Donnerstag, April 18, 2024

Der Oligarch und sein Draht zur ÖVP

Der Auslieferungsprozess von Oligarch Firtasch zieht sich weiter in die Länge. Am Mittwoch ist sein Sprecher in den Ibiza-U-Ausschuss geladen. Ebenso Ex-Justizminister Moser, der die Auslieferung laut FPÖ-Hafenecker verhindert haben könnte.

 

Benjamin Weiser

Wien, 23. Juni 2021 | Ex-Justizminister Josef Moser und der ÖVP-nahe PR-Berater Daniel Kapp sind am Mittwoch in den Ibiza-U-Ausschuss geladen. Beide könnten Fragen zu Oligarch Dmytro Firtasch gestellt bekommen.

Im März 2014 wird Firtasch in Wien festgenommen, doch nach neun Tagen kommt der ukrainische Milliardär für eine Rekordkaution von 125 Millionen Euro frei. Das Geld kommt von einem Putin-Günstling: Wassilij Anissimow, Präsident des russischen Judo-Verbandes.

Vorwürfe vom Ex-Koalitionspartner

Seit Firtasch gegen seine Auslieferung in die USA kämpft, hat er sein einflussreiches Netzwerk weiter ausgebaut. Im „neutralen Wien“ sitzt er zwischen den Ost-West-Fronten und pflegt beste Kontakte zur regierenden ÖVP. Die könnten zumindest nicht schaden, denn letztlich ist eine Auslieferung trotz Gerichtsverfahrens auch eine politische Entscheidung. Besonders der FPÖ-Fraktionsführer im Ibiza-U-Ausschuss, Christian Hafenecker, ist an der Rolle von Ex-Justizminister Josef Moser (ÖVP) in der Causa Firtasch interessiert.

Firtasch bei einem Gerichtstermin mit seiner Frau. Bild: APA Picturedesk.

Nur einen Tag im Amt, soll Moser demnach angeordnet haben, dass Firtasch nicht ausgeliefert wird, so Hafenecker im ORF. Der FPÖler nahm sich bereits Eva Schütz vor. Die war Teil des ÖVP-Justizteams bei den türkis-blauen Regierungsverhandlungen gewesen. Schütz dementierte im U-Ausschuss aber, dass es bei den Verhandlungen um dieses Thema gegangen sei. Dass ihr Mann Alexander Schütz („Macht diese Zeitung fertig ;-)“) eine Villa an Firtasch vermietet, unweit der vom inhaftierten Wirecard-CEO Markus Braun, versuchte die regierungsnahe Medienherausgeberin herunterzuspielen.

Mafia, Korruptionsvorwürfe und Geopolitik

Worum geht es bei den Vorwürfen gegen Firtasch? Das FBI jagt den ukrainischen Milliardär wegen schwerwiegenden Korruptionsvorwürfen, die Firtasch selbst vehement zurückweist. Für den Oligarchen gilt die Unschuldsvermutung, seine Anwälte orten eine „politische Kampagne“ der USA. Insbesondere, weil Firtasch eine wichtige Rolle in Trumps Ukraine-Affäre rund um Joe Bidens Sohn Hunter gespielt haben soll. Das dürfte dem amtierenden US-Präsidenten nicht schmecken. Der „New York Times“ sagte Firtasch deshalb, er sei da „hineingezogen worden“.

Doch ein Treffen mit zwei Mittelsmännern von Trumps Anwalt Rudy Giuliani in Wien gestand er ein. Ebenso räumte der Putin-nahe Oligarch in einem Interview mit dem US-amerikanischen Medium „The Daily Beast“ Kontakte zu einer Größe der russischen Mafia ein.

Prozess könnte neu aufgerollt werden

Im Justizministerium von Alma Zadic hält man sich auf ZackZack-Nachfrage bedeckt: Übergangsminister Clemens Jabloner habe im Sommer 2019 die Auslieferung bewilligt, nun sei die „Organisation der Überstellung eine Sache der unabhängigen Rechtsprechung“. Doch so einfach ist es nicht. Eine Nachfrage beim Wiener Landesgericht für Strafsachen zeigt, wie lange es noch dauern könnte.

Seitens des Betroffenen sei „ein Antrag auf Wiederaufnahme des Auslieferungsverfahrens eingebracht“ worden, „verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung“. Der Antrag sei offen. In der Zwischenzeit sind augenscheinlich etliche Unterlagen und Stellungnahmen eingebracht worden. Der ganze Prozess habe „sich aufgrund der pandemischen Situation in Europa (Reisebeschränkungen, deshalb Fristerstreckungsanträge usw.)“ verzögert, auch einen Richterwechsel hat es gegeben. Bis sich der neue Richter einarbeitet, könnten etliche Monate, vielleicht Jahre vergehen.

Türkise Verbindungen und ein Haufen Zufälle

Neben Moser ist auch Daniel Kapp in den U-Ausschuss geladen. Der soll Insidern zufolge einen hohen fünfstelligen Betrag für die Firtasch-PR bekommen. Der ehemalige Pressesprecher von Ex-Vizekanzler Josef Pröll ist nicht der einzige Kontakt des Oligarchen in die türkise Machtsphäre. Mit Kurz-Ziehvater Michael Spindelegger und Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter ist Firtasch via „Agentur zur Modernisierung der Ukraine“ geschäftlich verbunden, obwohl die Agentur ihre Arbeit de facto eingestellt hat. Dass Kanzler Sebastian Kurz den auffällig günstigen Flug im Firtasch-Jet für „nicht relevant“ befunden hatte, wirkt in diesem Kontext umso heikler.

Auch im Zuge der Wirecard-Affäre fallen gewisse Verbindungen ins Auge. Das „Handelsblatt“ berichtete jüngst, „wie Jan Marsalek einen ukrainischen Oligarchen in Not half“. Gemeint war Firtasch, der mehr als 40 Konten bei der Wirecard Bank eröffnen wollte, nachdem die Raiffeisen ihren einstigen Top-Kunden fallen gelassen hatte. Brisant: Kapps Ex-Chef Pröll war Raiffeisenaufsichtsrat, derzeit ist er Vorstand des Raiffeisen-Teilkonzerns Leipnik-Lundenburger. Der ÖVP-nahen Bank Raiffeisen war die Causa Firtasch aber insgesamt zu heiß geworden. Der bestens vernetzte Wirecard-COO Jan Marsalek musste einspringen – obwohl er streng genommen gar keine Funktion in der Konzern-eigenen Bank hatte.

Laut internem Wirecard-Mailverkehr hatte die Bank des mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleisters detaillierte Fragen zum Jet Firtaschs und dessen Zahlungsfähigkeit. Die Prüfung des neuen Kunden beschäftigt laut „Handelsblatt“ mittlerweile auch die deutschen Ermittler. Im Wirecard-U-Ausschuss des Bundestages bestätigte Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Häusl, dass man wegen Geldwäsche auch in einem „Komplex Oligarchen“ ermittle. Namen der Beschuldigten und Details wollte die Ermittlerin aber nicht nennen, so das Blatt.

Titelbild: APA Picturedesk

Ben Weiser
Ben Weiser
Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4
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31 Kommentare

  1. Hut ab, wer da noch dermaßen den Überblick behält. Offensichtlich eine wirklich gelungene Organisation um das mit allen Querverbindungen, Verstrickungen, Aussagen,… noch zu überblicken.
    Wie auch immer; weiter so!

    • Gegen organisierte Kriminalität hilft nur organisierter Journalismus mit viel Engagement, Leidenschaft und Akribie! Und, viel Papier, wo man all die vielen kleinen Details sammeln kann, bis sie das größere Ganze zeigen 😉

      • Microskop, Lupe, Augenhöhe, Drohne. Flugzeug, Satellit, so geht sich Übersicht verschaffen, jede Ebene sieht ein Bild, alle zusammen die Wirklichkeit…., Journalismus sollte alles zusammen sein….

        was zum testen – Thema hinzufügen – geht als (noch) Gast.
        https://mfe.webhop.me/chat/gastbeitraege/

        • 😂 man lernt dazu!
          Spielregeln Paragraph 3.1.5 und Paragraph 3.1.7 kommen vermutlich nicht aus der Quellwebsite. Habe hier spontan zwei Personen im Kopf, bin aber etwas verwirrt weil ich eben feststellen musste dass es kein Paragraph Sonderzeichen auf meinem Handy gibt.

          Trotzdem: Gut gemacht 👍🏻

          • Danke! 😍

            Hab das ganze in 4 Tagen nebenbei gebaut, sind noch Fehler drinnen.
            Die Quelle ist meine Inspiration gewesen, die Texte und § hab ich angepasst nach meinen Vorstellungen.
            Ihr Eindruck entspricht wohl selektivem Zufall 😉😂

          • …. sicher 😄 Übrigens hat das Handy das Zeichen, unter den Zahlen gibt es noch eine Rubrik, da sind die Sonderzeichen drinnen…

          • Also…… meines hat’s nicht. Es war heute Morgen zwar früh, aber so früh auch wieder nicht dass ich nicht wüsste wo ich Sonderzeichen finden kann.
            Hab ein iPhone 8 weil ich den Gesichtsscanner kategorisch ablehne.
            Würde gern die zwei Bilder der Zahlen und Sonderzeichen als Screenshot hochladen. Geht leider nicht. Aber ich weiß mir ja zu helfen. Trotzdem danke. Ich weiß dass es gut gemeint war. 😉

          • …. ok bitte…., meine Beschreibung trifft auf einen “Androiden” zu, mit Äpfel hab ichs nicht so…😉
            Tja, Gesichtsscanner, die sind noch leichter zu überlisten wie ein Fingerprintsensor…, es reicht ein schlechtes (schwarz/weiss) Foto…

          • Apple hat es anscheinend nicht so mit §; kann darüber hinwegsehen, wenn sie die Backups von Blümelis Apple rausgeben. 😁

          • Ein Lehrer schrieb mir ins Stammbuch:
            Hab Hoffnung aber keine Erwartung. Dann erlebst Du nur Wunder aber nie Enttäuschungen.

            MFE needs a little bit hope 🙃

          • „So merke dir, mein liebes Kind: Hoffnung und Liebe machen blind, und manchmal auch noch taub und stumm. Alles in allem also – dumm.“
            ―Erhard Blanck

            so kann man das auch sehen…, tue ich aber nicht…😉
            Meine Hoffnung basiert auf Wissen, Wissen gibt Hoffnung… 😇

          • 😂 ich hatte definitiv nette Lehrer und bin froh dass er mir seinen Spruch hineingeschrieben hat.
            Ihr Spruch ist zwar oft wahr, aber trostlos.
            Und um wieder auf Kurz, Firtasch, Blümel & Co zurückzukommen; nehm ich lieber meinen: Hoffnung ohne Erwartung, als Ihre Hoffnung & Liebe und als Draufgabe noch Dummheit.

            Ich weiß nur, dass ich noch zu wenig weiß, aber ich bin ja noch im lernfähigem Alter.

          • Ihre Lehrer war definitiv gute, meine haben Stammbücher gehasst…, also gibt’s keines…. 😔
            Wir/Ich wissen viel, aber nichts im Vergleich zu dem was es zu wissen gäbe…., oder noch geben wird.
            Oben genannte gehören nicht zur erlesenen Gruppe der Wissenden, eher zu Gruppe der Wissens Verhinderer.
            So wie meine Physik Lehrerin, der hab ich als 12 Jähriger Physik erklären müssen, sie hat das Fach gehasst…., die Bücher dazu hatte ich gelesen, nicht sie…😖

        • … sollte alles zusammen sein…

          Nicht zu vergessen: Blickwinkel ändern

      • Bin eher ein Fan von handschriftlich geschriebenen, dachte spontan aber an OneNote; trotzdem die Komplexität der Verstrickungen ist schwer zu fassen.
        Hätte sich das Ganze vor 20 Jahren abgespielt hätte es kaum jemand mitbekommen weil auch die Vernetzung im heutigen Umfang fehlte. Diese Arroganz, Präpotenz… (möchte mich ungern früh morgens schon in Rage reden) hat ein Ablaufdatum.

  2. Der bekommt auch noch die Staatsbürgerschaft wenn’s nach der ÖVP/NVP geht.

  3. Kein Wunder, dass die alle völlig verfallen wenn sie ein Weilchen in der Politik sind. Muss irre anstrengend sein, denn ganzen Schmutz zu verbergen der sich seit Jahrzehnten unter der Decke auftürmt. Mittlerweile so hoch, dass es schon entsprechende Kraftanstrengungen kostet das alles noch bedeckt zu halten. Für uns hackeln diese Leute jedenfalls schon lange nicht mehr, dafür hätten sie gar keine Zeit selbst wenn sie es wollten.

    • … die allgemeinen “Schmutzberge” sind hoch, da muss man seinen eigenen gar nicht erst groß verstecken…. 🥶

  4. Wann wird endlich der gesamte Raiffeisen-Konzern inklusive aller Verästelungen scheibchenweise aufgeblättert? Er ist das Herz der ÖVP und sollte dem zukünftigen Finanzminister (Krainer wäre mein Wunsch) und zukünftigen Justizminister (Krisper detto) ein besonderes Anliegen sein.

  5. Der pure Wahnsinn ist in Wirklichkeit dieses schwarz/türkise Krebsgeschwür, welches offensichtlich in jeden noch so kleinen Winkel in Österreich gestreut hat und seit Jahrzehnten wütet. Man fragt sich, wann haben diese Familienmitglieder eigentlich noch Zeit, für die Bevölkerung zu hackeln? Offenbar gar nicht. Diese Bagage sackelt uns seit jeher aus und grinsen dabei auch noch blöd, einfach nur noch unerträglich. Wann wird die Bevölkerung endlich munter, es kann doch nicht wirklich so viele Depperte geben!

    • Wenn sich am Teller der Ö nichts ändert und die gekauften Medien nichts berichten, geht’s vermutlich weiter…..

      • Wie sagte nochmals Einstein? “Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die Dummheit der Menschen. Nur beim Universum bin ich mir nicht sicher.” 😉

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