Mittwoch, Dezember 11, 2024

Bauunternehmer im Interview: »Grüne Zeigefinger-Politik löst keine Probleme«

Bauunternehmer im Interview

Freigeist und Unternehmer Christian Frantal rockt die deutschsprachige Baubranche: Er gibt mit seinen Projekten Beispiele, wie regionales Wirtschaften, ein gesundes Leben, Nachhaltigkeit und Autarkie möglich sind. Im ZackZack-Interview erzählt er, warum die CO2-Diskussion nichts bringt und wie er seine Wut auf die Politik nutzt, um die Vision eines zukunftsfähigen und guten Lebens für alle umzusetzen.

Wien, 26. Juli 2021 | Er gründete einen „Co-Working“ und „Co-Living Space“ und machte „Upcycling“ im Kleinen wie im großen Stil, er baute das erste „Tinyhouse“ und stellte das österreichweit erste „Crowdinvesting“ auf die Beine – Christian Frantal folgt seinen Visionen und bringt damit ordentlich was weiter. Mit seinem Unternehmen Wohnwagon inspiriert er die deutschsprachige Baubranche und regt durch seine Projekte zum Nachdenken – aber vor allem zum Aktivwerden an.

ZackZack: Wie kams dazu, dass Du vom DJ mit eigenem Club zum Unternehmer in der Baubranche wurdest?

Christian Frantal: 10 Jahre Party waren genug. Ich wollte wieder am Tag leben und was Sinnvolles machen. Ich habe dann begonnen mit Handwerk und Architektur und habe dabei gesehen, wie einige Menschen leben – zu zweit auf 300 Quadratmeter Styroporbeton zum Beispiel. Ich wollte politisch aktiv werden und habe mir die Parteienlandschaft angeschaut und gesehen: das ist alles derselbe neoliberale Bullshit – und niemand stellt die Systemfrage. Also stellten Theresa Mai und ich uns die Frage: Wie könnte man mit Unternehmertum politische Akzente setzen, in die Zukunft weisen und ein visionäres Projekt entwickeln?

ZZ: Quasi, politischer Aktivismus als Unternehmensantrieb?

CF: Ich sehe halt einfach die richtigen Antworten bei den aktuellen Parteien nicht. Es ist eine oberflächliche Nummer, und wenn ich mir die Karrieren von diesen ganzen Leuten anschaue, die da ganz oben stehen in der EU, dann seh’ ich immer dieselben Think-Tanks im Hintergrund und dieselben transatlantischen Netzwerke. Und immer ist Amerika gut, Russland ist böse, und das sind dann die Narrative – aber damit kommen wir keinen Millimeter weiter.

Deshalb haben wir gesagt, wir bauen schöne Plätze mit schöner Architektur, wo die Leute hinkommen und sagen “Wow, das ist schön, da fühle ich mich wohl, so will ich leben” – und so kann ich mit dem Thema in die Köpfe hineinwachsen. In dieser kleinen Nutshell stecken viel größere Lösungsansätze dahinter, die wir versuchen begreifbar zu machen. Es geht um eine gewisse Art des Lebens und Denkens: Ich kann selber was machen, baue beispielsweise mit der Komposttoilette selber den Boden auf, erzeuge meine eigene Energie, bin autark mit natürlichen Baustoffen aus der Region unterwegs und kann damit sogar posen – weil es ist halt einfach auch schön. Aber trotzdem ist es halt eine Komposttoilette – die schönste, die’s halt gibt, aber es bleibt eine Komposttoilette.

Und das ist nur ein Beispiel: Wir brauchen 12.000 Liter Wasser im Jahr für eine Klospülung. Ich mein, Hallo? Das beste Wasser der Welt verwenden wir dafür, dass wir Urin mit Fäkalien und Industrieabwässern und Regenwasser mischen. Was ist das für eine Scheiße? Diese Thematiken gibt es. Leute, die einen Wohnwagon haben, beschäftigen sich automatisch damit. Das ist unsere Art, auf Probleme und Alternativmöglichkeiten aufmerksam zu machen, ohne mit dem Zeigefinger daherzukommen.

ZZ: In der Komposttoilette steckt noch einiges mehr als nur Wasser zu sparen.

CF: So ist es. Bodenaufbau beispielsweise. Wir haben mit Sonnenerde ein Einstreu mit Pflanzenkohle und Gesteinsmehl entwickelt.  Phosphor, Ammoniak, Kalium etc. bleibt durch die Kompostierung alles gebunden, damit bauen wir über zwei Jahre Schwarzerde-Humus auf, mit dem können wir auf die Erde gehen. Terra Preta! Der Urin wird extra gesammelt (deswegen auch Trockentrenntoilette) und kann mit 10 Teilen Wasser als Dünger verwendet werden, weil da zb Phosphor und Stickstoff enthalten ist. Noch ein Fakt: Wir brauchen 50 Prozent der Energie in den Kläranlagen dafür, den Stickstoff aus dem Urin herauszufiltern. Gleichzeitig benötigen wir aber 0,6 Kilogramm Erdgas, um einen Kilo Stickstoff-Dünger zu erzeugen. Und jetzt erzähl’ mir was von Nachhaltigkeit. Und dann lese ich überall, wir müssen jetzt eine CO2- Massensteuer einführen. Das soll die Lösung für alles sein! Dann steh ich da und denk mir: Was geht eigentlich ab mit denen?

ZZ: Du sagst immer wieder, Wut sei Euer Antrieb, Eure Vision zu verwirklichen und mit dem Unternehmen politische Akzente zu setzen.

CF: Ja, wir waren und sind wütend auf die ganze G’schicht. Je mehr ich analysiert und recherchiert habe, habe ich gesehen: Es wird halt immer nur oberflächlich herumgedoktort. Wir diskutieren permanent über CO2, aber kaum wer über die unfassbare Bodenversiegelung oder die kaputten Böden, die wir erzeugen. Und warum hab’ ich chilenische Äpfel im Bio-Markt, während im Nachbarsgarten die Äpfel niemand erntet und die Äste sich bis auf den Boden biegen? Ich finde das so dermaßen schwachsinnig. Und wir sehen es jetzt auch grad bei der Überschwemmung: Klimawandel hin oder her, aber wenn wir Überschwemmungsgebiete verbauen, die Böden versiegeln und verdichten, die Flüsse begradigen, dann werden wir halt hin und wieder eine Überschwemmung dort haben. So traurig das für die Betroffenen auch ist, sorry to say.

Wir haben hier ein viel komplexeres und vielschichtigeres Problem, und das kann ich nicht einfach auf CO2 reduzieren. Zu sagen, CO2 wäre an allem schuld, ist genauso trottelhaft wie zu sagen, der Mensch hätte nichts mit dem Klimawandel zu tun. Man muss sich nur mal den Globus bei Nacht anschauen. Was wir an Böden versiegeln und verdichten, wie wir die Meere kaputtmachen, was wir tagtäglich an Müll und Hitze in die Luft jagen oder vergraben oder durch Krieg zerstören ist so unfassbar gigantisch und destruktiv, dass man sich nur wundern kann, wie das unser Planet noch aushält.

Wir müssen die Systemfrage stellen: Wieso brauch ich ein 300 Quadratmeter-Haus, wieso brauch’ ich Waren, die durch die halbe Welt kutschiert werden. Wozu brauch’ ich das? Wieso red’ ich mit dem Nachbarn nix mehr? Wieso kann ich nicht im ortsansässigen Sägewerk mein Holz kaufen? Wieso muss ich dauernd Krieg führen und aufrüsten? Wieso sind 100 Konzerne für 70% des weltweiten Schadstoffausstoßes verantwortlich und zahlen dann nicht mal Steuern?

ZZ: Diese Fragen könnten aus der grünen Ecke kommen. Was sagst Du als grüner Unternehmer zur Politik der Grünen?

CF: Ich kann nicht, so wie die Grünen, permanent mit dem Zeigefinger daherkommen und sagen, wenn Du jetzt einen Meter mit dem Diesel-Auto fährst, bist Du ein Arschloch. Aber mit keinem Wort die Rüstungsindustrie erwähnen. So löse ich keine Probleme. Das ist nur weitere Spaltung – das hat ja schon vorher begonnen, jetzt mit Corona ist es noch viel schlimmer geworden. Und das ist genau das, was uns nicht mehr zusammenbringt: Wie kann ich als Grüner dastehen wenn jemand ein FPÖler ist und sagen, „mit dem red ich nicht“ – was? Ist das jetzt bereits Strafrecht, wenn man FPÖ wählt, oder mit jemandem spricht der die gewählt hat, oder wo sind wir denn? Ich mein, das sind auch nicht meine Typen, ich kann das auch nicht leiden, was die machen – aber sie sind bitte im Raum des Gesetzes, verfassungskonform, und wurden gewählt, also muss ich mit ihnen reden. Was soll denn das bringen, wenn ich sag, ich red nix mit Dir? Wie willst denn Du am Land irgendein Projekt umsetzen? Da kriegst ja nicht einmal ein Bücherregal am Hauptplatz durch. Dieses nicht miteinander Reden, diese Cancel-Culture-Partie, dieses “Nein, Du nicht, und ja Du schon” – das spaltet ja nur weiter. Außerdem ist CO2 Bullshitbingo und einfach nur „gegen Rechts!“ sein noch lange kein Programm, und schon gar keine Vision. Diese vielen kleinen wunderbaren regionalen verbindenden visionären Projekte, die sind es, die vor den Vorhang und gefördert gehören. Wir müssen ins Gespräch und in die Begegnung gehen, sonst haben wir keine Chance. Und vielleicht schauen wir uns zuerst die verbindenden Punkte an, bevor wir herumreiten auf dem Trennenden. Weil die ganz reichen Super-Oligarchen, ein Elon Musk, ein Larry Fink von Black Rock oder ein Jeff Bezos, oder ein Bill Gates, das sind wahre Oligarchen, die bestimmen den täglichen Diskurs. Und denen taugt das, wenn wir da unten herumstreiten gegeneinander wegen irgendwelchen Regenbogen-Fahnderln auf dem Münchner Stadion.
Die wollen uns echt weiß machen, dass wir mit einer CO2-Steuer irgendein Problem lösen. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil. Elon Musk verdient Milliarden an den CO2-Zertifikaten. Milliarden & Abermilliarden. Und was macht er mit dem Geld? Nicht den Hunger bekämpfen in Afrika, oder regreenen, genauso wenig der Bill Gates, sondern sie fliegen ins Weltall, bauen die nächste Firma auf oder investieren in Bitcoins und schicken ungefragt zigtausende Satelliten ins All. Damit sind die CO2-Zertifikate und der Handel damit von uns Bürgern bezahlt, aber steuerfrei verdienen tun damit nur ein paar wenige Oligarchen.

Aber die Lösungen für diese komplexen Probleme liegen ganz wo anders. Wir müssen den Boden wieder aufbauen, Agroforste und Waldgärten anlegen, wir müssen die Grundwasserreservoirs wieder auffüllen, Retentionsräume schaffen weil dann gibt’s wieder Quellen, dann können wir Wasser am Gelände halten, wir brauchen ordentlich begrünte Böden, wir brauchen mehr Wald und Weiden und weniger Rodung. Und dann geht was weiter, da merkst Du sofort nach fünf, sechs Jahren, wie so ein Gelände plötzlich wieder zum Blühen anfängt. So können wir dem Klimawandel begegnen, Gebiete durch die Dürre bringen oder Überschwemmungen verhindern.

ZZ: Die kleinen haben’s oft nicht leicht und kämpfen ums Überleben, während die EU-Großbauern fördert.

CF: Ein gutes Beispiel ist Judith Anger mit dem Wildniskulturhof in Jennersdorf. Die hat fünf Hektar Land mit Permakultur angelegt, da geht so richtig was weiter. Seltene Schmetterlinge und Vögel kommen zurück, die Ernte ist großartig, Überschwemmungen sind Vergangenheit. Aber sie hat in den letzten fünf Jahren 50.000 Euro Anwaltskosten gebraucht, damit sie ihr das Ganze nicht wieder gleich wegschieben. Die ist von Pontius zu Pilatus bis zum Landeshauptmann und wieder zurück. Den langen Atem musst Du mal haben.

Die ganz kleinen Projekte sind in Wirklichkeit die Game-Changer, weil die zeigen Dir wo’s langgeht und was Tolles passiert, wenn man das ordentlich macht. Dort müssen wir hin: Wir müssen die ganz tollen kleinen Projekte, wo eine Vision dahintersteckt, wo Biodiversität, Lebensqualität zurückkommt, wo Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden, wo gesundes Essen rauskommt, alte Sorten gepflegt werden: die müssen gefördert werden. So können wir Sachen ändern. Aber nicht, indem wir eine riesengroße 50 Hektar Hybrid Kukuruz-Monokultur mit unseren Steuergeldern fördern. Was wir in der EU an Agrarförderung zahlen, sind Beträge, da wird einem schwindlig. Das geht alles in die Säcke von den ganz Großen, die mit 20 Tonnen-Traktoren die Böden verdichten. Da gibts keinen einzigen Wurm , keinen Strauch, keinen Baum keinen Schmetterling auf 100 Hektar. Und ich glaube nicht, dass wir mit irgendwelchen super-Startups, die dann Milliardenbeträge kriegen und CO2 aus der Luft filtern und in irgendwelchen Flaschen unterirdisch lagern irgendein Problem lösen können.

ZZ: Ein großer Punkt ist die Flächenversiegelung, wie Du gesagt hast. Und das liegt dann doch eigentlich wieder in Händen der Politik, das zu ändern.

CF: Wer ist die Politik? Das sind Schauspieler der Industrie mittlerweile. Zumindest die ganz große Politik. Schau Dir mal die Karrieren der Politiker in Deutschland an. Und wer die Millionen für die Wahlkämpfe hinblättert. Wer dort das Sagen hat: Das sind alles Karrieren von Goldman Sachs, von irgendwelchen Think-Tanks, von neoliberalen Kaderschmieden, wo die Leute in Harvard schon geholt werden, die werden ausgebildet dafür, und die werden Politiker. Es wird ja nicht irgendein unabhängiger gestandener Bürgermeister vom Land deutscher Bundeskanzler. Im Regionalen merken wir‘s: In Gutenstein zum Beispiel, wenn ich da mit dem Bürgermeister rede, da merkst Du, da geht noch was. Da kann ich auch mit den Freiheitlichen, Grünen oder Schwarzen reden: Da sitzen wir zusammen und reden und diskutieren, was wir jetzt aus dem Acker machen. Aber in dem Moment, wo es überregionaler wird, hat das alles nix mehr zu melden. Da regieren nur noch die Konzerne, bzw. deren Eigentümer. Siehe EU.

Was völlig sakrosankt ist bei dieser ganzen Diskussion ist die Rüstung: das wird nicht diskutiert! 2000 Milliarden Dollar im Jahr! Wie viel fucking money ist das? Verteil das mal auf kleine Landwirtschaftliche Projekte, da haben wir den Garten Eden auf Erden in fünf Jahren.

Da mach ich ganz Afrika autark mit dem Geld und hol hunderte Millionen Menschen aus der Armut. Und uns wollen’s eine CO2-Steuer aufbrummen, nachdem wir vorher die Zugverbindungen kappen in die hinteren Täler, damit die Leut mit dem Auto fahren müssen, um zur Arbeit zu kommen und dann fäul ma’s an, weil’s mit dem Auto fahren? Und auf der anderen Seite haben wir Rüstungs-Schmieden, die Milliarden und Abermilliarden ausgeben, ohne sich an irgendein Klimakonzept oder Umweltauflagen halten müssen? Wieso wird das nicht breit diskutiert? Das ist doch völlig absurd. Bevor ich einen armen Bürger, der unter 1200 Euro im Monat verdient, einen Euro CO2-Steuer wegnehme, sag ich, wir müssen sofort die Rüstung senken. Und was passiert in Deutschland? Wir bauen einen russischen Feind auf und haben überhaupt kein Problem, dass wir jetzt die Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des BiP heben – das sind 20 Prozent des Staatshaushaltes! Das ist die Heuchelei par excellence.

Und das macht wütend: Die Wut ist unser Antrieb. Wir nehmen diese Energie und bauen damit Zukunft und Visionen. Aber eine CO2-Steuer einzuführen ist für mich keine konstruktive Lösung, tut mir Leid. Das ist keine Vision. Es zementiert nur die Probleme.

ZZ: Der Politik fehlt es an Visionen, könnte man sagen?

CF: Ja, wir brauchen schöne Visionen! Das ist glaub ich die wichtigste Botschaft. Wir brauchen Visionen: Schöne Beispiele, was können wir machen? Wohin kanns gehen? Dass wir auch Spaß haben und zusammenkommen und wieder Lebensfreude entwickeln, weil das ist auch die beste Gesundheitsvorsorge. Und gesunde Lebensmittel und gemeinsam mit der Natur leben. Das ist eine Vision. Und nicht CO2-Steuern und gegenseitig aufs Maul hauen, weil irgendeiner nicht impfen oder mit dem Dieselauto fahren will.

ZZ: Danke für das Gespräch!

Das Interview führte Larissa Breitenegger

Titelbild: wohnwagon.at / Christian Frantal

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