Mittwoch, April 24, 2024

»Erheblicher Erklärungsbedarf« bei Nehammer – Pushback-Urteil

Pushback-Urteil

Karl Nehammer steht in der Kritik. Amnesty International kritisiert das Schweigen des Innenministers zum gestrigen Pushback-Urteils als “schändlich”.

Wien, 06. Juli 2021 | Das gestrige Urteil des steirischen Landesverwaltungsgerichts, laut dem die Zurückweisung eines geflüchteten Marokkaners nach Slowenien ohne eingehende Prüfung der Asylgründe illegal war, sorgt weiter für Diskussionen. Das Innenministerium wollte sich zum Fall nicht äußern und verwies auf die Landespolizeidirektion Steiermark. Amnesty International kritisierte das heftig. Hier zu schweigen, sei “schändlich”, so Generalsekretär Heinz Patzelt am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal.

Pushback verletzte Achtung der Menschenwürde

Das Gericht hatte nach einer Beschwerde des 21-Jährigen Ayoub N. entschieden, dass dessen Behandlung durch steirische Polizisten und die sofortige Zurückweisung (Pushback) nach Slowenien sowohl das Recht auf Achtung der Menschenwürde als auch das Recht auf ausreichende Dokumentation verletzt haben und deshalb rechtswidrig waren. Zudem legte der Richter nahe, dass es sich um keinen Einzelfall handle, sondern solche Pushbacks – sie widersprechen etwa der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) – in Österreich methodisch Anwendung fänden.

“Menschenrechtlich wirklich schwerer Skandal”

Laut Amnesty zeigt das Urteil, dass es für eine solche Vorgehensweise eine gewisse “Einstellung, ein Mindset” in der Polizei gibt. Es sei ein “menschenrechtlich wirklich schwerer Skandal”, wenn ein so grundlegendes Menschenrecht, wie einen Asylantrag zu stellen, in solcher Art und Weise verletzt werde – “erniedrigend, demütigend, mit widerlichen Begleitumständen (…) – im Glauben, es geht einfach”, so Patzelt zu Ö1.

Er sei “wirklich entsetzt” darüber, dass Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) als oberster Chef der Polizei zu dem Fall nicht Stellung beziehen wolle und “das zu einem lokalen Problem macht”, kritisierte der Amnesty-Generalsekretär. Der Fall sei die “zentrale Verantwortung eines politischen Kopfes” wie des Innenministers. Dieser müsse dafür sorgen, dass es künftig keine illegalen Pushbacks aus Österreich mehr gebe.

Die Landespolizeidirektion Steiermark wies indes die Vorwürfe der methodischen bzw. regelmäßigen Praxis der Zurückweisungen “entschieden zurück”, wie ihr Sprecher Markus Lamb laut Ö1 sagte. Man prüfe nun eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof; das derzeitige Urteil sei noch keine endgültige Entscheidung. Sollte aber Fehlverhalten seitens der Polizei festgestellt werden, werde man das “so zur Kenntnis nehmen und in unsere Ausbildung und unser Vorgehen einfließen lassen”, meinte Lamb.

Auch Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, sprach sich am Dienstag anlässlich des Urteils und einer Debatte im EU-Parlament klar gegen Pushbacks aus. Flucht sei kein Verbrechen, “jeder Mensch, der an die Grenze eines Landes kommt und sagt: ich brauche Asyl – darf nicht abgeschoben werden, sondern muss ein faires Asylverfahren erhalten”, betonte sie in einer Aussendung. Die Pushback-Praktiken der EU-Grenzschutzagentur Frontex und einigen EU-Mitgliedstaaten, wie auch Österreich, “sprechen diesem obersten Prinzip der Flüchtlingskonvention Hohn. Verfolgte Menschen haben Recht auf Schutz und Zuflucht in der EU und verdienen rechtsstaatliche Asylverfahren.”

“Erheblicher Erklärungsbedarf” bei Nehammer

Die SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath sieht “erheblichen Erklärungsbedarf” bei Nehammer. “Die Polizei darf keine Vor-Selektierung vornehmen, indem sie Menschen in Nachbarländer zurückschickt, bevor über deren Schutzstatus von den österreichischen Behörden entschieden wurde. Genaue diese Praxis wurde jetzt aber durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark festgestellt und als völkerrechtswidrig bezeichnet”, hielt sie in einer Aussendung fest. “Ich hoffe, dass dieses Erkenntnis diese Praxis vollends unterbindet. Unsere Grenzen sind kein rechtsfreier Raum – auch an ihnen ist die Menschenwürde zu achten.

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

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26 Kommentare

  1. Flüchtlinge oder Migranten? Aha, der Innenminister soll es erklären. Und wenn was „passiert“, soll es auch der Innenminister erklären. Mit dem EU-Beitritt hat sich Österreich ganz schön was eingehandelt. Man muss gar nicht „rechts“ sein um sich an den Kopf zu greifen.

  2. Die Frage ist wirklich: Wie sieht eine rechtsstaatlich korrekte Vorgehensweise bei großen Flüchtlingszahlen aus? Die Flüchtlinge anhalten und eine mobile Behörde an der Grenze aufbauen? Pushbacks ohne Überprüfung sind ein Rechtsbruch, aber realistisch geshen wird keiner der Flüchtlinge eine persönliche Verfolgung in Slowenien nachweisen können. Die GFK bezieht sich eben nur auf persönliche Verfolgung und Flucht in ein Nachbarland, das die GFK ratifiziert hat. Um einiges schändlicher finde ich die Abschiebungen von bereits gut integrierten Flüchtlingen und Migranten.

  3. Herr Nehammer hat wirklich sehr großen Erklärungsbedarf. Besonders seit dem Anschlag in Wien. Danach sollte er uns endlich erklären, warum er immer noch Innenminister ist. Auch die angeblich geleistete Hilfe in Moria war anscheinend nicht mehr als eine PR Aktion und die Zelte sind längst vom Winde verweht. Warum ist so jemand noch Innenminister? Weil er von der ÖVP ist?

  4. Sollte hierbei ein Fehlverhalten der Polizei festgestellt werden… Nehammer meint damit dass das Urteil des LVG vorerst einmal vernachlässigbar ist. Er meint wohl dass es nun ihm obliegt zu überprüfen ob man nicht doch “verfassungskonform” vorgegangen sei bei diesem massiven Rechtsbruch. Denn wie hieß es so schön? “Das Recht muss der Politik folgen und nicht die Politik dem Recht”.
    Verfassung, Gesetzgebungen und Urteile von Gerichten finden von Türkis nämlich nur Anerkennung wenns kompatibel ist mit ihren Überzeugungen. Und wenns auch nur der Kickl war der die Türkisen in dieser Haltung bestätigte.

    • In Zynismus steht dieser stramme Herr dem Sobotka in dessen Zeit als IM um nichts nach. Nur setzt er diesen nicht so bewusst ein sondern folgt da vielmehr seinen Instinkten.

  5. RECHT muss RECHTS bleiben!
    Schon von RECHTS wegen her!

    Denn es ist, wie es immer ist: Wer zu lange an der Macht ist (und das ist die VP seit 1325 v.Chr.), steht plötzlich über dem Gesetz. Zumindest in deren Mindset. Das ist brandgefährlich. Daher: Zum EUGh mit der Praxis und weg mit der NVP aus der Regierung.

  6. Das System Nehammer sollte an den Europäischen Gerichtshof und ausländische Medien herangetragen werden.

    • Wir wissen es ohnehin.
      Werden die krone leser es über die ausländischen medien erfahren?

  7. Mit den Menschenrechten ist es in Österreich nicht mehr weit her. Amnesty hat jede Menge zu tun in Österreich. Vor kurzem wurden Menschenrechtsverletzungen begangen an den ausländischen 24 Stunden Betreuerinnen festgestellt. Beschämend was aus unserem Land geworden ist.

    • Das war leider immer so, allerdings konnte die ÖVP das bislang erfolgreich vertuschen. So eine Pandemie legt zum Glück vieles offen.

    • Vielleicht ist es beschämend, wenn die Arbeitssklaven ins Land wo Milch und Honig fließt, im Namen von Recht geschleppt werden, damit man denen dort Bruchbuden um überzeuertes Geld auf Steuerzahlerkosten vermieten kann, denen Sklaven dann Glasperlen in Form von Schrottautos verramschen kann, damit die dann als U-Boote unsere Propagandazeitungen um 5e in der Früh vor die Haustüren pfeffern können.
      Ganz sicher ist es aber beschämend wie die blökende Gutmenschtruppe im Namen von Asyl und Grundrechten, wie “Würde”, das Sozialgefüge zum kollabieren bringen, und dabei nicht mal mitkriegen, dass die nur Spielmaterial im Game um die ganz großen Profite sind ..

  8. recht mus recht bleiben

    so kommentierte nehammer in der zib die abschiebung der mädchen nach georgien.
    was halt die övp so unter recht versteht.

    • Zynisch, brutal und menschenunwürdig. So kenne ich die methoden der schwarzen brüder seit jahrzehnten. Früher machten sie es odrahter.

  9. Nachdem das Geschäft mit den neuen Arbeitssklaven den Milliardären wohl noch viele Milliarden mehr bringt, werden die Schlepper NGO’s es sich wohl auch nicht nehmen lassen, sich von den Sozialsystemzerstörern, weiter fürstlich audhalten zu lassen.
    Winkeladvokatentum, Rechtsverdreher und Demokratiemissbräuchler zerstören im Namen von vorgeblichem Recht alle für wirklich Bedürftige geschaffenen Hilfen.
    Aussetzen aller missbräuchlich verbiegbaren Gesetze, solange bis der Wille des Souverän sich wieder in aktuell angepassten Regelungen wiederfindet. Und NGO’s sind nur ein Winzteilchen des Souverän !

  10. Menschenrechte, die Verfassung… wen interessiert das?

    Hauptsache wir haben eine elegante Verfassung wie VdB zu sagen pflegt, vom Einhalten dieser ist nicht die Rede!also, warum sollte Türkis grün Menschenrechte einhalten! Wäre doch lachhaft!

  11. Jetzt wird die Polizei / Innenministerium / Nehammer fast schon monatlich verurteilt.

    • Keine Sorge, hat eh keine Konsequenzen! Wie hat einst Kickl gemeint .. das Recht hat der Politik zu folgen … er wurde dafür geteert und gefedert, beim Schmähammer mit den zugenähten Lippen gehört das dazu! Und, stört es wen?

    • Zumindest hat der Karli eingeräumt dass es zur Kenntnis genommen wird wenn hier fehl gehandelt wurde. Ist doch schon allerhand, oder? Und dass er meint dass so was dann zu Einschulungszwecken hergenommen werden könnte muss auch gewürdigt werden, obwohl man hierbei nicht so genau weiß wie er es meinte 🤔

  12. Jeder einzelne dieser Gutsherren (wir bezeichnen sie beiläufig auch als Minister, Kanzler, BPräsident), steigt auf seine Weise der Bevölkerung und jeden der sich einbildet hierher zu kommen weil er denkt Österreich sei so toll, ins Gnack – blöd nur für die die eine Stiefelallergie ham …

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