Ibiza-Ausschuss:
Der Ibiza-Untersuchungsausschuss ist zu Ende. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl hat am Freitag seinen Endbericht vorgelegt. Er belastet ÖVP und FPÖ schwer: Pöschl sieht eindeutige Hinweise auf Korruption und Postenschacher.
Wien, 30. Juli 2021 | 872 Seiten. So lang ist der Entwurf für den Abschlussbericht von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl zum „Parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die mutmaßliche Käuflichkeit der türkisblauen Bundesregierung“, kurz: Ibiza-Ausschuss.
Pöschl: Regierung war käuflich
Hinweise auf Käuflichkeit findet Pöschl. Bestes Beispiel: PRIKRAF. Über diesen staatlichen Fonds erhalten Privatspitäler Geld, wenn sie Leistungen anbieten, für die sonst die Krankenkassen aufkämen. Wer bei dem Fonds mitnascht, ist gesetzlich festgelegt. Werner Grubmüller, ein Bekannter von Ex-Vizekanzler HC Strache und Besitzer der Privatklinik Währing wollte in den Fonds – doch die PRIKRAF-Mitglieder waren dagegen, den Kuchen mit seiner Klinik zu teilen. Grubmüller wendete sich an Strache.
Beide stehen aktuell wegen des Verdachts auf Bestechung bzw. Bestechlichkeit vor Gericht – es gilt die Unschuldsvermutung. Für Verfahrensrichter Pöschl steht fest: Das Prikraf-Gesetz wurde geändert, weil die FPÖ Spenden erhielt. Im Gegenzug erhielten auch die anderen Spitäler, darunter jene der Premiqamed Group – über die Uniqa im Raiffeisen-Umfeld angesiedelt, mehr Geld – und zwar mehr, als die Aufnahme der Privatklinik Währing sie kostete. Antrieb dafür waren laut Pöschl wiederum Spenden an die ÖVP:
„Eine sachliche Rechtfertigung für die Novellierung (…) des Prikraf-Gesetzes kann nicht festgestellt werden,“ schreibt Pöschl. „Grubmüllers systematisch betriebene Vorgangweise und seine Bekanntschaft mit Strache sowie seine Zuwendungen an die FPÖ waren wesentliche Ursache für die Aufnahme der Privatklinik Währing in den Prikraf.
Und zur ÖVP: „Auch für die im Gegenzug zum Vorteil der Premiqamed Group erfolgte Erhöhung der Fondsmittel finden sich keine begründbaren Sachargumente. (…) Spendenmotiv ist die erwartete Unterstützung durch die ÖVP in dem Bestreben der Premiqamed Group, durch Aufnahme der Privatklinik Währing in den Prikraf keine Verluste zu erleiden, sondern vielmehr aus einem vergrößerten Fondsvermögen höhere Leistungen zu erhalten.“
Für Verfahrensrichter Pöschl steht also fest: FPÖ und ÖVP ließen sich kaufen.
ÖBAG: Kurz wusste Bescheid
ÖVP-Mann Thomas Schmid wurde am 27. März 2019 zum Alleinvorstand der neu gegründeten ÖBAG – jener Beteiligungsgesellschaft, die rund 26 Milliarden Euro Staatvermögen verwaltet. Dass sich Schmid diesen Job mit Zustimmung von Finanzminister Löger, Kanzleramtsminister Blümel und Bundeskanzler Kurz selbst verschaffte, steht für Wolfgang Pöschl außer Zweifel: „Die Vorbereitung der Bestellung von Schmid zum Vorstand der Öbag entsprach nicht der Ordnung.“ Pöschl stellt fest, dass Schmid selbst bzw. seine Mitarbeiter die Kriterien der Ausschreibung so verfassten, dass sie „seine Bewerbung begünstigten und andere Bewerber, insbesondere solche aus der Privatwirtschaft weitestgehend ausschlossen.“
Dass Schmid den ÖBAG-Job bekommen würde, stand für Blümel und Kurz schon vor der scheinbaren Entscheidung durch den Aufsichtsrat fest, so Pöschl. Das gehe aus einschlägigen Chatnachrichten hervor. So habe Schmid schon im Februar 2018 Kanzler Kurz ersucht, zu intervenieren. Der Verfahrensrichter zitiert in seinem Bericht die wichtigsten Chats: „Am 13.03.2019 schrieb Schmid an Kurz unter anderem, er solle ihn nicht ‚zu einem Vorstand ohne Mandate‘ machen, worauf Kurz schrieb: ‚Kriegst eh alles was du willst‘. Schmid antwortete: ‚Ich bin so glücklich… Ich liebe meinen Kanzler‘.“
In dieser Frage läuft ein Strafverfahren gegen Bundeskanzler Kurz. Der hatte im Ausschuss ausgesagt, nicht in die Vorgänge um Schmids Bestellung eingebunden gewesen zu sein. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt daher gegen Kurz wegen falscher Beweisaussage. Für den Bundeskanzler gilt die Unschuldsvermutung.
Außerdem ist Pöschl überzeugt, dass es zwischen FPÖ und ÖVP einen „‘Deal‘ in Zusammenhang mit den Vorstandsbestellungen“ gab. Pöschl vermutet, dass die FPÖ Schmid als Alleinvorstand bei der ÖBAG zustimmte und dafür Peter Sidlo als Casinos-Vorstand bekam.
Casinos: „Novomatic zahlt alle“
Dieser Satz beschreibe laut Pöschl „treffend die Geschäftstaktik des Unternehmens. Dass der FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo in den Vorstand des staatlichen Glücksspielkonzern CASAG gehievt wurde, ist für Pöschl Ergebnis von Postenschacher und Absprachen hinter den Kulissen. Dazu gehören die gescheiterten Bemühungen von FPÖ und (ÖVP-)Finanzministerium, der Novomatic eine Mehrheit bei der CASAG zu verschaffen.
Teil des „Hintergrunddeals“ (Pöschl) war der neue CASAG-Vorstand. Die ehemalige ÖVP-Vizechefin Bettina Glatz Kremsner wurde CEO, doch auch ein FPÖ-Mann – Sidlo – sollte trotz mangelnder Qualifikation in den Vorstand kommen. Das war laut Pöschl wahrscheinlich der Preis, den die FPÖ für Thomas Schmid als Alleinvorstand der ÖBAG forderte.
Vor der Bestellung des CASAG-Vorstands war das wohl bereits fix zwischen den Regierugnsparteien vereinbart, denn CASAG-Aufsichtsratschef, der Raiffeisen-General Walter Rothensteiner, bezeichnete Sidlo als „Muss“. Pöschl sieht eine „Junktimierung der Vorstandbestellungen von Schmid und Sidlo“ als gegeben. Der Verfahrensrichter geht auch davon aus, dass Kanzler „Kurz bereits vor Sidlos formeller Bestellung über diesbezügliche Vorgänge zumindest informiert war.“
Was tut Sobotka?
Der Berichtsentwurf, der ZackZack vorliegt, ist formell nur ein Vorschlag für den Bericht des Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka. Der Nationalratspräsident war für seine Vorsitzführung heftig kritisiert worden, unter anderem weil er selbst als Funktionär eines ÖVP-nahen Vereins als Auskunftsperson geladen war, darin aber keine Unvereinbarkeit sah. Sobotka könnte nun Änderungen am Entwurf Pöschls vornehmen, was aber unüblich wäre. Laut Ausschusskreisen soll etwas Unübliches rund um Pöschls Bericht aber bereits geschehen sein: Anders als in den vorigen Untersuchungsausschüssen soll Sobotka den Bericht bereits vor den Parlamentsfraktionen erhalten haben.
Übrigens: Verfahrensrichter Pöschl stützt sich in seiner Beurteilung stark auf ZackZack-Recherchen. Sie werden ganze 133 Mal im Bericht zitiert.
(tw)
Titelbild: APA Picturedesk