Karas empört
Ein Orban-Inserat in der „Presse“ am Mittwoch sorgt für Aufregung. Orban unternimmt eine europaweite, mediale Anti-Brüssel-Kampagne. Für ÖVP-Karas „skandalös“.
Wien, 07. Juli 2021 | Laut eigener Blattline bekämpft „die Presse“ „alle Bestrebungen, die geeignet sind,“ die „Grundfreiheiten und Menschenrechte“ zu „gefährden“. Trotzdem verkaufte sie Ungarns autoritärem Staatsführer Viktor Orban, der die ungarische Presselandschaft faktisch gleichgeschaltet hat, am Mittwoch eine gesamte Seite in der Printausgabe der „Presse“.
Anti-EU-Kampagne
Im Inserat macht er Stimmung für die nationalen Parlamente – sein eigenes hat er de facto entmachtet. Machtverschiebung nach Brüssel müsse verhindert werden. Immerhin stehe man vor „massenhafter Migration“ und weiteren „Pandemien“. Im Inserat liefert Orban „Ungarns Vorschläge“ zur „Zukunft der Union“.
Orban ließ das Inserat europaweit schalten. In Belgien lehnten sämtliche Zeitungen das Orban-Inserat ab und kommentierten dieses kritisch. In Schweden und Dänemark fand er dagegen vereinzelt Abnehmer in konservativen Blättern. Chefredakteure argumentierten dies mit “liberalen” Traditionen ihrer Zeitungen.
Das Orban-Inserat in der “Presse”.
Der EU-freundliche ÖVP-Parlamentarier Othmar Karas bezeichnete die Medienkampagne Orbans am Mittwoch gegenüber der APA als “skandalös”. Er forderte eine „lückenlose Aufklärung“ zur Finanzierung. Er glaubt, dass die ungarische Regierung hier missbräuchlich Gelder der eigenen Steuerzahler verwenden könnte, sagte Karas am Mittwoch in einer Online-Pressekonferenz.
Karas empört
Für den Alt-ÖVPler würde die Aktion „Spaltung und Polarisierung“ innerhalb der EU fördern. Er habe Erinnerungen an die Brexit-Kampagne. Die Kampagne sei eine „bewusste Provokation“, angesichts der derzeit laufenden Debatte über Rechtsstaatlichkeit im EU-Parlament.
Karas fand drastische Worte: Eine solche “Attacke” gegen europäisches Recht und europäische Werte habe es “in dieser Form seit der Gründung der EU noch nie gegeben”, betonte Karas. Die EU könne deshalb nicht zur Tagesordnung übergehen und müsse “sehr klar machen, dass sie gegen diese Vorgangsweise vorgeht”.
Das Verhältnis zwischen Ungarn und der EU ist seit Jahren gestört, vor allem wegen anhaltender Debatten um Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit unter Orbans Regierung seit 2010. Jüngst sorgte ein LGBTIQ-feindliches ungarisches Gesetz für scharfe Kritik vieler EU-Staats- und Regierungschefs sowie der EU-Kommission. Seit 2018 läuft ein sogenanntes Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags gegen Ungarn.
(ot/apa)
Titelbild: APA Picturedesk