Donnerstag, März 28, 2024

Skylla&Charybdis – Metamorphosen

Skylla und Charybdis

Klar, ein Tisch ist keine Giraffe und wird auch keine, wenn man so tut als ob. Wer oder was Kurz nicht ist, erklärt Julya Rabinowich in ihrer brandneuen Kolumne.

Julya Rabinowich

Wien, 22. Juli 2021 | Diese Kolumne wird sich unter anderem ab nun um Fabeln und Wesen drehen und auch, wo man sie nicht findet. Zum Einstand widmen wir uns nun der Giraffe. Und dem Tisch. Und der Verwandlung. Auf den ersten Blick würde man ja sagen, die beiden hätten recht wenig gemeinsam. Weit gefehlt!

Eine Giraffe hat vier Beine. Ein Tisch hat auch vier Beine. Wenn man aber einen Tisch in ein leeres Giraffengehege stellt, wird dennoch keine Giraffe daraus, auch wenn auf dem Schild vor dem Gehege ganz groß „Giraffe“ draufsteht. Dasselbe gilt für Sebastian Kurz und Bruno Kreisky. Nicht einmal im ehemaligen Kreiskyzimmer wird Kanzler Sebastian Kurz zu Kanzler Bruno Kreisky, obwohl es ihn offenbar sehr nach dieser verwegenen Metamorphose gelüstet, so oft, wie dieser Vergleich medial wieder und wieder und wieder herangezogen wird. Immerhin möchte Kurz ja neu und jemand anderer werden, vielleicht sollte man ihn im Versuch, sich selbst zu entkommen, nicht völlig blockieren.

Man könnte sogar dieser Wandlungslust positive Aspekte abgewinnen: Immerhin möchte er Kreisky statt Kreisky werden und nicht Kalif anstelle des Kalifen- oder gar Kaiser der österreichisch-ungarischen Monarchie, vermutlich aber auch nur, weil sein Buddy Viktor Orban massiv etwas dagegen hätte. Bruno Kreisky hat viel für die Allgemeinheit in diesem Land getan. Er tat es aus Überzeugung. Sebastian Kurz kann sich also schon mal aufwärmen, bis jetzt ist auf seinem Konto der altruistischen Menschlichkeit gähnende Leere vorzufinden.

Titelbild: APA Picturedesk

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17 Kommentare

  1. Danke ein wunderbarer Vergleich! Habe gestern die Kolume vom alten Fellner gelesen, einfach nur grauslich wie sich ein solcher Mensch erdreistet den Innenpolitik Kenner zu geben. Was macht man nicht alles ohne Skrupel für Geld. Dem Geld der kleinen Steuerzahler. Wo würde der Bouleward wohl sein gebe es eine ehrliche Regierung ohne diesen unerschöpflichen Geldtopf für diese Herrschaften! Aber Kurz kann ja Geld scheißen……..

    • Die Leute lesen die Krone, weil sie ihnen gefällt. Niemand zwingt die Österreicher, die Krone so sehr vorzuziehen.

      Das gilt dann auch für Fellners Medienprojekte.

      In den Augen des Publikums sind die nun mal besser als andere … Leider, aber es ist, wie es ist.

      Statt zu glauben, die paar Staats-Euro würden die Krone fett machen, sollten Sie, Herr Träumer, lieber mal überlegen, warum die Österreicher die Krone so schätzen.

  2. (1) S. Kurz ist noch jung. Eventuell lernfähig.
    (2) Offensichtlich hat er enormes politisches Talent. Er kommt bei den Konservativen an. Hält sich auch unter schwierigen Umständen oben.
    (3) Die überwiegend konservativen Österreicher sehen keine Alternative zu ihm.

    Diese drei Annahmen bewegen mich zu meinem Aufruf:
    Liebe Österreicher, stellt euch drauf ein, dass euch der Kurz Sebastian als prägender Politiker noch 30 und mehr Jahre erhalten bleibt.

    Kurz möchte wohl nicht Kreisky werden, sondern eine Art österreichischer Orban: der unumstrittene (allerdings durchaus immer gewählte) Staatschef, ohne den man sich Politik im Lande nicht mehr vorstellen kann.

    “Sebastian Kurz kann sich also schon mal aufwärmen, bis jetzt ist auf seinem Konto der altruistischen Menschlichkeit gähnende Leere vorzufinden.”
    Grade diese Leere könnte ein Teil der Stärke von S. Kurz sein – in den Augen seiner Wähler: Menschlichkeit wird beschränkt auf die Ur- und Normalösterreicher.

    • Prägender Politiker ja, aber der “Nachruf” sollte er einmal aus politischen Amt und Würden ausscheiden wird nicht unbedingt so positiv ausfallen wie bei Bruno Kreisky.

      • Was den Nachruf für Kurz angeht, möchte ich nicht spekulieren. Die Welt wird sich sehr ändern bis dahin, ich werde längst eins sein mit Mutter Erde (und insofern “gleichgültig”).

        Als jetzt Lebender stelle ich mir verschiedene Möglichkeiten vor, ca. ein Dutzend. Kaum eine dieser Möglichkeiten sagt mir zu. Aber ich weiß, dass die Welt sich nicht nach meinem Geschmack richtet.

        Als Jetziger rate ich: Glaubt nicht, dass ihr den Kurz Sebastian lächerlich machen könnt; oder dass ihr ihn durch Schmähen kaputt machen könnt. Auf EINEN, der schmäht, kommen 10, die ihn grade wegen der Schmähungen verteidigen und verehren.

        Die einzige Schmähung, die Kurz in Österreich fürchten muss, ist die, zu nachgiebig, zu sanft, zu menschlich mit den Flüchtlingen und mit den Migranten umzugehen. Dass man zB diese kriminellen afghanischen Jugendlichen nicht rechtzeitig deportiert hat – das ist ein Vorwurf, den er wirklich ernst nehmen muss.

        Da hätte er mit der FPÖ freiere Hand. Er könnte dann, wie man das in Polen und Ungarn schon gemacht hat, das Verfassungsgericht provozieren und an der Verfassung und den EU-Verträgen vorbei (auch gegen das EU-Gericht) den Flüchtlingen die harte Faust zeigen – und dafür jubelnde Zustimmung bei zwei Drittel der Österreicher gewinnen. Kurz könnte mit der FPÖ zusammen den Rechtsbruch riskieren und gegen alle “elitären” Proteste durchhalten, weil er das Volk begeistert hinter sich hätte.

        Der uncharismatische Kickl würde dann vergeblich darauf hinweisen, dass die glücklichen Österreicher ihr Glück ja eigentlich ihm, dem rabiaten Kickl, verdanken. Der Kurz würde die Lorbeeren einsammeln. Man kann dann ruhig ÖVP wählen, man braucht die FPÖ nicht mehr so unbedingt.

        Wie könnte Kickl diese Falle vermeiden? – Ich glaube, das ist im Moment sein strategisches Problem, an diesem Problem arbeitet er sich ab. So erklärt sich auch die momentane Radikalisierung der FPÖ-Rhetorik.

    • Auf die vermögenden “Ur-und Normalösterreicher”. Aber das wissen die vielen anderen “Ur-und Normalösterreicher” nicht. Diesen Hinweis haben Sie sich erspart, Herr LB. Warum?

      • Die “Ur- und Normalösterreicher” haben mit den vermögenden unter ihnen nicht so viele Probleme wie Sie und ich, Nelke. Ich nehme mal an, die nehmen an, die haben sich’s verdient, bzw. wenn nicht, dann hätt man gern auch das Erb-Glück gehabt – oder vielleicht wartet es ja noch um die Ecke, dieses Erb-Glück.

        Glauben Sie, die “Ur- und Normalösterreicher” kennen den Benko nicht?

  3. Ein Läufer auf dem Schachbrett. Der Sebastian Kurz. Der Kanzler.
    Der Hymnenverweigerer und Möchtegerndiktator. Schafft er’s ? Der Kanzler, der Kurz? Wer weiß?

    • Selber zu singen gehört heute nicht mehr zu den Kultur-Tugenden, die man ohne weiteres erwarten kann. Warum sollte Kurz singen, wenn er keine gute Stimme dafür hat oder vielleicht auch nicht musikalisch ist?

      Liegt die Weigerung, die Hymne zu singen, auf der selben Ebene wie die Sehnsucht danach, als österreichischer Orban quasi diktatorisch herrschen zu können?

      Politisch gesehen ist auf dem Schachbrett das Volk der König und Kurz derzeit die Dame – die stärkste Figur. Die Metapher mit dem Schachbrett taugt aber nicht viel. Im Schach gibt es keine Koalitionen.

  4. Diese Metamorphosierungsdrang des Basti erinnert mich ja an Horrorfilme wie das Schweigen der Lämmer oder Ed Gein.

  5. sebastian kurz wird/wurde ja vielerorts als grösstes politisches talent seit haider oder gar kreisky gepriesen.

    wirklich?

    nach welcher definition von „politisch“ oder „talent“ wird das so gesehen?

    die einzig passende beschreibung für das talent von kurz im zusammenhang mit politik, die mir einfällt, stammt von machiavelli:

    „Politik ist die Summe aller Mittel, die nötig sind, um zu Macht zu kommen und sich an der Macht zu halten und um von der Macht den nützlichsten Gebrauch zu machen.“

    https://www.hagerhard.at/blog/2019/05/il-principe/

    • Gilt diese Definition von Politik nicht grundsätzlich – also auch für “die Guten”?
      In der Politik geht es um die Macht – und darum, von der Macht den nützlichsten Gebrauch zu machen. Worum sollte es denn sonst gehen?
      Die Frage ist halt, worin ein Politiker den nützlichsten Gebrauch sieht. Da gibt es Unterschiede … und gewisse Unterschiede sind der Grund, warum ich gegen Kurz bin. Kurz hält was anderes nützlich als ich.

      Haben Sie eine andere Definition von Politik als Machiavelli?

    • Wobei hier der “nützlichste Gebrauch der Macht” leider nur der Partei und der zum Machterhalt notwendigen Klientel gilt. Also geht es Kurz nur um Machterhalt. Das ist es was ihn grundlegend von anderen Politikern unterscheidet. Oder ist irgendjemandem schon einmal irgendeine Ideologie hinter den Handlungen von Kurz aufgefallen? Mir nicht.

      • Machtgewinn, Machterhalt, Machtausbau ist IMMER primär in der Politik.
        Siehe Machiavelli. Der hat das richtig erkannt – und war so unverschämt, das knapp und knackig aufzuschreiben.

        Seither sind alle Politiker bemüht zu zeigen, dass sie um Gottes willen keine Machiavellisten sind.
        Das ist die Grundlüge der Politik – und Machiavelli würde dazu lachen und sagen:
        “Richtig, ihr müsst immer entschieden leugnen, dass ihr Politik so versteht und so macht, wie ich Politik definiert habe. Eure Lüge ist politik-notwendig. Eure Lüge bestätigt, was ich im 18. Kapitel meines Prinzenbuches geschrieben habe. Der Fürst = der Politiker ist immer (nicht nur, aber auch) ein FUCHS.”

  6. Kreisky war ein vorwärts gerichteter politiker, dem die menschen ein soziales anliegen waren.
    Bastibub ist ein retro steinzeitpolitiker, der am liebsten eine türkise feudalherrschaft errichten würde.
    Mit ihm als kaiser ohne kleider an der spitze.

    • Kreisky war auch gebildet, umgab sich mit sehr unterschiedlichen Geistern und hatte vor seiner Kanzerlschaft mehrere Jahrzehnte politische Erfahrung gesammelt. Er hat sich nicht in den Dienst seiner Buddies sondern in den Dienst der Republik gestellt. Es ist auch unter seinen Kanzlerschaften viel Kritikwürdiges passiert, aber unterm Strich hat die Marschrichtung gestimmt.

    • Was vor 50 Jahren vorwärts gerichtet war, ist es – vielleicht – heute nicht mehr? – Das sollte man bedenken, Bastelfan.

      Die Menschen sind auch Kurz ein soziales Anliegen – nur eben eher die konservativen Österreicher.

      Eine türkise Herrschaft wär dem Herrn Kurz schon recht, aber wieso “Feudalherrschaft”? -. Sogar Orban lässt sich wählen. Sowas ist in einer Feudalherrschaft nicht üblich. Franz Joseph hat sein Amt “von Gott” verliehen bekommen. (Ich würde auch die Herrschaft von Orban, Putin oder Erdogan nicht als Feudalherrschaft bezeichnen.)

      Ohne Kleider? – Für die meisten Österreicher ist der Mann gut gekleidet. Mein Geschmack ist es nicht, aber um mich geht es wohl kaum. Kaiser ohne Kleider – das würde dann doch wohl (als Metapher) bedeuten: Ohne Macht? Oder ohne Programm? – Aber Kurz hat schon etwas Macht, ganz real, und er hat auch ein Programm – eben das, Österreich autoritär umzubauen, mit Blick nach Ungarn.

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