Donnerstag, April 18, 2024

Hilferuf “Dr. Viola”: Klinik Innsbruck reagiert auf Anstieg schwerer häuslicher Gewalt

Hilferuf “Dr. Viola”:

Fälle von schwerer Gewalt haben seit den Corona-Maßnahmen zugenommen. Die Opferschutzgruppe der Innsbrucker Klinik reagiert auf diese Entwicklung mit einem Codewort: Patientinnen und Patienten können künftig mit der Frage nach “Dr. Viola” unentdeckt einen Hilferuf wegen Gewalt absetzen, ein interner Notfallplan wird daraufhin aktiviert.

Wien, 29. Juli 2021 | Wer an der Innsbrucker Klinik nach Schutz und Hilfe vor Gewalt sucht, kann dies künftig mit nur einem Satz tun: “Ich muss zu Dr. Viola!”. Betroffene jeden Alters und Geschlechts, die sich bedroht fühlen, können den Notruf am Klinikareal etwa gegenüber dem Portier oder Sicherheitspersonal in Anspruch nehmen. Anschließend werde ein interner Notfallplan aktiviert und die Person an einen sicheren Ort gebracht, teilten die tirol kliniken am Dienstag mit.

Dadurch soll Menschen, die in der Situation nicht frei sprechen können, geholfen werden, erklärte Alexandra Kofler, Ärztliche Direktorin der Klinik Innsbruck. Es werde bereits seit längerem in den größten Ambulanzen gefragt, ob jemand weiß, dass die betroffene Person hier ist, ob es jemand nicht wissen soll und ob die Person sich bedroht fühlt. Der anschließende Ablauf sei schon seit Jahren gut trainiert.

Seit Corona “deutlich schwerere Verletzungsmuster” bei häuslicher Gewalt

Im Schnitt werden einmal pro Woche bei einer Patientin oder einem Patienten Spuren von häuslicher Gewalt festgestellt. Frauen seien tendenziell stärker betroffen. Trotz eines Rückgangs an Patienten im vergangenen Jahr seien aber gleich viele von Gewalt betroffen gewesen.

“Verändert haben sich hingegen die Verletzungsmuster. Diese sind deutlich schwerer geworden”,

berichtete Thomas Beck, Psychologe an der Innsbrucker Klinik und Leiter der Opferschutzgruppe. Auch Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, teilt diese Wahrnehmung im ZackZack-Interview:

“Schwere Gewalt hat mit den Corona-Maßnahmen stark zugenommen. Das war auch schon 2007/08 bei der Wirtschaftskrise der Fall, hier gibt es eindeutige Zusammenhänge. Heuer haben wir bereits 17 Femizide und 18 schwerstverletzte Frauen nach Mordversuchen. Die Dunkelziffer ist noch viel höher.”

“Viola”: Möglichst geringe Hemmschwelle, um Hilfe zu bitten

Der Name “Viola” wurde indes gewählt, weil er möglichst für alle Menschen – unabhängig von ihrer Sprache – auszusprechen sein soll. Außerdem lehne er sich an “Violence” – also Gewalt – an. Violett sei zudem als Verbindung von Rot (als weibliche Farbe) und Blau (männlich) zu sehen. Für Diplompflegerin Andrea Hohenegger, stellvertretende Leiterin der Opferschutzgruppe, ist der niederschwellige Zugang “entscheidend”. Man wisse aus Erfahrung, dass die Angst vor Vorurteilen, davor nicht ernst genommen zu werden und selbst als Schuldige oder Schuldiger verurteilt zu werden, die größten Hemmschwellen seien, um Hilfe zu bitten.

(lb/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

13 Kommentare

  1. Sehr gut.
    Und so traurig.
    Ich wünsche allen frauen, dass sie es schaffen, sich aus toxischen beziehungen zu lösen.

  2. Mehr Gewalt in den Familien, mehr Gewalt gegen Frauen und gegen Kinder seit den Corona-Massnahmen. Wissen wir seit über 1 Jahr. Das ist dem Mückstein aber völlig egal.

  3. Regel Nr. 1 vom Fightclub: Keiner spricht über den Fightclub
    Regel Nr. 2 vom Fightclub: Keiner spricht über den Fightclub.

    ZackZack: Das Codewort ist Dr. Viola 😂
    Dr. !!!!! Viola!!!! V-I-O-L-A!!!!
    Sauber, jetzt war das ganze eigentlich fürn Hugo.

      • Nein überhaupt nicht, aber ich finde es nicht gerade praktisch wenn man ein sensibles Codewort in die Welt hinausposaunt, dass eigentlich dazu dient Menschen vor häuslicher Gewalt zu schützen und diese Funktion nur unter aufrechthaltener Geheimhaltung erfüllt. Dadurch läuft man Gefahr dass die Anonymisierung schon beim nächsten Anruf nicht mehr greift weil (weil der Gewalttäter über dieses ”Wort” Bescheid weiß, oder häusliche Gewaltopfer sich aus Risiko des Auffliegens nicht mehr ”unallein” anzurufen trauen). Und das ist ime ein Fail, und deswegen in abstrakterweise dann doch etwas zynisch, komisch, wie bei den Simpsons halt.

        • Wie sollte man das Codewort sonst erfahren? Zuerst flüsternd den Portier fragen, wie das Codewort lautet?

          • Ich nehme mal an vertraulich bei Internetseiten oder persönlichen Gesprächen von Anlaufstellen, oder eben über Mundpropaganda. Mehrere solcher, auch situationsabhängiger, Codewörter und öftere Aktualasierung derselben sowie bessere Geheimhaltung dieser könnten dabei durchaus förderlich sein.

          • Entschuldigung aber jetzt sind Sie schon etwas unlogisch unterwegs..

            Beispiel – eine Nachbarin:

            Muss Burka tragen, hat kein Handy, kein Internet, keine Bezugspersonen außer der Familie ihres Mannes, darf NIE ohne Begleitung aus dem Haus (somit auch zu keiner Anlaufstelle), wird regelmäßig von ihrem Mann verprügelt – begegnet den Mitbewohnern alle paar Wochen mal in der Waschküche. Dank diesem Bericht kann ihr nun jemand vom Haus sagen, das sie beim nächsten Krankenhausbesuch (wo sie offiziell vermutlich mal wieder die Treppe runtergefallen ist) bei der Untersuchung nach Dr. Viola fragen kann/soll – und ihr wird Hilfe zuteil, denn – ich bin mir zu 100% sicher ihr Mann liest nicht Zackzack!
            Und die Hausbewohner haben bisher noch NIE was von Dr. Viola gehört.

            Insofern – danke an die Redaktion für diesen Bericht!!

          • Das ist natürlich ein arges Fallbeisbiel, aber wie kommt diese isolierte Frau ohne Handy und Internet, ohne Freunde nun zu ihren Codewort, Telefon, geschweige denn ZackZack? Wäre der sogenannte Krankenhausbesuch keine Anlaufstelle, wo Ärzte/ Personal etwas ahnen sollten? Leider ist da immer die Psychologie, Angst, Hilflosigkeit im Spiel, was bringt es ihr wenn sie auspackt, wenn sie doch dann doch wieder früher oder später heim muss, und bei Trennung, weiter Gewalt vom Mann, bei Trennung mit richterlicher Verfügung Rache der Familie befürchten muss.
            Das ist echt bitter, ich muss zugeben dass mir so ein ganz abgekapselter Fall, wo doch viele Smartphones mit Internet haben, bei meinem simplen Kommentar nicht in den Sinn gekommen ist, wo sogar Gesetz und Recht leider nicht wirklich viel bringen wenn man wirklich einen ehrgeizigen Feind mit ganzer Familie dahinter hat . Tut mir sehr leid für Ihre Nachbarin.

          • Ich meinte das Ernst, das keiner der Bewohner je was von Dr. Viola gehört hat – und jetzt hoffe ich natürlich das sie bald wieder mal in der Waschküche ist. Ich hoffe sehr, das sie dann auch den Mut findet.
            Danke für Ihr Mitgefühl!

          • Wäre nett von Ihnen, ihrer Nachbarin anonym Hilfestellung anzubieten/ Anlaufstellen zu kommunizieren. Ohne Mut wird es nicht gehen, und die Einsicht, dass das Leben nach dem Bruch wohl kaum ein größeres Leben in Angst werden kann, wenn Ihre Nachbarin anscheinend ja jetzt schon ein solches führt könnte auch essentiell sein. Hoffentlich klappts!

          • Lob an den Bericht ja, die Preisgabe eines praktischen Codewortes halte ich nach wie vor für ungünstig. Hätte meinen Kommentar angesichts dieses sensiblen Themas wohl im Nachhinein anders formuliert. Neige halt manchmal zum Leichtsinn. Aber das ist halt auch ein Mitgrund warum ich bei solchen Themen meistens gar nicht mehr kommentiere, und mir auch schön langsam wie offenbar vielen anderen die Lust daran vergeht. Das schadet aber langfristig dem Diskurs, und der Umgang mit harten Themen wird so unter den Teppich gekehrt. Zirko so wie man nicht wirklich über Sex spricht. Wenn alle immer so auf 100% political correctness, Vollständigkeit (z.b. an alle Situationen, Fälle denken) und Sensibilität erpicht sind, bekommt man immer mehr das Gefühl ein Thema nicht einmal mit der Pinzette anfassen zu dürfen.

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Polizeiäffäre "Pilnacek"

Denn: ZackZack bist auch DU!