Freitag, März 29, 2024

Wahnsinn Pegasus-Abhörskandal: »Staatshacker ächten«

»Staatshacker ächten«

Nach dem Auffliegen des globalen Überwachungsskandals durch die Software “Pegasus” fordern kritische Stimmen, scharf gegen das private Unternehmen NSO vorzugehen.

Wien, 20. Juli 2021 | Nur die Amerikaner können über die NSA ihre Kritiker abhören? Das war einmal. Mit dem Auffliegen des „Pegasus“-Überwachungsskandals weiß man nun, dass sich auch Länder wie Marokko, Aserbaidschan oder Ungarn den Smartphones von Journalisten oder Oppositionellen bedienen können. So reagieren Kritiker.

„Ächtung solcher Unternehmen“

Die deutsche Online-Plattform „netzpolitik.org“ veröffentlichte einen viel beachteten Kommentar von der ehemaligen Sprecherin des Chaos Computer Club (CCC), Constanze Kurz. Titel: „Die Branche der Staatshacker ächten.“ Darin wird ein weitaus schärferer Umgang mit staatlichen Überwachungsmethoden und deren privaten Akteuren gefordert:

„Wir alle sind es, die nicht nur direkt, sondern vor allem indirekt dafür bezahlen, dass solche Firmen wie die NSO Group überhaupt legal existieren dürfen. Wir bezahlen mit unsicheren und ausspionierbaren Smartphones, deren Sicherheitslücken aufgekauft statt geschlossen werden. Wir bezahlen aber auch, weil wir hinnehmen, dass Menschen aus dem aktivistischen und journalistischen Bereich mitsamt ihren Familien und ihrem Umfeld nur in Angst noch ihrem Beruf oder ihrer Berufung nachgehen können.

Ich sehe das schon lange nicht mehr ein. Wir brauchen schnellstens eine Ächtung solcher Unternehmen in Deutschland, am liebsten gleich in ganz Europa. Wir müssen sie als das benennen, was sie sind: eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen, mit denen man nichts zu schaffen haben darf. Keine deutsche oder europäische Behörde darf je (wieder) Kunde der NSO Group sein.“

Snowden will erneut Wachrütteln

Der NSA-Dissident Edward Snowden hat der deutschen „Zeit“ am Montag ein Interview gegeben und läutet lautstark die Alarmglocken:

„Als ich vom Spion in der Hosentasche sprach, ging es um das Potenzial, die Fähigkeit und dass diese Geräte mit dem Mobilfunknetz kommunizieren und Ihren Standort übermitteln. Facebook bespitzelt uns, aber das sind größtenteils Programme für kommerzielle Zwecke. Was wir dagegen hier beobachten, ist der Aufbau einer Industrie, die diese Telefone hackt und über das uns bereits bekannte Maß an Bespitzelung hinausgeht. Diese Leute übernehmen die volle Kontrolle über das Telefon und richten es gegen die Menschen, die es gekauft und dafür bezahlt haben, es aber in Wirklichkeit gar nicht mehr besitzen.“

Er ächtet die NSO Group wie vom Chaos Computer Club gefordert und bezeichnet sie als „Virus“:

„Das Pegasus-Projekt hat eine Branche aufgedeckt, die als einziges Produkt Infektionsvektoren anbietet. Es handelt sich nicht um Sicherheitsprodukte. Sie bieten keinerlei Form von Schutz, sind in keiner Form vorbeugend. Sie stellen keine Impfstoffe her. Das Einzige, was sie verkaufen, ist das Virus. Und zu sagen, dass sie ja nur an Staaten verkaufen, macht es nicht besser, wenn man sich ansieht, wer die Ziele sind, die gerade bekannt geworden sind.“

Israelischer Hacker: „Skrupellos“

„Das Pegasus-Projekt legt offen, dass die NSO-Spyware das Mittel der Wahl für repressive Regierungen ist, die versuchen, Journalist*innen zum Schweigen zu bringen, Aktivist*innen anzugreifen und abweichende Meinungen zu unterdrücken, was unzählige Menschenleben in Gefahr bringt“, sagte Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International. Bisher sind nur wenige Staaten bekannt, die die Software genutzt haben: Marokko, Mexico, Ungarn, Aserbaidschan, Indien. Die Liste könnte noch weitaus länger werden.

Die deutsche Tageszeitung „taz“ interviewte den israelischen Hacker Yuval Adam:

„Das Besondere an der NSO ist, dass es das größte dieser Unternehmen ist. Sie ist skrupellos und geht am aggressivsten vor.“

Attacken wie jene der NSO abzuwehren, sei „beinahe unmöglich“. „In Israel ist die Symbiose zwischen dem Verteidigungsministerium und der NSO ein offenes Geheimnis. Man weiß, dass sich staatliche Abhöraktionen zwischen Regierung und ihrer Zusammenarbeit mit Unternehmen wie der NSO stark überschneiden. Die NSO kam bisher mit allen ihren Skandalen ungeschoren davon.“

Nun hat die NSO ein neuer, globaler Skandal erreicht.

(ot)

Titelbild: APA Picturedesk

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5 Kommentare

  1. Die Israelis also spionieren ohne Skrupel. Haben die dafür eine Freikarte auf der Welt? Schön, das unser BK mit denen ordentlich abhängt. Reudige ÖVP.

  2. Seltsame Abfrage, kann nämlich nichts von den Optionen auswählen. Hätte gerne so etwas wie “Kümmere mich selbst um meine Sicherheit”. Und mit Verlaub: Google war gestern! Es gibt DuckDuckGo, Startpage, etc.

    • Hilft nicht viel, wenn Du einen (Bundes)trojaner oder NSO-Trojaner auf Deinen Geräten hast.

      • Sie haben sich offensichtlich mit der Problematik nur oberflächlich beschäftigt. Wenn ein Mobiltelefon vorne keine Kamera hat, kann sie auch nichts aufnehmen. Wenn eine externe Webcam beim Computer eine physische Abdeckung hat auch nicht. Abgesehen davon muss man nicht überall ein elektronisches Gerät mit dabei haben. Termine habe ich im Kopf. Die meisten Fahrpläne der Züge auch. (…) Auch ein Bundestrojaner kann nicht zaubern. Dateien müssen verändert werden und systemrelevante können mittels eines Hash regelmäßig überprüft werden (Stichwort: Tripwire). Aber nein, 100%-ige Sicherheit gibt’s nicht. Ein guter Hacker wird’s auch bei mir schaffen. Dann findet er mathematische Formeln, die er erstens eh nicht versteht und zweitens in ein paar Monaten sowieso öffentlich zugänglich sind 😉

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