Donnerstag, Oktober 10, 2024

Sieg bei Wahl: TV-Star sorgt für Politbeben in Bulgarien

Sieg bei Wahl

Ein TV-Star, der selbst kein Amt will und Corona-Maßnahmen ablehnt, dürfte die Wahl in Bulgarien gewonnen haben. Es wäre die erste Niederlage für die konservative Partei von Borissow seit 2009.

Wien/Sofia, 12. Juli 2021 | In Bulgarien zeichnet sich ein politisches Erdbeben ab. Die neu gegründete Partei ITN („Es gibt so ein Volk“) dürfte die Parlamentswahlen am Sonntag gewonnen haben. Der Kopf der ITN, Musik- und TV-Star Slawi Trifonow, dürfte dem bisherigen konservativen Premier Boiko Borissow seine erste Wahlniederlage seit 2009 zugefügt haben.

Quereinsteiger siegt

Nach Schätzungen zweier Meinungsforschungsinstitute dürfte Trifonow auf 24 Prozent der Stimmen kommen. Borissows GERB auf 22,9 bis 23,5 Prozent. Laut den Meinungsforschern von Gallup International ist es unwahrscheinlich, dass sich das prognostizierte Wahlergebnis noch einmal dreht. Durch die Stimmen aus dem Ausland kann Trifonows Vorsprung weiterwachsen. Das amtliche Endergebnis wird es erst in ein paar Tagen geben.

Trifonow, der jegliche Corona-Maßnahmen ablehnt, ist politischer Quereinsteiger und berühmt durch seine TV-Show. Er will die Politik in Bulgarien, die von Korruption geplagt ist, völlig umkrempeln. Er selbst will auf ein Amt oder einen Sitz im Parlament verzichten. 2015 inittierte er bereits ein Referendum für die “Umgestaltung des politischen Systems” in Bulgarien. Das war damals knapp gescheitert.

“Die Unterstützung, die ITN erhielt, ist erstaunlich”, schrieb der Entertainer Trifonow auf Facebook. Der 54-Jährige trat bei dieser Wahl selbst nicht an. Er wolle am Montag seine konkreten Pläne bekanntgeben. Seine Partei gehört bislang zu keiner politischen Familie im EU-Parlament.

Große Pläne

Die ITN will offenbar die staatlichen Hilfen für Parteien drastisch kürzen, das Mehrheitswahlrecht einführen und auch „das Regierungsmodell komplett ändern“. Geht es nach Trifonow sollten „junge Leute und neue Gesichter“ eine Regierung stellen. Ein Bündnis mit etablierten Parteien wurde vorab ausgeschlossen. In seiner TV-Show wettert der Wahlsieger regelmäßig gegen „Eliten“ und „Großmächte“.

ITN wird aber auf Koalitionspartner in der Volksversammlung mit 240 Parlamentariern angewiesen sein, um zu regieren. In Frage kämen zwei weitere sogenannte Protestparteien: die konservativ-liberal-grüne Anti-Korruptions-Koalition “Demokratisches Bulgarien DB” und die kleine Partei “Richte dich auf! Mafiosi raus!”. Das Anti-Borissow-Lager hatte mit Wählerstimmen für die Parteien gerechnet, die sich für Korruptionsbekämpfung und Justizreform eingesetzt hatten. Korruption ist für Bulgarien ein langwieriges Problem: Seit dem EU-Beitritt 2007 steht das Land deswegen unter Sonderbeobachtung aus Brüssel.

Borissows Ende?

Die Borissow-Partei hatte die Wahl vor drei Monaten noch mit gut 26 Prozent gewonnen. Im Europaparlament gehört die GERB ebenso wie die ÖVP oder die CDU/CSU zur Europäischen Volkspartei (EVP). Borissow, der sich seit Corona immer wieder mit Massenprotesten konfrontiert sieht, gilt auch als politischer Verbündeter von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Der Premier hatte aufgrund der Proteste vor rund einem Jahr seinen Rücktritt angekündigt, war dann aber doch nicht gegangen. Er steht wegen Korruptionsvorwürfen in der Kritik. Auch im April kam er noch auf 26 Prozent.

(ot/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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