Freitag, März 29, 2024

Koalitionsstreit um Klima eskaliert – Jeder gegen jeden

Jeder gegen jeden

Türkis-Grün streitet weiter um die Klimapolitik. Nun stieg auch noch Elisabeth Köstinger (ÖVP) in den Ring. Mittlerweile ist es ein “jeder gegen jeden”.

Wien, 27. Juli 2021 | Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) legte am Montag nach und warf den Grünen via OE24.TV einen fehlenden “Blick für die Realitäten der Menschen im ländlichen Raum” vor. Davor hatte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer die Warnungen von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor einem “Klimalockdown”, den manche – er nannte bis jetzt noch niemanden namentlich – fordern würden, “absurd” genannt.

Maurer gegen Kurz

“Ich muss ehrlich sagen, ich verstehe nicht ganz, wovon der Kanzler spricht. Niemand fordert solche absurden Dinge”, so Maurer im Ö1-“Morgenjournal” zum Thema “Klimalockdown”. Es gehe nicht um Einschränkungen, sondern um den Ausbau klimafreundlicher Mobilität. Die Aussagen von Kurz zur S18 Schnellstraße in Vorarlberg, wonach die Straße unbedingt gebaut werde müsse, nannte Maurer “die persönliche Meinung des Kanzlers zu einer Straße in Vorarlberg”. Die zuständige Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) habe einen Auftrag des Parlaments, hier Alternativen zu prüfen.

Köstinger gegen Gewessler

Die Retourkutsche aus der ÖVP kam zunächst vom Wirtschaftsbund. Generalsekretär Kurt Egger forderte den Koalitionspartner auf, endlich Klimaprojekte umzusetzen anstatt das Koalitionsklima aufzuheizen. Köstinger heizte den Streit dann allerdings noch einmal an und verwies darauf, dass es nicht in jeder Region flächendeckend U-Bahnen und Straßenbahnen gebe. “Der ländliche Raum hat andere Herausforderungen als die Wiener Innenstadt, und das wird der Koalitionspartner anerkennen müssen”, richtete Köstinger den Grünen aus. “Wenn man über viele Jahrzehnte in der Innenstadt in klimatisierten, gut beheizten Büros arbeitet und lebt, dann fehlt einem vielleicht manchmal auch der Blick für die Realitäten der Menschen im ländlichen Raum. Ein bis zwei Wochen Urlaub in einer Seeregion zu machen, ist da noch nicht genug.”

Sie sei davon überzeugt, dass der Umbau des Wirtschaftssystems hin zu mehr erneuerbaren Energieträgern eine riesige Chance für den Wirtschaftsstandort sein könne, “aber das muss man halt intelligent machen und nicht nur einzelne Straßenprojekte in Frage stellen”, griff Köstinger Gewessler an. Der Streit entzündete sich ja an der von Gewessler verordneten Evaluierung der Asfinag-Bauprojekte, gegen die seither die Länder protestieren. “In einem Land wie Österreich muss man sich auch an rechtsstaatliche Verfahren halten”, erinnerte Köstinger an ein Gutachten der Wiener Wirtschaftskammer, das im Zusammenhang mit dem Lobautunnel bezweifelt, dass Gewessler rechtlich einen Baustopp verordnen dürfe. “Ich halte wirklich nichts davon, den Menschen ihre Lebensräume und ihre Zukunftschancen zu nehmen und einzelne Straßenbauprojekte infrage zu stellen.”

Opposition gegen Regierung

Kritik am Streit kam von der Opposition. Die SPÖ forderte die Regierung auf, endlich für Österreich statt gegeneinander zu arbeiten. Für Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch sind die Menschen “die Leidtragenden dieses Dauerkonflikts”. Dieser Streit schaffe weder Arbeitsplätze noch sichere er welche, Schulen würden dadurch nicht sicherer, und die notwendige Corona-Durchimpfung werde damit auch nicht vorangetrieben, sagte Deutsch in einer Aussendung. Auch die NEOS forderten die Regierung auf, zu arbeiten und nicht zu streiten. Dafür sei sie auch gewählt worden, meinte der stellvertretende Klubobmann Nikolaus Scherak. “Wir müssen beim Klimaschutz endlich Meter machen – mit dem gegenseitigen Ausrichten über die Medien muss Schluss sein”, sagte Scherak in einer Aussendung.

Kogler gegen Kanzler

Am Wochenende hatte Kogler dem Kanzler “altes Denken” attestiert. “Das letzte Mal, dass ich mich an solche Töne aus dem Kanzleramt erinnern kann, ging es um Hainburg. Damals hatte ich auch den Eindruck, dass Bundeskanzler Sinowatz (Ex-SPÖ-Kanzler Fred, Anm.) von den falschen Leuten, manchmal sogar von Betonköpfen, beraten wurde”, findet Kogler: “Die Diktion war jedenfalls haarscharf die gleiche.” Er habe den Eindruck, dass es bei Kurz so “wie früher ist” und man sich im Kanzleramt “vielleicht zu viel mit Öl-Lobbyisten und Betonierern umgibt”, so Kogler: “Sonst ist das nicht erklärbar.” Klimaschutz sei jedenfalls ein “Mehrheitsanliegen”, gibt sich der Vizekanzler überzeugt.

VdB gegen Hinausschieben

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele klar Position bezogen: “Ich finde es falsch, Maßnahmen gegen die Klimakrise weiter hinauszuschieben und so zu tun, als würde diese von selbst vorbeigehen.” Und: “Wenn wir ehrlich mit uns selber sind, wissen wir, dass es so nicht weitergehen kann. Und wir wissen, dass wir handeln müssen.”

FPÖ gegen VdB

“Schockiert” über diese Aussage zeigte sich am Montag FPÖ-Obmann Herbert Kickl. In einer Aussendung bezeichnete er den Bundespräsidenten als “Propagandisten eine beinharten Klima-Diktatur”. Für Kickl erhärtet sich der Eindruck, “dass die Corona-Politik dazu nur eine Vorstufe ist und abgetestet werden soll, was sich die Bürger von einem autoritären Technokratenregime alles gefallen lassen, das seine Politik alleine auf irgendwelche, meist sogar nicht nachvollziehbare Zahlen stützt – seien es nun irgendwelche Inzidenzen oder irgendwelche Kohlendioxid-Berechnungen”.

Kurz gegen “Steinzeit”

Ausgangspunkt des Koalitions-Scharmützels war der Auftrag Gewesslers, die Neubauprojekte der Asfinag bis Herbst zu evaluieren, was zu einem Aufstand der Länder führte. Neben dem Wiener Lobautunnel ist auch die Bodensee-Schnellstraße S18 in Vorarlberg davon betroffen. Kurz hatte sich in diesem Fall auf die Seite des Baubefürworters, Landeschef Markus Wallner (ÖVP), gestellt und bei seinem jüngsten Besuch in Vorarlberg gemeint, dass der Verzicht auf Mobilität und auf Individualverkehr nicht funktionieren werde. Er sei nicht der Meinung, “dass unser Weg zurück in die Steinzeit sein sollte”. Und in Sachen S18 erklärte Kurz, das Projekt sei “schon lange versprochen und es muss auch durchgeführt werden.”

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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42 Kommentare

  1. Was ich daran schon komisch finde: war der Lobautunnel nicht ein Projekt der Vassilakou?…..Meint also jetzt die Gewessler, grüne Verkehrspolitik wäre Umwelt-schädigend?

  2. Immer wenn ich der Gewessler auf den Mund schaue, muss ich an Jabba the Hutt denken.

  3. Also diese eiskalte Frau redet von “halten an rechtsstaatliche Verfahren” ! Weiß die schon von was sie redet?

  4. „Altes Denken“? Ich würde sagen „betreutes Denken“ ist die Devise & da unterscheiden sich die Grünen von den Schwürisen leider NULLO – IHR SEID UNWÄHLBAR!!!

  5. Klima-Diktatur find ich spaßig. Weltzerstörungsdiktatur haben wir schon. Bei manchen gehts im Schädel wohl nur um Diktatur.

  6. “die notwendige Corona-Durchimpfung werde damit auch nicht vorangetrieben, sagte Deutsch in einer Aussendung”. Na, wenn dieser Streit wenigsten die Durchimpfung blockiert, dann hat die Bevölkerung wenigsten diesen Vorteil daraus. Deutsch kann ja sich selber, seine Familie und seine Freunde, so er noch welche hat, Corona-durchimpfen (lassen, ev. sogar von Pam?), die Menschen abseits seiner Blase soll er in Ruhe lassen. Daher ist es zumindest gut, dass jetzt nicht die Rendi das Sagen hat, sonst wären schon alle 3 x zwangsgeimpft. Natürlich bei totaler Ausgangssperre.

  7. Schau, schau, sogar der Herr Wohlgeboren Bundespräsident meldet sich zu Wort für unser aller Klimaschutz. Hat er glatt Zeit gefunden für uns, zwischen seinen dringlichen Aufgaben von den Bregenzer zu den Salzburger Festspielen, vorgefahren im schicken Audi A8 mit 5-Liter-Motor, ausgesprochen klimafreundlich im Benzinverbrauch.

  8. Vor 30 Jahren haben div. Experten zum Erdoelausstieg geraten weil:
    Kriege (brauchen die USA siehe Petrodollar, d.h. Ende nie, fuehrt(e) ua! zu Migration)
    Tektonik (Instabilitaet der Erdkruste, Beben, Tsunamis)
    Petrochemie (braucht 10% des Oels, auch in Zukunft, dzt. wenig “echte” Alternativen)
    Feinstaub (belastet die Lungen, besonders hohe Konzentration in Kindernasenhoehe)
    CO2 usw. (zuviel in so kurzer Zeit).

    Bzgl. S18: Es geht um den Anschluss der A14 (Richtungen Deutschland/Tirol) zur Schweizer Autobahn in einem Gebiet mit fast 1000 Ew/km2 … her damit, von mir aus im Bereich des Naturschutzgebiets ueberdacht.

    Bzgl. der Mobilitaet kann ich unseren Politikern den Streit ersparen.
    Problem auf Basis ca. 100 Jahre alter Verfahrenstechnik geloest, siehe (z.B. uvam):
    https://www.youtube.com/watch?v=KHBWag8sZXQ
    Bis wir soweit sind, liefert Putin uns sicher Gas.
    Ihr koennt sogar Euren Umgangston beibehalten, der ist das von westlichen Politikern gewohnt.

  9. Hier geht’s um die letzte Bastion der Grün -Politik in der aktuellen Regierungsbeteiligung. Geht diese auch noch verloren , können die Grünen nur noch auf eine Spiegel-Vernichtung hoffen…..

  10. Wer der Bevölkerung die Zukunft und Lebenschancen stiehlt, ist die türkise Kürzlichkeits-ÖVP!
    Nur hohles, brav auswendig gelerntes NLP- Geplapper ohne Substanz.
    Die Unbildung und Peinlichkeit dieser Truppe macht jeden Kabarettisten sprachlos.
    Warum läßt sich die Bevölkerung diese unerträgliche Frotzelei überhaupt noch bieten?
    Widerstand im ganzen Land!

  11. Wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich, dass es für das Klima völlig egal ist, was wir in Österreich machen. Man kommt, wenn man ehrlich ist, also zwingend zu dem Schluss, dass das alles nur Symbolik ist, um mit Menschenopfern a) den Klimagott oder b) seine Buddys auf der internationalen politischen Ebene zu beeindrucken.

    • “Voellig egal” erscheint mir fast richtig zu sein.

      Ich schaetze, da die 10mal so hauefigen Nachbarn 2% haben, dass “unser” Anteil ca. bei 0,2% liegt – an allem moeglichen, z.B. von dieser ueber Gebuehr oft genannte CO2-Emission:
      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/179260/umfrage/die-zehn-groessten-c02-emittenten-weltweit/

      Wenn ich z.B. nur mit 0,2% an der Zack-Zack-Spendenaktion beteiligt bin, ist das so wenig, dass ichs zeitweise vergesse … hat keine Bedeutung.

      Wenn man sieht, dass Erdoel-verbrennen nicht nur C02-Emission sondern auch Krieg, Migration, tektonische Einfluesse, Petrochemie-Rohstoffsorgen uvam nach sich ziehen und die Schwere alldessen in die Rechnung aufnimmt, dann schaut es sowohl nominal, als auch prozentual nach dem Verursacherprinzip anders aus.

      Bei Ihrem “a) und b)” stimme ich uneingeschraenkt zu, aber da gehts ja jetzt wieder mehr um Politik oder so … die Fakten (die Folgen des Oel-verbrennens und die Sinnhaftigkeit etwas dagegen zu tun) aendert das ja nicht.

  12. Alles nur Show. Nachdem die Grünen den Kanzler vor dem Knast bewahren, gibts auch die Steinzeit. Sie wird kommen.

    Ich werde niemals in der Stadt leben. Sondern lieber auf einen Haflinger umsatteln – zum Einkaufen fahren und sonst einen Araberhengst …

  13. ….. solange der endgültige Alpha Primat noch nicht gefunden ist, wird es so weiter gehen, egal ob die Menschen dabei zugrunde, oder der Planet (Biosphäre) unter geht.
    193 Staaten auf der suche nach DEM Primaten, wie soll da irgendwas in einer Erkenntnisleiste landen, oder Handlungen entstehen die hilfreich sind….

  14. der zustand der österr. innenpolitik ist einfach nur noch zum weinen.
    und auch, wenn das jetzt fatalistisch klingt, seh ich weit und breit kein licht am ende des tunnels.
    im gegenteil befürchte ich, dass es noch finsterer wird.

    die einzige – kleine – chance seh ich in einem widerstand durch die zivilgesellschaft.

    https://www.hagerhard.at/blog/2021/07/empoert-euch/

  15. Ist das wirklich eine Überraschung? War nicht schon zu Beginn der Koalition klar, das dass herauskommen würde? Macht das noch irgend einen Sinn? Wie ahnungslos kann man eigentlich sein? Maurer war einfach unglaublich naiv und jetzt kommt die Rechnung dafür…

    • Die Maurer ist nicht naiv, diese Frau ist absolut berechnend und skrupellos. Passt perfekt zu grün und natürlich Türkisschwarz.

      • Das sind sie alle, sonst wären sie niemals so weit gekommen unter den anderen Haien.

      • Die Maurer hat sich doch glatt eingebildet, sie könnte mit den türkisen verhandeln oder sie gar für ihre Zwecke einspannen. Natürlich ist die berechnend aber die hat sich einfach übernommen..

  16. Ja die Frau Köstinger! Immer für einen Scherz gut. Hebt die Laune, nicht?

  17. Welch ein Grußelkabinett. Normalerweise machen mir Dämonen, Hexen udgl. keine Angst aber nach diesem Foto brauch ich eine Angstüberwätigungstheraphie.

    • Sie wollen die Angst überwältigen, Sie Rohling?
      Oder doch BEwältigen…?….;))

      Wird doch wohl kein Freud’scher gewesen sein?

  18. Vielen Dank, Frau Maurer. Durch Ihr Dementi weiß ich jetzt, dass Klima-Lockdowns kommen werden.

    Das deutsche Gesundheitsministerium unter Spahn veröffentliche 2020 eine Meldung auf seiner Homepage, dass der Vorwurf die Regierung plane Lockdowns reine “Verschwörungstheorie” sind (wörtlich). Der Lockdown kam ACHT TAGE danach trotzdem.

    Maurer’s Formulierung macht mich sicher. Es Ulbrichtelt schon gewaltig.

  19. äääh – NEGER ???? geht´s noch?
    wohl irgendwo mitte des 20. jhdt steckengeblieben?

  20. Die Türkisen planen sicher baldige Neuwahlen- bin mir jetzt ganz fix sicher!

    • das tun sie doch schon viel länger im hintergrund, es präsentieren sie es der bevölkerung häppchenweise

    • Und mit wem wollen sie regieren? Ob sie genug Stimmen für eine Alleinregierung nach dem Corona-Fiasko bekämen?

      Und noch gibt der BP den Regierungsauftrag. Hoffentlich verrechnen sich die Türkisen nicht.

      • Es gibt noch immer so viele Idioten in Österreich die Türkisschwarz wählen werden, weil die haben das bis jetzt ja super gemacht. Alle die etwas anderes behaupten sind Schwurbler, Coronaleugner, Antisemiten, rechtsradikale Neonazis usw.

        • Die Roten habens auch mit der Korruption übertrieben die letzten
          Jahrzehnte. Da haben viele die Schnauze voll.
          Sind ja alle unwählbar.

          • Nicht nur mit der Korruption, am meisten mit dem gegen die Österreicher arbeiten und regieren. Und da alle unwählbar sind braucht es ein Volksbegehren und eine Volksabstimmung für die direkte Demokratie.

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