Druck auf Österreich
Ein österreichisches Privatflugunternehmen verstieß gegen das EU-Flugverbot für Belarus. Das Außenministerium beschwichtigt, während das Verkehrsministerium mittlerweile eingelenkt hat.
Wien, 06. Juli 2021 | Die EU-Flugsicherheitsagentur EASA untersagt Flüge über Belarus. Das geht aus einer Sicherheitsdirektive vom 2. Juni hervor, die die EASA als verpflichtend ansieht. Seitdem hat mindestens ein österreichisches Privatjet-Unternehmen dagegen verstoßen, wie ZackZack-Recherchen belegen.
Heikle Fliegerei trotz Verbots
Dies betrifft in erster Linie den Anbieter International Jet Management (IJM). Trotz EU-Direktive und zusätzlicher Aufforderung der Austro Control, dieser nachzukommen, war die IJM-Maschine mit der Registriernummer OE-IGA noch am 1. Juli von Budapest nach Moskau geflogen. Dabei hatte sie belarussischen Luftraum überquert. Das zeigen Flugdaten der Plattform „flightradar24.com“.
Die “Presse” berichtete bereits vergangene Woche über regen Flugverkehr der Maschine via Belarus im Juni – nach Bekanntgabe der Direktive der EU.
Screenshot „Google Earth“, Daten von “flightradar24.com” (UTC = koordinierte Weltzeit).
Auf ZackZack-Anfrage betont die EASA die Verpflichtung der Unternehmen, sich an die Direktive zu halten: „Sicherheitsdirektiven seitens der EASA sind für die Mitgliedstaaten tatsächlich bindend, damit die notwendigen Schritte gesetzt werden können.“ Man stehe bezüglich der infrage kommenden Flüge seit 2. Juni mit den österreichischen Behörden in Kontakt, um entsprechende Schritte zu setzen.
Das Verkehrsministerium von Leonore Gewessler (Grüne) sieht das Flugverbot ebenfalls gegeben, allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt: Durch die EU-Sanktionen gebe es mit 21. Juni de facto auch ein Überflugverbot für belarussischen Luftraum. „Der belarussischen Flugsicherung dürfen damit weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen. Solche wären beim Überflug jedoch zu bezahlen“, ließ man via APA mitteilen.
Zuvor hatte das Außenministerium von Alexander Schallenberg (ÖVP) in der „Presse“ beschwichtigt: Ein direktes Flugverbot über den belarussischen Luftraum habe die EU nicht verhängt. Jetzt widerspricht Gewessler ihrem Kollegen.
Anbieter wehrt sich und sieht kein Verbot
Zwischen EASA und Gewessler-Ministerium herrscht lediglich Unklarheit, ab wann Belarus-Überflüge illegal waren. Fest steht: Der IJM-Flug am 1. Juli war keinesfalls legal. Auf ZackZack-Nachfrage wollte sich das Unternehmen nicht zur Causa äußern, ließ aber über Anwalt Joachim J. Janezic mitteilen, dass man den Druck der Behörden als „rechtswidrig“ empfinde. „Unsere Rechtsansicht ist, dass es über Belarus keine Art von Flugverbot gibt“, so der IJM-Vertreter gegenüber der APA.
Jets der IJM steuern regelmäßig das Ziel Moskau an. Bei einigen Routen würde ein Umweg zu Flugverzögerungen führen. Wohl aber auch zu weniger Problemen mit den Behörden. Zu möglichen Strafen wollte sich das Verkehrsministerium auf Nachfrage nicht äußern. Jedenfalls betonte die IJM über Vertreter Janezic, ihre Jets seit 2. Juli nicht mehr über Belarus fliegen zu lassen.
Hintergrund des Flugverbots ist die Entführung einer Ryanair-Passagiermaschine am 23. Mai. Die belarussischen Behörden hatten die von Athen nach Vilnius fliegende Maschine zur Landung in Minsk gezwungen. Der im Flieger befindliche Journalist Roman Protassewitsch und seine Freundin Sofija Sapega wurden vom Lukaschenko-Regime sofort festgenommen. Dies zog Wirtschaftssanktionen sowie personenbezogene Strafmaßnahmen der EU gegen Günstlinge des Lukaschenko-Regimes nach sich. Österreich wird in Brüsseler Kreisen nachgesagt, Schlupflöcher in die Sanktionen hineinverhandelt zu haben. Die Priorbank (Sitz in Minsk), an der die Raiffeisen Anteile hält, sitzt in Minsk. Auf ZackZack-Nachfrage hatte die Raiffeisen im Mai betont, man denke trotz Sanktionen nicht an Rückzug aus dem Belarus-Geschäft.
(wb)
Update 06.07., 16:12 Uhr: Raiffeisen (letzter Satz neu).
Titelbild: APA Picturedesk