Skandal im U-Ausschuss:
Bei der Befragung von Kanzler kurz im Ibiza-Untersuchungsausschuss kam es am Donnerstag zu einem einmaligen Vorgang. Durch verschiedene Kniffe verzögerte Kurz die Befragung um mehrere Stunden. Schließlich verwickelte er sich in Widersprüche.
Wien, 01. Juli 2021 | Bundeskanzler Sebastian Kurz war am Donnerstag einzige Auskunftsperson im Ibiza-Untersuchungsausschuss. Bereits im Vorfeld der Befragung kam es zu heftigen Auseinandersetzungen um eine anonyme Anzeige gegen Kurz. Dieser wird der Nötigung eines Kirchenvertreters beschuldigt; es geht um die berüchtigten Chats zwischen Thomas Schmid und Sebastian Kurz. Schmid setzte den Sekretär der Bischofskonferenz unter Druck und drohte mit der Abschaffung von Steuerprivilegien. Kurz spendete dem Beifall.
Anzeige gegen Kurz in Causa Kirchenchats
SPÖ-Abgeordneter Jan Krainer vermutete, die Anzeige könne dazu dienen, Kurz einen Vorwand zu geben, um sich zu Fragen über diese Chats zu entschlagen. Die Anzeige trägt die Initialen A. H. – also wie jene des Fraktionsführers der ÖVP im Ausschuss, Andreas Hanger. Der bestreitet auf ZackZack-Nachfrage vor der Befragung, Urheber der Anzeige zu sein. Krainer sei „eine Schande“ und solle einen Psychiater aufsuchen.
Tatsächlich berief sich Kurz im Rahmen seiner Befragung dann auf die anonyme Anzeige, um keine Fragen zu den Chats über die Kirche beantworten zu müssen.
Aufregung gab es auch um Kurz‘ Vertrauensperson, ÖVP-Parteianwalt Werner Suppan. Der ist als Verfassungsrichter für Entscheidungen zuständig, die den Untersuchungsausschuss unmittelbar betreffen. Außerdem sieht FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker Suppan in Affären verwickelt, die Untersuchungsgegenstand des Ausschusses seien.
Kurz fordert Reform des Untersuchungsausschusses
Im Vorfeld kritisierte Kanzler Kurz den Untersuchungsausschuss scharf – den Abgeordneten ginge es nicht um Wahrheitsfindung, sondern Skandalisierung. Kurz forderte eine Reform des Ausschusses. Zwar stünde es ihm als Angehörigem der Exekutive nicht zu, dem Parlament Vorschlage zu machen, er tat es aber doch: Kurz wünscht sich, dass die Fragen im wichtigsten parlamentarischen Kontrollgremium nicht von Abgeordneten, sondern von Richtern gestellt werden.
Der Bundeskanzler bestritt in seiner Befragung jedwede illegale Spende an die ÖVP. Wer eine solche annähme, müsse „ein fester Trottel“ sein. Wenn jemand spende, dann nicht, weil der Spender eine Gegenleistung von der ÖVP erwarte. Im Gegenteil: Wer spende, befände sich dadurch im Rampenlicht und halte sich mit Wünschen an die Partei ganz besonders zurück. Finanzangelegenheiten stünden, so der Kanzler, für ihn nicht im Vordergrund. Er kenne nicht einmal den Kontostand seiner Partei.
Einmalige Verzögerungstaktik – Sobotka schläft ein
In einem noch nie dagewesenen Vorgang stellte ÖVP-Abgeordneter Klaus Fürlinger sehr kurze, allgemeine Fragen. Kurz antwortete mit stundenlangen Vorträgen, die mit Untersuchungsgegenstand und Fragen wenig zu tun hatten. Mit seinen nur sechs Minuten Fragezeit schaffte es Fürlinger, Kurz Vorlagen für Antworten von über anderthalb Stunden zu liefern. Damit war inklusive der einleitenden Fragen des Verfahrensrichters die Hälfte der maximalen Fragezeit vergangen, ehe sich Kurz auch nur einer einzigen Frage eines anderen Abgeordneten stellen musste. Vorsitzender Wolfgang Sobotka ließ seine Parteifreunde gewähren. Die Ausführungen des Kanzler waren derart weitschweifig, dass der Sobotka zwischenzeitlich einschlief.
In den USA ist diese Taktik als Filibustering bekannt: Dabei halten Mitglieder des Senats stunden- oder gar tagelange Reden, um Zeit für politische Manöver zu gewinnen. In Österreich war diese Taktik bisher nicht gebräuchlich, weil die Redezeiten von Abgeordneten streng beschränkt sind. Im Fall von Untersuchungsausschüssen gilt das auch, aber nur für die Abgeordneten. Die Auskunftspersonen können so lang antworten, wie sie wollen. So füllte Fürlinger mit seinen sechs Minuten Fragezeit beinahe die Hälfte der gesamten Befragung.
Als schließlich SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer seine erste Frage stellte, nahm sich Kurz eine Viertelstunde lang Zeit, um gemeinsam mit seinem Anwalt das zur Frage vorgelegte Dokument zu studieren. Die Zeit lief weiter.
Krainer wollte daraufhin Teile der Kurz-Tapes vorspielen, die ZackZack am Mittwoch veröffentlicht hatte. Die ÖVP-Fraktion versuchte, das mit Geschäftsordnungsmeldungen zu verhindern. Eine Stehung wurde einberufen. Nach über zwei Stunden hatte Kurz erst eine einzige Frage beantworten müssen. Die Tapes durften nach langer Beratung schließlich vorgespielt werden. Sobotka ließ die Fragen Krainers zu den Tapes allerdings nicht zu.
In weiterer Folge stießen ÖVP-Abgeordnete ausschweifende Geschäftsordnungsdebatten an. Die Zeit lief. Schließlich konnten nicht einmal alle Fraktionen ihre Fragen stellen. Die FPÖ-Befragung wurde unterbrochen, Grüne und NEOS kamen gar nicht mehr an die Reihe – das gab es noch nie zuvor.
Widersprüche
In der Befragung durch FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker verstrickte sich Kanzler Kurz in Widersprüche. Nachdem er zu einem früheren Zeitpunkt der Befragung von einer Begebenheit gesprochen hatte, zu er das vollständige Ibiza-Video noch nicht gekannt hatte, sprach er nun davon, es noch nie gesehen zu haben.
Und: Auf eine Frage Hafeneckers antwortete Kurz, er müsse in seinem Kalender nachsehen, um sie beantworten zu können. Es geht um eben jenen Kalender, den Kurz dem Ausschuss nicht vorgelegt hatte, weil er angeblich – gesetzeswidrig – vernichtet sei. Darauf durch Hafenecker angesprochen sagte Kurz, er habe nicht seinen Kalender, sondern den des Parlaments gemeint. Der angesprochene Termin kann aber unmöglich im Kalender des Parlaments (den es so gar nicht gibt) stehen: Es geht um einen Termin zwischen Kurz und dem Bundespräsidenten.
(tw)
Titelbild: APA Picturedesk