Nach Anschwärzaktion:
Nachdem sich die ÖVP über den Corona-„Umtrunk“ im Ibiza-Ausschuss empört hatte, trafen sich ÖVP und Grüne noch am selben Tag beim Heurigen. ZackZack war vor Ort.
Wien, 07. Juli 2021 | Aufregung um ein Corona-Cluster im U-Ausschuss. Besonders die ÖVP äußerte am Dienstag scharfe Kritik an den Betroffenen. Doch am selben Abend trafen sich Abgeordnete und Minister der Regierungsparteien beim Heurigen. Unter den Gästen waren auch Vertreter aus dem Ibiza-Untersuchungsausschuss.
Regierungsfest fand trotz Cluster statt
ÖVP-Sprecher Paul Olsacher ereiferte sich am Dienstag über einen Umtrunk, der vergangene Woche anlässlich des bevorstehenden Endes des Ibiza-Ausschusses stattgefunden hatte. Eingeladen waren alle Fraktionen außer der ÖVP. Mandatare und Mitarbeiter von FPÖ, Grünen, NEOS und SPÖ sowie Journalisten waren nach dem Ausschusstermin am Donnerstag Corona-positiv. Die ÖVP vermutet, die Betroffenen hätten sich nicht im Ausschuss, sondern beim anschließenden Zusammensein angesteckt – dort galt allerdings die 3G-Regel, die bereits am Eingang streng kontrolliert wurde. Unter den Infizierten befinden sich auch doppelt geimpfte Personen.
Ungeachtet der Kritik an der Opposition feierten ÖVP und Grüne am Dienstagabend ein gemeinsames Fest bei einem Stammersdorfer Heurigen. Anders als beim Umtrunk nach dem Ausschuss wurde die 3G-Regel am Eingang nicht kontrolliert – ZackZack-Journalisten konnten das Lokal betreten, ohne nach einem Nachweis gefragt zu werden. Unter den Gästen war eine Reihe von Mitgliedern des Ibiza-Untersuchungsausschusses, etwa Vorsitzender Wolfgang Sobotka und ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger.
Hanger hatte im Zusammenhang mit dem Cluster besonders scharfe Kritik an den Oppositionsparteien geäußert: „Bei der Befragung von Kanzler Sebastian Kurz hatten wir einige Stehungen, bei denen es hitzig hergegangen ist. Hafenecker (Der FPÖ-Fraktionsführer im Ausschuss, Anm.) hat dabei nie eine Maske getragen.“ Beim eigenen Heurigen-Umtrunk verzichtete Hanger dann selbst auf eine Maske, obwohl er nur Tage zuvor stundenlangen Kontakt mit den infizierten U-Ausschuss-Abgeordneten gehabt hatte.
Pandemie für Geimpfte nicht vorbei
ÖVP-Ministerin Elisabeth Köstinger warf FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker vor, er habe “massiv Menschen gefährdet”. Hafenecker ist nicht geimpft. Im Untersuchungsausschuss war er allerdings mit negativem Test. Antigentests erwiesen sich beim Aufspüren des Parlamentsclusters als ungeeignet. Eine Reihe Infizierter wurden mittels Antigentest negativ, mit PCR-Tests jedoch positiv getestet. Betroffen sind auch mehrere “vollständig immunisierte”, also doppelt geimpfte Personen. Für sie müsse, wie Kanzler Kurz sagte, die Pandemie eigentlicht “vorbei” sein. Doch es scheint, dass weder Impfung, noch 3G-Regel oder Antigentests verlässlichen Schutz gegen Cluster bieten.
Mitte: Andreas Hanger schaut offenbar Fußball, rechts: Ministerin Leonore Gewessler. Foto ZackZack.
Ärger über türkise Anschwärzaktion
Abgeordnete und Mitarbeiter von Opposition und Grünen sind verärgert über das Verhalten der ÖVP. Im Parlament gilt der Grundsatz, dass Infektionen den anderen Parteien über die Parlamentsdirektion gemeldet werden. Gleichzeitig haben die Parteien vereinbart, Erkrankungen in den Reihen anderer Parteien nicht öffentlich zu machen. Alle Parteien außer der ÖVP hatten sich bisher daran gehalten – obwohl es in keiner Ausschussfraktion mehr Coronainfektionen gab als in der ÖVP.
Nun ließ die ÖVP die Namen infizierter Abgeordneter und sogar Mitarbeiter anderer Parteien an regierungsnahe Medien durchsickern. Die erstaunten Parlamentsmitarbeiter lasen ihre Namen in der Zeitung. In “oe24.at” erschien sogar das Bild einer anderen Person zum Namen eines Parlamentsmitarbeiters – eine Verwechslung aufgrund einer Namensgleichheit.
Polizei bewachte Feier
Obwohl der “Regierungsheurige” eine private Feier war, wurde er von Polizeibeamten bewacht, die auch die Gästeliste kontrollierten. Warum die Polizei bei einer Privatveranstaltung Securitydienstleistungen übernahm, wollte die Wiener Landespolizeidirektion auf Anfrage nicht erklären.
Ein Polizeibeamter fungierte sogar als Pressesprecher. Als ZackZack-Journalisten Fragen an anwesende Abgeordnete stellten, sprang der Beamte in die Bresche und riet, eine Anfrage an den Parlamentsklub zu stellen. Das, obwohl auch Kanzlersprecher Johannes Frischmann zugegen war.
Anfragen, welche Pandemie-Vorsichtsregeln beim Regierungsheurigen galten und wie das eigene Fest mit der scharfen Kritik am Ausschuss-Umtrunk zusammenpasst, ließen ÖVP und Grüne unbeantwortet.
(wb/mst/tw)
Titelbild: ZackZack