Freitag, April 19, 2024

Polizeigewalt: Sechs Wiener Polizisten verurteilt

Polizeigewalt:

Sechs Polizeibeamte wurden heute am Wiener Landesgericht nicht rechtskräftig verurteilt. Brisant: Ihr Opfer war zunächst Beschuldigter, bis Videos an die Öffentlichkeit gelangten.

Wien, 12. Juli 2021 | In einem Prozess um Polizeigewalt sind am Montag am Wiener Landesgericht die Urteile gefallen. Von acht angeklagten Polizeibeamten wurden sechs schuldig erkannt. Die beiden Hauptangeklagten im Alter von 37 und 29 Jahren erhielten wegen Amtsmissbrauchs und Körperverletzung bedingte Freiheitsstrafen von zwölf bzw. zehn Monaten.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Zwei Mitangeklagte erhielten wegen Amtsmissbrauchs jeweils acht Monate bedingt, zwei weitere Beamte wegen Missbrauchs der Amtsgewalt und Fälschung eines Beweismittels jeweils zehn Monate bedingt.

Gewalt und rassistische Beleidigungen

Die Anklage legte den Polizisten zur Last, am 13. Jänner 2019 in einem Spiellokal in Wien-Favoriten ohne ersichtlichen Grund einen Tschetschenen geschlagen zu haben. Wie der Betroffene am Montag unter Wahrheitspflicht schilderte, sollen den Tätlichkeiten rassistische Beleidigungen vorangegangen sein.

Die Polizei war wegen einer angeblichen Schlägerei in das Lokal gerufen worden. Acht Beamte – darunter zwei Hundeführer – fanden sich in dem Zwei-Zimmer-Lokal ein, wo sich neben dem Tschetschenen nur ein weiterer Mann aufhielt. Streit hatten die beiden keinen. Die Polizei führte dessen ungeachtet eine Ausweiskontrolle durch. Als der Tschetschene seinen Führerschein herzeigte, sei er von dem 37-jährigen Beamten beleidigt worden, gab der Zeuge zu Protokoll:

“Als er gesehen hat, dass ich aus Tschetschenien komme, hat er gesagt, ihr gehört alle abgeschoben.”

Auch der Ausdruck “Scheißhurenkinder” sei in diesem Zusammenhang gefallen, behauptete der 29-jährige Tschetschene.

Der 37-Jährige habe ihn dann zu einer Couch gezogen und aufgefordert, die Hände aus den Jackentaschen zu nehmen: “Ich hatte eine Operation an der Hand und habe eine Schiene getragen.” Daher habe er die Hand nicht aus der Tasche nehmen wollen.

Polizist drohte, “die ganze Nacht verprügeln”

Als die Polizei auch noch feststellte, dass der Tschetschene ein zweites Handy dabei hatte und er dieses partout nicht entsperren wollte (“Es waren private Videos drauf”), sondern es stattdessen auf den Boden warf, eskalierte die Situation. Er sei von dem 37-Jährigen am Nacken gepackt worden, habe einen Kniestoß in den Unterleib und Schläge mit der Faust bekommen, berichtete der 29-Jährige: “Ich war kurz ohnmächtig.” Der 37-Jährige habe ihm obendrein gedroht, er werde ihn “die ganze Nacht verprügeln”, wenn er das Handy nicht entsperre.

Nachdem er wieder zu sich gekommen war, habe er angekündigt, Anzeige erstatten zu wollen, setzte der Tschetschene fort. Da habe ihm ein zweiter, 29 Jahre alter Polizist “mit der Faust auf den Kiefer geschlagen”.

“Ich habe gesagt ‘Hört’s auf, was soll das’. Ich hab’ geglaubt, wir sind in einem Rechtsstaat”, erinnerte sich der Zeuge, der erstklassiges Deutsch spricht und daher ohne Dolmetscher vernommen wurde. Auf seine Bemerkung sei ihm erwidert worden, er könne “zurück nach Russland gehen”.

Polizisten versuchten Vorgänge zu vertuschen

Der Vorfall war erst bekannt und von der Staatsanwaltschaft untersucht worden, nachdem im Juli 2020 ein Video aus einer im Lokal angebrachten Überwachungskamera den Medien zugespielt wurde. Darauf ist zu sehen, wie die sechs Kollegen der Hauptangeklagten untätig danebenstehen und nicht einschreiten. Zwei mitangeklagte Beamte sollen in weiterer Folge die Vorgänge in dem Lokal nicht rechtmäßig dokumentiert haben, um sie zu vertuschen.

“Wenn es das Video nicht gäbe, wäre ich Beschuldigter”, stellte der Tschetschene diesbezüglich fest. Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft zunächst gegen ihn wegen Verleumdung ermittelt – dieses Verfahren wurde eingestellt, nachdem die Anklagebehörde das Videomaterial erhalten hatte.

Sämtliche Prügel-Prellungen

Am Ende der Befragung des betroffenen Tschetschenen wurde das Thema Schadenersatz und Wiedergutmachung angeschnitten. Der Mann hatte der Anklage zufolge eine Schädelprellung, Prellungen am Brustbein, am Unterarm und an der Nase mit Nasenbluten sowie Schmerzen im Unterleib erlittenen. “Ich brauche das Geld nicht”, erklärte der Tschetschene. Der 37-jährige Polizist wandte sich darauf im Verhandlungssaal direkt an ihn: “Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen.” Über seinen Verteidiger Marcus Januschke bot der Beamte dem Mann 1.000 Euro als Wiedergutmachung an. Der Tschetschene lehnte das erneut und kategorisch ab: “Er kann das Geld behalten. Er soll es für wohltätige Zwecke spenden. “

Die Hauptangeklagten hatten sich in dem Verfahren schuldig bekannt. Mit Ausnahme von zwei Hundeführern waren auch die Mitangeklagten weitgehend geständig.

(apa/lb)

Titelbild: APA Picturedesk

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7 Kommentare

  1. Und wie hoch ist die Dunkelziffer? Wie viele Menschen mussten unrechtmäßige Polizeigewalt erfahren ohne sich gerichtlich wehren zu können? Und wie viele davon sind Zuwanderer und Asylsuchende?

  2. Die Polizei bekommt zurzeit regelmäßig von den Gerichten eine auf die Mütze. Sind das schon die Auswirkungen des immer schlechter werdenden Nachwuchses?

  3. Die Berichterstattung über die Poizei ist gründlich, ich wünsche mir die selbe Gründlichkeit von den Medien über die Tschetschenen.

    • Ui, da ärgert sich aber jemand, dass das Gericht erkannt hat, dass “der Ausländer” hier der Gute und die Polizei die verbrecher sind.

      Passt nicht so in Ihr rassistisches, ausländerfeindliches Weltbild,was?

      Aber klären Sie uns doch bitte auf, was Sie hier andeuteten: Was wissen Sie denn Schlimmes über DIESEN Tschetschenen? Nur Heraus damit!

      Oder scheren Sie – wie es bei Hetzern so üblich ist – alle über einen Kamm und fordern Sippenhaftung?

      Ich finde kriminelle, grundlos prügelnde, lügende Polizisten übrigens wesentlich schlimmer, als andere Kriminelle, egal aus welcher Gruppe sie stammen.

      • Wo kann man herauslesen, dass er sich ärgert?

        Und bitte nicht im Namen aller hier irgendwas fordern. Es gibt hier keinen Klassensprecher, der für alle redet.

        In der Tat finden unsere Gerichte andere Kriminelle, die ev. Morde begehen, schlimmer als prügelnde Polizisten.

        Aber jeder hat so seine Ansichten.

        Ich hatte bei der Begegnung mit Polizisten kein so ungutes Gefühl, wie ich es ev. bei anderen hatte, im Zuge meines Jobs. Aber jeder hat so seine Erfahrungen.

      • Ich treffe jeden Tag Ausländer, wozu ich mich auch selbst zähle.
        Die machen nicht das was die Zeitungen über Tschetschenen schreiben.
        Zum Beispiel Massenschlägereien in der Failed City Wien.

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