefläche geworden, die aus Werbung besteht, die als solche ausgezeichnet wird, und aus Werbung, die als rührselig-populistischer Stammtischjournalismus in Kindersprache getarnt ist.
Wieder andere versuchen einen konfliktfreien und pragmatischen Weg und unterwerfen sich der Macht der Krone nur so weit es nötig ist, wie etwa Franz Vranitzky, der das monatliche Treffen mit Herausgeber Hans Dichand (im Café des Hotel Bristol, glaube ich) immer wahrgenommen hat. Als österreichischer Staatsbürger betrachte ich den Bundeskanzler aber als meinen Angestellten, der von meinem Steuergeld bezahlt wird. Er ist niemandem berichtspflichtig als dem österreichischen Volk. Und er ist auch zu keinen Schutzgeldabgaben verpflichtet, die aus meinem Steuergeld bezahlt werden. Das sind die Methoden von Clans und der Mafia. Es gab auch, wie Thomas Schrems erzählt, unter Hans Dichand das ungeschriebene Gesetz, dass sich jede/r österreichische Minister/in nach seinem Antritt bei der Kronen Zeitung vorstellen kommen musste. Man sieht mit welcher Dreistigkeit hier die Politik vor sich hergetrieben wird.
Betrug am Souverän
Betrogen wird dabei immer der Souverän: die Wählerinnen und Wähler. Und damit die Demokratie. Wir wollen nicht, dass unsere Regierung mit der vierten Gewalt Kooperationen eingeht. Journalismus sollte Politik aus einer bestimmten Distanz kritisieren und daher eben nicht mit ihr kooperieren. Wir wollen auch nicht Steuergelder bezahlen, um eine Zeitung zu subventionieren, deren Wert wie bei einer Aktie in einer Blase viel zu hoch gehandelt wird.
Es trifft dasselbe übrigens nicht nur auf die Kronen Zeitung, sondern auf alle Boulevardzeitungen zu und den derzeitigen Spin, sich gegen Fellners Österreich zu wenden, um Krone und heute zu verteidigen, halte ich für Bigotterie. Ja, es haben manche dieser Zeitungen (meistens Lokalteile) hin und wieder gute Kulturberichte, aber auf Seite 3 der Krone wurde das Werk der österreichischen Nobelpreisträgerin Jelinek als »Dreck« bezeichnet. Ja, manche Boulevardzeitung hat eine oder einen guten und geistreichen politischen Kommentator. Mehr als ein Feigenblatt sind diese AutorInnen aber nicht, denn wenn Wahlen anstehen, wird von den Boulevardzeitungen Politik nicht kommentiert, sondern Politik gemacht.
Weiter so, Herr Hofer, weiter so!
Alle Boulevardzeitungen bringen in Wahlkämpfen nicht nur Wahlempfehlungen, sie machen Wahlwerbung. So z. B. im Präsidentschaftswahlkampf 2016. Ich zitiere die Kronen Zeitung vom 06.04.2016, S. 20:
Lieber BP-Kandidat Norbert Hofer,
Fraglos sind Sie die televisionäre Überraschung des gegenwärtigen Wahlkampfs um die Hofburg!
Eloquent, gelassen, leise, souverän, schlagfertig und trotzdem blau.
Na ja, hellblau.
Und das Beste daran: Das linke Lager wird darob zusehends nervös, hypernervös.
Zum Beispiel Hans Rauscher, die Speerspitze des rosa getarnten Dunkelrot-Journals „Standard“ gegen Blau.
Die Stoßrichtung des Angriffs auf den Kandidaten ist klar: Der deutschnationale Hofer von 1815 geht nicht als österreichischer BP.
Weiter so, Herr Hofer, weiter so!
Michael Jeannée
Systemische Korruption
Und es geht immer weiter so. Wer also wird sich wundern, dass Thomas Schrems vom Sumpf systemischer Korruption berichtet? Wer wird sich wundern, dass die Liste Kurz alles tat, tut und tun wird, um sich diesen Medien anzudienen. Das begann schon damit, dass man wusste, dass Christian Kerns Staatssekretär Thomas Drozda den Entwurf für ein Medienförderungsgesetz in der Tasche hatte, das genau das vorhatte, was demokratiepolitisch höchstes Gebot ist: den Dreck der systemischen Korruption durch gesetzliche Kontrolle einzudämmen und die Chancengleichheit und fairen Wettbewerb unter den österreichischen Medien zu gewährleisten.
Der traditionelle Hass auf die Sozialdemokratie, der in der Kronen Zeitung seit dem Ausschluss von Franz Olah (der Dichand bei der Gründung der Kronen Zeitung geholfen hatte) aus der SPÖ ohnehin Grundton ist, tat das Seinige dazu. Kern musste weg und Kurz musste her! Das war das erste Mal, dass der Boulevard Mithilfe bei einem Staatsstreich leistete, einem Machtwechsel, wie er Jörg Haider, dem Liebkind der Kronen Zeitung, niemals gelungen war.
Es geht um die Demokratie
Schrems selbst sagt, dass er nicht nur die Krone meint, sondern dass es dabei um die Medien in diesem Land geht. Ich würde hinzufügen, dass es um die Demokratie in diesem Land geht. Wir müssen uns als Demokraten, Staatsbürger und Steuerzahler gegen Betrug und Mafia-Methoden so gut wehren, wie es möglich ist. Ich möchte nicht, dass die Bundesregierung mit meinem Steuergeld Inserate in Boulevardzeitungen schaltet. Und ich finde, dass zumindest eine rigide Deckelung der Ausgaben gesetzlich vorgegeben werden müsste. Wenn nicht überhaupt ein vollständiges Inserierverbot für öffentliche Stellen die bessere Lösung wäre. Damit hätten wir im Jahrzweistellige Millionenbeträge eingespart, die wir für die Ankurbelung des Arbeitsmarkts, die Senkung der Arbeitslosigkeit und die Stützung von Kleinbetrieben notwendig brauchen.
Titelbild: ZackZack