Freitag, April 19, 2024

Weiter Kritik an verstaatlichter Asylrechtsberatung

Trotz angeblicher Unabhängigkeit:

Justizministerin Alma Zadic präsentierte am Freitag „Safeguards“, die die Unabhängigkeit der verstaatlichen Rechtsberatung sicherstellen sollen. Der dazugehörige Vertrag bleibt aber unter Verschluss, kritisieren NGOs. Und eine Unabhängigkeit sei ihnen zufolge ohnehin unmöglich, solange die Zuständigkeit beim Bund liegt.

Wien, 18. Juni 2021 | Voll des Lobes war Justizministerin Alma Zadic (Grüne) über die verstaatlichte Asylrechtsberatung in der neuen Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), die sie nach eigenen Worten anfänglich skeptisch gesehen habe. NGOs kritisieren nach wie vor die „fehlende Unabhängigkeit“, die es in einer derartigen staatlichen Konstruktion auch gar nicht geben könne.

Bevor der Bund mit Anfang 2021 die Asylrechtsberatung wie auch andere Aufgaben der Flüchtlingsbetreuung übernahm, wurde sie von der ARGE Rechtsberatung (bestehend aus Diakonie und Volkshilfe Oberösterreich) sowie dem staatsnahen Verein Menschenrechte Österreich durchgeführt. Seit einem halben Jahr ist die Asylrechtsberatung nun in Händen des Bundes, wie in der türkis-blauen Regierung beschlossen.

Zum Hintergrund: Rund 40 Prozent aller Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) sind in der Erstinstanz mangelhaft. Betroffene Asylwerber können Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ansuchen, wo Richter über ihren Fall entscheiden. Auf Wunsch beraten und allenfalls vor Gericht vertreten werden Betroffene von den 120 Rechtsbersatern der BBU. Der Knackpunkt: Wie auch das BFA ist die BBU beim Innenministerium angesiedelt. Hier orten Experten einen Interessenskonflikt.

Zwar hat Zadic heute mehrmals ebenjene „Unabhängigkeit“ betont, die durch mehrere „Absicherungsmanahmen“ sichergestellt sei. Ein Weisungsrecht seitens der BBU-Geschäftsführung gebe es nicht, auch müssten Versuche eines Eingriffs in die Weisungsfreiheit dem Justizministerum berichtet werden. Es gebe eine „technische und organisatorische Firewall“ innerhalb der BBU sowie Evaluierungen und Aus- und Fortbildungsprogramme. Außerdem sei nun ein in Österreich absolviertes Jusstudium Voraussetzung für alle Rechtsberater.

„Hätte es nie gegen dürfen“

„Wir haben es uns schlimmer vorgestellt, doch die BBU bleibt ein Konstrukt, das es aus rechtssstaatlicher Sicht nie hätte geben dürfen“, sagt Wolfgang Salm vom Verein Fairness Asyl. Zwar gebe es viel positives Engamement beim gesamten Personal und auch beim Leiter der Rechtsberatung, Stefan Klammer. Doch viele Vorgangsweisen blieben unklar, etwa ob in höchstinstanzlichen Fällen wie vorgesehen Rechtsanwälte herbeigezogen werden und auf welche Art und Weise.

Salm kritisiert auch, dass der ebenfalls in der Pressekonferenz vorgestellte Qualitätsbeirat – u.a. mit Richtervereinigungs-Präsidentin Sabine Matejka und Hannes Tretter vom Boltzmann-Institut für Menschenrechte – laut Regierungsprogramm alle fünf Teilbereiche der BBU umfassen sollen. Nun befasst sich der Beirat aber ausschließlich mit der Rechtsberatung. Eine Erklärung dazu konnten uns Justiz- und Innenministerium nicht geben.

Kritik kommt auch von Lukas Gahleitner von der Asylkoordination Österreich. „Der Bund ist Alleingesellschafter, hat Einfluss auf die Bestellung von Aufsichtsrat und Geschäftsführung. Von Unabhängigkeit kann also keine Rede sein“, sagt er. Allenfalls könne die Rechtsberatung weisungsfrei sein, doch auch das sei nicht gesichert, da der Rahmenvertrag zwischen Innenministerium und BBU-Geschäftsführung unter Verschluss gehalten wird.

Auf ZackZack-Anfrage nach dem Vertrag verwies das Justizministerium an das Innenministerium, dieses blieb uns eine Antwort schuldig. In der Vergangenheit wurde immer mit „Amtsverschwiegenheit“ argumentiert. Die von uns befragten Experten aus der Zivilgesellschaft können diese Geheimniskrämerei nicht verstehen. Auch die heute präsentierten „checks and balances“ können damit nicht nachvollzogen werden.

„Ein tiefblaues Projekt“

Doch neben einem weitgehendem Ausklammern der Zivilgesellschaft aus Unterkünften, Rechtsberatung und Co. gibt es vor allem grundsätzliche Kritik. „Was im Vorfeld in Sachen Verbesserung möglich war, wurde gemacht. Der Sündenfall war aber, dass sich die Grünen dem System BBU verschrieben haben, einem tiefblauen Projekt“, sagt Gahleitner. Tatsächlich war die BBU eine Initiative des früheren FPÖ-Innenministers Herbert Kickl. „Ich will hier selber kontrollieren, damit man den Menschen nicht gleich am Beginn des Verfahrens falsche Hoffnungen macht“, sagte er bei der Vorstellung der BBU-Pläne im Oktober 2018.

Zwei BMI-Sektionschefs im Aufsichtsrat

„Derzeit läuft die BBU nicht so schlecht. Was passiert aber, wenn die Justizministerin nicht mehr Zadic heißt? Man darf nicht vergessen, dass im Aufsichtsrat zwei weisungsgebundene Sektionschefs des BMI sitzen“, sagt Ekber Gercik, Bereichsleiter in der Flüchtlingsbetreuung der Volkshilfe Oberösterreich. Gewisse Bemühungen seien erkennbar, etwa wurden viele der früheren Rechtsberater in die BBU übernommen. „Aber der grundsätzliche Interessenskonflikt bleibt.“

Offen bleibt die Frage, warum es überhaupt zur Verstaatlichung der Flüchtlingsbetreuung gekommen ist. Kickls Argument von Kostenersparnis und höherer Effizienz war „von Vornherein falsch“, sagt Gahleitner. Im Gegenteil, früher habe etwa die Diakonie Österreich Geld aus eigenen Mitteln zugeschossen. Und auch Zadic hat die vermeintliche Kostenersparnis heute relativiert: “Schwierig zu sagen, was das kosten wird, weil das Abrechnungssystem ganz anders ist als früher. Das wird sich erst in den nächsten Jahren weisen.“

Was der Sinn und Zweck der BBU ist – abgesehen von Kickls Wunsch nach Kontrolle – bleibt also fraglich. Zadic betonte den Qualitätsanspruch innerhalb der BBU, doch „auch Zivilgesellschaft und NGOs haben zuvor auf höchstem Niveau gearbeitet.“ Wo die Verbesserung also liegen soll, konnte oder wollte das Justizministerium auch auf ZackZack-Nachfrage nicht beantworten.

(fb)

Titelbild: APA Picturedesk

Markus Steurer
Markus Steurer
Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.
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23 Kommentare

  1. Wir können nicht die ganze Welt ernähren. Und schon gar nicht will ich junge Männer, die ihre Familien in Krisengebieten schutzlos zurückgelassen haben, hier finanzieren.

    Lassen ihre alten Eltern und Geschwister im Stich, vielleicht haben sie sogar schon Frau und Kinder, und lassen es sich bei uns gut gehen. Wir haben eine Wehrpflicht, aber versorgen Feiglinge vor dem Feind, die ihre Familien im Krieg sitzen lassen haben.

  2. Asyl ist eigentlich ganz einfach bei uns. Es gibt kein Asyl!
    Alle Länder an unserern Grenzen sind EU Länder – Werteunion und so!
    Zwei Ausnahmen:
    1) Der Klient ist aus dem Himmel gefallen, dann musste er zuvor keinen anderen Europäischen Boden betreten, um zu uns zu kommen
    2) Jetzt kann es Ungarische Asylanten geben; die müssen aber Homosexuell sein.

    Alles andere ist Migration. Es ist genug. Die Guten sollten endlich einsehen, dass die Zersetzung unseres inneren Friedens durch partielles Ignorieren des mehrheitlichen Willens der ansässigen Bevölkerung auf Dauer ein viel größeres Problem schafft.
    Das kann ein böses erwachen geben. Das verenden des Sozialstaats durch Mehrentnahmen aufgrund höheren Bedarfes, sei es durch Corona, vermehrte Ansiedellung kulturfremder und damit nicht einkunftsfähiger Personen und damit eine Verschärfung des Missverhältnisses Ein- zu Auszahlenden Menschen, wird eine soziale Unruhe etablieren. Dann ist Feuer am Dach, wenn der hunger kommt.

  3. Im Asylwesen wird sehr viel und im Sachwalterschaftsmissbrauch auffällig wenig Geld ausgegeben.

  4. “Ich will hier selber kontrollieren, damit man den Menschen nicht gleich am Beginn des Verfahrens falsche Hoffnungen macht“….
    Ich meine so falsch ist dieser Satz nicht, und er wird nicht falscher wenn ihn Kickl sagt……

  5. Nachdem ich 2011 aufhörte Grün zu wählen tat es mir 2013 leid, dass sie ganz rausflogen. Heute sehe ich das anders.

    Seit Grün in dieser Regierung sitzt haben sie keine einzige Möglichkeit genutzt, um nach ihrer Überzeugung – heute muss man sagen Image – zu handeln. Bei jeder einzelnen Gelegenheit eine Enttäuschung und der Verrat der eigenen Werte.

    Sorry, aber es macht offenbar überhaupt keinen Unterschied, ob die FPÖ alles abnickt oder die Bio-FPÖ. Die Grünen sind somit überflüssig.

    Nein, das ist kein Kunstprojekt, darum ja, das kann weg…..

  6. Was bleibt da unter Verschluss!
    Sind der Zadic jetzt alle Zacken von der Krone gefallen. Transparenz!!!
    Ich bin nicht Ausländerfeindlich, aber am besten sie schleicht sich dorthin, von wo sie gekommen ist, weil sie hat nichts dazu gelernt.

  7. Und wieder mal lobt sich Zadic sich selbst…für ihrE türkis blaue Linie…
    Wie sagten die türkisen abwertend, willige Frauen….Die gehört dazu…
    Die ist so verlogen und widerlich wie die Kriminelle Türkise Sekte…

  8. So ist Frau Zadic. Selber mal ein Flüchtlingskind gewesen. Und jetzt ist sie verantwortlich für diese Neuregelung. Für mich ist Frau Zadic auf menschlicher Ebene weit unterhalb von Herrn Kickl. Nur meine Meinung.

    Übrigens liebes ZackZack-Forum, ich verabschiede mich für einige Zeit. Die Menschenverachtung des Westen, vor allem bei der Flüchtlingsfrage, ist für mich nicht mehr ertragbar. Den letzten Ausschlag hat ein CNN-Artikel gegeben.
    https://edition.cnn.com/2021/06/18/australia/sri-lanka-biloela-family-intl-dst-hnk/index.html
    Dass Australien schon seit vielen Jahren Flüchtlinge sehr schlecht behandelt, wusste ich natürlich schon. Aber die im Westen hoch geachtete Macht Australien verachtet Flüchtlinge genauso wie die EU. Die Machtblöcke versuchen sich nur mehr in ihrer Verachtung zu übertreffen, um die Flüchtlinge fernzuhalten.

    Mich widert der Westen nur mehr an. Kriegsverbrechen ohne Ende. Massenhafte tote Flüchtlinge. Verachtung für arme Länder.

    Ich brauche jetzt eine Pause!

  9. Eine “super Demokratie” haben wir seit Jahrzehnten!

    Geheim
    Nationale Sicherheit….(???)
    Unter Verschluss
    Geschwärzt

    Türkis -Grün wollte ja eine transparente Politik machen , so im Wahlkampf!
    Ganz zu schweigen von den Grünen………….

  10. Nicht nur im Asylwesen sondern auch bei Sachwaltern und Kuratoren gibt es erhebliche Misstände denen die Justizministerin keine Aufmerksamkeit scheinkt. Für das Asylwesen wird viel Geld ausgegeben. Für jene, die sich oft selbst kein Gehör verschaffen können wird fast nichts getan!

    “Im Rahmen der Kritik wird u.a. von regelrechten Seilschaften unter Sachwaltern, Anwälten,
    Notaren, Richtern, Ärzten, Psychologen und anderen Gutachtern gesprochen. Eine schwerwiegende
    Problematik bedenkt man, dass laut Statistik Austria mittlerweile rund 2% der
    österreichischen Gesamtbevölkerung besachwaltet wird. Nicht überraschend daher, dass sich
    Initiativen „Sachwaltergeschädigter“ gründen und unter anderem auch über das Internet ihre
    negativen Erfahrungen mit Sachwalterschaften einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis
    bringen.”

    • Bei den Umfrageergebnisse der Türkisen und Grünen denke ich eher dass der Prozentsatz der Besachwalterten in Ö bei ca. 40% liegen müsste

  11. Die Zadic ist schon ganz türkis eingefärbt.
    Natürlich ist die Beratung für die Regierung OK, wenn sie deren Vorgaben erfüllt. Ich kann die Zadic auch nicht mehr sehen mit ihrem herumgeeiere

    • Die is doch Rechtsanwältin. Und kann einfach nicht flüssig sprechen. Dadurch entsteht immer der Eindruck Sie fürchtet sich und die ganze Sache ist Ihr mehr als unangenehm.
      Nur mit den Händen fuchteln ist einfach zuwenig. Da passt sie sich wiedermal den Türkisen an.

      • Vielleicht ging sie in die Politik, weil sie als Staatsanwalt oder Verteidiger mangels rhetorischem Vermögen keine Chancen sah. Die Türkisen werden ihr schon einen Crash-Kurs bezahlen, wenn sie dort auch offiziell angedockt hat.

  12. Ein Interessenkonflikt den man nie völlig ausräumen wird können. Der Fehler liegt einfach im System.

    • Wenn ich nach Australien oder die USA auswandern oder flüchten wollte würde ich schon annehmen, dass mich eine staatliche Stelle also eine Verwaltungsbehörde und keine NGO prüft. Man kann ja gegen den Bescheid der Behörde berufen und landet dann vor einem Richter.

      Wenn man die Verwaltungsbehörde unabhängig macht bedeutet das nur, dass die machen können was sie wollen und nicht was sie sollen. Unabhängigkeit führt oft zu Machtmissbrauch und Willkür.

  13. Der Fehler liegt im System. Eine Beratung kann nur im Sinne des Auftraggebers liegen. Man stelle sich vor der Richter amtet als Polizist und der Arbeitgeber vertritt Arbeitnehmerinteressen. Die handelnden Personen sind/wären gezwungen sich selbst zu kompromittieren. Das geht nicht. Erkennt Frau Z. dies nicht? Oder beweist sie einmal mehr ihre „Loyalität“?

  14. Der Einzige, dem ich dieses Projekt zu 100% vertrauensvoll in die Hände legen würde, ist Lukas Gahleitner. Hatte das Glück, vor mehreren Jahren mit ihm einige Zeit zusammen zu arbeiten. Ein großartiger und extrem kompetenter Mann! Am Foto: 2. von links ist wegen seiner desaströsen Geschäftsführung eines Spitals rausgekickt worden und dann “in der Familie” weich gelandet. Die 3. von links steht in jeder Weise Mitte rechts. Wischiwaschi zum Zeitschinden, mehr holt sie aus diesem sensiblen Thema leider nicht heraus.

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